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VwGH vom 17.11.2004, 2004/04/0169

VwGH vom 17.11.2004, 2004/04/0169

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde 1.) des K in R, 2.) des A in R, 3.) der I in R, 4.) des L in R, 5.) der Mag. S in R, 6.) des F in P, 7.) der C in P, 8.) der V in P, 9.) des J in P, 10.) der H in P, 11.) der S in R, und 12.) des K in R, alle vertreten durch Dr. Rainer Mutenthaler, Rechtsanwalt in 3370 Ybbs, Herrengasse 23, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Senat-AB-04-0052, betreffend Zurückweisung von Berufungen gegen die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: S AG in Z), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigungen zufolge wurden mit Bescheid des UVS im Land Niederösterreich vom die Berufungen der beschwerdeführenden Parteien gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Krems (BH) vom , betreffend Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei zurückgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die BH habe auf Grund des Genehmigungsantrages der mitbeteiligten Partei eine mündliche Verhandlung für anberaumt. Hievon seien die Eigentümer der unmittelbar angrenzenden Grundstücke sowie die Eigentümer jener Grundstücke, die lediglich durch einen Weg getrennt seien, durch persönliche Ladung verständigt worden. Im Übrigen sei die Verhandlung durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde R sowie an der Amtstafel der BH kundgemacht worden. Die zur Verhandlung erschienenen Nachbarn hätten gegen die beantragte Betriebsanlage keine Einwände erhoben; die beschwerdeführenden Parteien seien zur Verhandlung nicht erschienen. Die beschwerdeführenden Parteien seien nicht unmittelbar angrenzende Nachbarn an das in Rede stehende Betriebsgrundstück. Aus dem vorgelegten Lageplan ergebe sich, dass dem Betriebsgrundstück keine Häuser unmittelbar benachbart seien. "Unmittelbar benachbart" seien nämlich nur Häuser, die sich in einer gewissen räumlichen Nähe zur Betriebsanlage befänden; die von den beschwerdeführenden Parteien namhaft gemachten (bebauten) Grundstücke seien von der Betriebsanlage erheblich weit entfernt und es lägen zahlreiche Grundstücke dazwischen. Die Kundmachung an der Amtstafel der Gemeinde R sei am angeschlagen, der Anschlag am wieder abgenommen worden. Bei der Amtstafel handle es sich um den linken Schaukasten im Eingangsbereich des Amtsgebäudes der Marktgemeinde R; dieser werde für Kundmachungen der Gemeinde verwendet. Eine ausdrückliche Bezeichnung als "Amtstafel" sei ebenso wenig erforderlich wie eine Beleuchtung der Tafel. Die Dauer des Anschlags sei ausreichend gewesen, um den nicht persönlich zu ladenden Nachbarn Gelegenheit zu geben, von der Verhandlung so rechtzeitig Kenntnis zu erlangen, dass sie rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Projektunterlagen sei in der Kundmachung hingewiesen worden. Durch die Nichterhebung von Einwendungen in der - ordnungsgemäß kundgemachten - mündlichen Verhandlung hätten die beschwerdeführenden Parteien ihre Parteistellung im gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren verloren. Ihre Berufungen seien daher zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf meritorische Erledigung der von ihnen erhobenen Berufungen verletzt. Sie bringen hiezu im Wesentlichen vor, die belangte Behörde sei zu Unrecht von einer Erfüllung der Voraussetzungen der Präklusion im Sinn des § 42 Abs. 1 AVG ausgegangen. Die beschwerdeführenden Parteien seien nämlich als "bekannte Beteiligte" im Sinn des § 41 Abs. 1 AVG, d. h. als Beteiligte, die von der Behörde auf Grund der Projektunterlagen als bekannt hätten ermittelt werden müssen, persönlich zu laden gewesen; die belangte Behörde habe selbst ausgeführt, dass die beschwerdeführenden Parteien Nachbarn gemäß § 75 Abs. 2 GewO 1994 seien. Sie seien jedoch nicht persönlich verständigt worden. Mangels persönlicher Ladung seien sie daher gemäß § 42 AVG nicht präkludiert. Im Übrigen sei auch die öffentliche Kundmachung der Verhandlung nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Stelle, wo die Kundmachung nach den Feststellungen der belangten Behörde (linke Seite des Eingangs zum Gemeindeamt) angeschlagen worden sei, sei nicht als "Amtstafel" oder "Gemeindetafel" gekennzeichnet. Eine solche Kennzeichnung sei jedoch im Interesse der Rechtssicherheit zwingend erforderlich. Die Dauer der Kundmachung im Ausmaß von 12 Tagen sei zu kurz gewesen, um eine Kenntnisnahme von der und eine Vorbereitung auf die Verhandlung zu ermöglichen. Mit zunehmender Dauer der Kundmachung steige nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass Beteiligte Kenntnis vom Verhandlungstermin erlangen. Die Möglichkeit eines Vertagungsantrages scheide aber naturgemäß dann aus, wenn gar keine Kenntnis vom Verhandlungstermin erlangt werden könne. Im Übrigen gehe die belangte Behörde selbst von einem auffallend weiten Immissionsbereich der Anlage aus, ohne jedoch eine Anwendung der Bestimmungen für Großverfahren (§§ 44a f. AVG) in Betracht zu ziehen. Abgesehen davon, dass die Behörde nicht begründet habe, warum sie diese Bestimmungen (§§ 44a f. AVG) nicht angewendet habe, betrage die dort vorgesehene Einwendungsfrist mindestens sechs Wochen. Auch dies zeige, dass die Kundmachungsdauer von 12 Tagen keinesfalls ausreichend sei. Schließlich sei die Ausschreibung der Verhandlung entgegen den sonstigen Modalitäten nicht auch im Amtsblatt der BH verlautbart worden. Angesichts der größeren Reichweite einer Kundmachung in der für amtliche Verlautbarungen bestimmten Zeitung gegenüber der Kundmachung an der Amtstafel hätte die Behörde der Amtsblattverlautbarung den Vorzug geben müssen. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil die Amtstafel - wie dargelegt - im konkreten Fall weder als solche bezeichnet, noch beleuchtet und auch nicht zeitlich uneingeschränkt zugänglich gewesen sei. Bei der Beurteilung von Kundmachungsart und Kundmachungsdauer müsse ein strenger Maßstab angelegt werden, zumal eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich sei. Hingegen müsse der Begriff in § 356 GewO 1994 "unmittelbar benachbarte Häuser" weit ausgelegt werden. Darunter seien nach Auffassung der Beschwerdeführer alle Häuser im "unmittelbaren Umgebungsbereich" der Betriebsanlage zu verstehen, wobei die Umgebung in einer Entfernung von 5 km angesichts der von der Betriebsanlage möglicherweise ausgehenden Immissionen noch zu diesem Bereich zu zählen wären. Der Anschlag in diesen Häusern habe auch den Zweck, den Informationsfluss an die betroffene Gemeindebevölkerung zu beschleunigen. Hätte die Behörde die Anschläge in diesen Häusern vorgenommen, hätten die Beschwerdeführer von der Verhandlung erfahren.

