VwGH vom 15.12.1995, 94/17/0179
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der Raiffeisenbausparkasse Gesellschaft mbH in Wien, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 10/31-1114.1/15-1993, betreffend Vorschreibung von Fremdenverkehrsbeiträgen für die Jahre 1987 bis 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit sechs Bescheiden des Landesabgabenamtes Salzburg, je vom , wurde der Beschwerdeführerin für die Jahre 1987, 1988, 1989, 1990, 1991 und 1992 unter Zugrundelegung des jeweiligen Gesamtumsatzes folgende Fremdenverkehrsbeiträge vorgeschrieben: für das Jahr 1987 von S 15,329.964,-- ein Fremdenverkehrsbeitrag von S 15.330,--, für das Jahr 1988 von S 16,653.976,-- ein Fremdenverkehrsbeitrag von S 16.654,--, für das Jahr 1989 von S 24,719.918,-- ein Fremdenverkehrsbeitrag von S 24.720,--, für das Jahr 1990 von S 27,324.846,-- ein Fremdenverkehrsbeitrag von S 27.325,--, für das Jahr 1991 von S 28,104.096,-- ein Fremdenverkehrsbeitrag von S 28.104,-- und für das Jahr 1992 von S 29,018.679,-- ein Fremdenverkehrsbeitrag von S 29.019,--.
Gegen diese Bescheide richtete sich die Berufung der Beschwerdeführerin, in der sie das Bestehen einer Abgabenpflicht dem Grunde nach zunächst deshalb bestritt, weil sie im Bundesland Salzburg weder einen Sitz (Standort) noch eine Betriebsstätte im Sinne der §§ 24 und 25 der Salzburger Landesabgabenordung, LGBl. für Salzburg Nr. 58/1963 (im folgenden Sbg LAO 1963), besessen habe, sodaß die Voraussetzungen der §§ 43, 2 des Salzburger Fremdenverkehrsgesetzes-S.FVG, LGBl. für Salzburg Nr. 94/1985, bei ihr nicht vorlägen. Sie betreibe das Bauspargeschäft mit Sitz in Wien. In anderen Bundesländern unterhalte sie keine Zweigniederlassungen oder sonstigen Außenstellen. Die Kundenwerbung erfolge selbständig durch lokale Raiffeisenbanken, deren Tätigkeit in der Akquisition von Anträgen zum Abschluß von Bausparverträgen und deren Weiterleitung an den Sitz der Beschwerdeführerin in Wien bestehe. Diese anwerbenden Tätigkeiten der (juristisch selbständigen) Raiffeisenbanken im Bundesland Salzburg seien der Beschwerdeführerin nicht zuzurechnen. Die Vermittlungstätigkeit dieser Institute erfolge auf eigene Rechnung und Gefahr selbständig gegen entsprechendes Entgelt. Der Beschwerdeführerin komme gegenüber diesen Instituten kein Weisungsrecht in dieser Angelegenheit zu. Auch seien sie nicht zu einem Tätigwerden für die Beschwerdeführerin verpflichtet. Diese besitze keine Verfügungsmöglichkeiten über die dieser Werbetätigkeit dienenden Betriebsstätten der selbständigen Raiffeisenbanken.
Darüberhinaus wurde das Vorliegen des nach § 2 Abs. 1,
2. Satz, S.FVG geforderten Interesses am Fremdenverkehr bestritten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab.
Nach (zutreffender) Wiedergabe des Gesetzestextes führte die belangte Behörde aus wie folgt:
"Es ist in der Wirtschaft und bei der Bevölkerung allgemein bekannt, daß die Raiffeisenorganisation in ihrem dreistufigen Organisationsaufbau (örtliche RAIKA-Genossenschaft, Landesverband, Zentrale in Wien hier mit einer Sondergesellschaft für Bausparen) sich die örtlichen Einrichtungen für ihre Geschäftszwecke zu Dienste macht und dort nur für den eigenen Bausparsektor "Raiffeisen-Bausparen" Geschäfte berät, vermittelt und die Unterlagen der Zentrale zum formellen Vertragsabschluß vorlegt.
Die Raiffeisen Bausparkassen GesmbH tritt als "Landesgeschäftsstelle Salzburg" mit Adresse Raiffeisenverband in Erscheinung. Dem entspricht unleugbar die Beschilderung am Orte, die Eintragung in das Salzburger Telefonbuch mit dem gleichen Wortlaut und die laufende Werbung in den Medien für das Raiffeisenbausparen. Das äußere Erscheinungsbild einer Geschäftsstelle ist demnach für den Standort in Salzburg, X-Straße, perfekt.
Damit weiß jeder potentielle Kunde, daß er mit der Raiffeisen Bausparkasse in Verbindung tritt und daß er unter der Anschriftshausnummer Raiffeisenverband einen dort situierten Spezialisten findet. In dieser Landesgeschäftsstelle hat er mit oder ohne vorherigen Kontakt zur örtlichen Raika eine Anlaufstelle für Bausparwünsche. Wohl selten wird der kostspielige direkte Weg zur Wiener Zentrale genommen.
Das Organisationsschema des Raiffeisensektors im Bausparen ist wirtschaftlich deswegen besonders zweckmäßig, weil die Bausparfinanzierung mit einer anderen Kreditberatung unmittelbar verbunden werden kann, etwa wenn eine Zwischenfinanzierung notwendig wird, die Bausparsumme nicht ausreicht oder der Finanzierungsbedarf über den bevorzugten Bausparanteil hinausgeht. Die Kombinationsmöglichkeit liegt im Hause.
Wirtschaftlich gesehen liegen zwei Leistungsentgelte in unterschiedlicher Höhe für zwei Leistungen vor: Die Gebühreneinnahmen der Raiffeisen-Bausparkasse aus Verträgen mit Salzburger Kunden und eine interne Leistungsvergütung für die Beratungstätigkeit des Salzburger Raiffeisenverbandes."
Demgemäß könne bei der Salzburger Landesgeschäftsstelle "gemäß dem Wortlaut des Gesetzes und der Verwaltungsgerichtshofentscheidung vom , Zl.: 2286/52, Slg. F Nr. 1332 von einer Betriebsstätte gesprochen werden", wobei es "sekundär erscheine, daß die Vergütung an das Beratungspersonal nicht durch die Wiener Zentrale an die beratenden Personen, sondern offenbar im Wege einer Zahlung an den Verband" erfolge und die Urkundenausfertigung in Wien stattfinde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und, wenn auch nicht ausdrücklich, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§§ 2 Abs. 1 und 43 Abs. 1 S.FVG in der hier maßgebenden Fassung vor den Novellen LGBl. Nr. 44/1993 und LGBl. Nr. 66/1994 lauteten auszugsweise:
"Mitgliedschaft
§ 2
(1) Die Unternehmer im Gebiet des Fremdenverkehrsverbandes sind seine Pflichtmitglieder. Unternehmer im Sinne dieses Gesetzes sind die am Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar interessierten natürlichen Personen, Personengesellschaften des Handelsrechtes, juristische Personen oder Erwerbsgesellschaften bürgerlichen Rechtes, die im Land Salzburg eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne des § 2 des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 223, selbständig ausüben und zu diesem Zweck in einer Gemeinde des Landes