Gemäß § 42 Abs. 1 AVG hat die Kundmachung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt.

Gemäß § 41 Abs. 1 AVG hat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung kundzumachen.

Gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sie eine mündliche Verhandlung anberaumt, den Nachbarn Gegenstand, Zeit und Ort der Verhandlung sowie die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Parteistellung (§ 42 AVG) durch Anschlag in der Gemeinde (§ 41 AVG) und durch Anschlag in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern bekannt zu geben. Statt durch Hausanschlag kann die Bekanntgabe aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit durch persönliche Verständigung der Nachbarn erfolgen. Der Eigentümer des Betriebsgrundstücks und die Eigentümer der an dieses Grundstück unmittelbar angrenzenden Grundstücke sind persönlich zu laden.

Aus diesen Bestimmungen folgt, dass der Nachbar einer zur Genehmigung beantragten Betriebsanlage seine Stellung als Partei in diesem Genehmigungsverfahren verliert, wenn er nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt, vorausgesetzt, die Verhandlung wurde in einer Art und Weise kundgemacht, die sowohl den Vorschriften des § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG (Anschlag in der Gemeinde oder Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung) als auch den (besonderen) Kundmachungsvorschriften des § 356 Abs. 1 GewO 1994 (Anschlag in der Gemeinde und Anschlag in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern, soweit nicht eine persönliche Verständigung in Betracht kommt) entsprach.

Im Gegensatz zur Auffassung der beschwerdeführenden Parteien ist eine persönliche Verständigung aller der Behörde bekannt gewordenen Nachbarn nicht (mehr) Voraussetzung für den Eintritt der Präklusionsfolge gemäß § 42 Abs. 1 AVG. § 42 Abs. 1 AVG normiert als Voraussetzung für den Eintritt der Präklusionsfolge nämlich nicht, dass die Bestimmungen des § 41 Abs. 1 AVG eingehalten wurden, sondern dass die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG (und in der nach den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form) kundgemacht wurde. Ist dies der Fall, dann betrifft die Präklusionswirkung (Verlust der Parteistellung) auch jene Personen, die - als "bekannte Beteiligte" - von der Behörde persönlich zu laden gewesen wären (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 (2003), Rz 289; vgl. auch Wiederin, Die Neuregelung der Präklusion in Schwarzer (Hrsg) Anlagenverfahrensrecht (1999) S. 17 f.).

Im vorliegenden Fall hängt die Rechtmäßigkeit der Auffassung der belangten Behörde, die beschwerdeführenden Parteien hätten mangels Erhebung von Einwendungen ihre Parteistellung verloren, daher entscheidend davon ab, ob die Kundmachung der Verhandlung ordnungsgemäß im Sinne des § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG und des § 356 Abs. 1 GewO 1994 erfolgte.

Die beschwerdeführenden Parteien bestreiten nicht, dass die Verhandlungskundmachung entsprechend den Feststellungen im angefochtenen Bescheid in der Gemeinde angeschlagen war. Für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung "Anschlag in der Gemeinde" ist die Bezeichnung der Amtstafel als "Amtstafel" allerdings ebenso wenig erforderlich, wie ihre Beleuchtung oder ihre zeitlich uneingeschränkte Zugänglichkeit. Wesentlich ist vielmehr, dass der Anschlag in einer Art und Weise erfolgte, wie das bei öffentlichen Kundmachungen in der Gemeinde im Allgemeinen der Fall ist. Die Erfüllung dieser Voraussetzung ist nach den - unbestritten gebliebenen - Feststellungen der belangten Behörde nicht zweifelhaft.

Was die Dauer des Anschlags in der Gemeinde vom bis anlangt, erachten die beschwerdeführenden Parteien diese als zu kurz, ohne freilich darzulegen, aus welchen konkreten Umständen der Anschlag in der Gemeinde in der im Allgemeinen ausreichenden Dauer von knapp zwei Wochen im vorliegenden Fall gerade nicht ausgereicht habe, um den Nachbarn die Kenntnis von der anberaumten Verhandlung und eine entsprechende Vorbereitung zu ermöglichen. Der Vergleich mit der sechswöchigen Frist nach § 44a Abs. 2 Z. 2 AVG schlägt schon wegen der bei Großverfahren wesentlich anderen Verfahrenskonstellation, auf die in den Bestimmungen der §§ 44a bis 44g AVG Bedacht genommen wird, fehl.

Zum Vorbringen, es hätte eine Amtsblattverlautbarung vorgenommen werden müssen, ist zu sagen, dass die Kundmachung der Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 zwingend vorgesehen ist; eine Verlautbarung im Amtsblatt an Stelle des Anschlags in der Gemeinde kam daher nicht in Betracht. Dass eine (zusätzliche) Amtblattverlautbarung unterblieben ist, bedeutet keinen Verstoß gegen die Vorschrift des § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG, weil nach dieser Bestimmung der Anschlag in der Gemeinde genügt (arg.: "oder").

Was jedoch das Vorbringen betreffend den Anschlag in den als "unmittelbar benachbart" in Betracht kommenden Häusern anlangt, übersehen die beschwerdeführenden Parteien, dass die betreffende Tatbestandsvoraussetzung durch Situierung eines Hauses (bloß) in der Nachbarschaft der Betriebsanlage nicht erfüllt ist. Vielmehr kommt es darauf an, dass dieses Haus der Betriebsanlage "unmittelbar" benachbart ist, sich also in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Betriebsanlage befindet. In diesem Sinne wurde auch die bereits in der Vorgängerbestimmung des derzeit geltenden § 356 Abs. 1 GewO 1994 enthaltene Regelung verstanden, durch die den städtischen Verhältnissen Rechnung getragen werden sollte (vgl. RV, 495 BlgNR, 13 GP, 261). "Unmittelbar benachbarte Häuser" seien daher jene, so Mache/Kinscher, GewO (1982) S. 697, "die rund um die zur Verhandlung stehende Betriebsanlage dieser Betriebsanlage am Nächsten liegen, auch dann, wenn dazwischen eine Straße liegt". Unmittelbare Nachbarschaft erforderte und erfordert demnach zwar keine gemeinsame Grundgrenze, wohl aber dürfen das Betriebsgrundstück vom bebauten Grundstück lediglich durch eine Straße oder in einer dieser vergleichbaren Weise getrennt sein.

Als "unmittelbar benachbarte Häuser" kommen daher - wie die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat - nur jene Häuser in Frage, die in einem solchen Nahe- und Nachbarschaftsbereich der Betriebsanlage gelegen sind. Derartige Häuser gibt es im vorliegenden Fall unbestrittenermaßen nicht.

Dass die in Rede stehende Präklusionsregelung schließlich in unsachlicher Weise die Verfahrensparteien unterschiedlich behandle, ist nicht zu sehen (vgl. dazu auch Sieberer, Gemeinschafts- und verfassungsrechtliche Anforderungen an § 42 AVG, ZfV 2000/1742, S. 733 f); auch auf Grund des Beschwerdevorbringens besteht kein Anlass, ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am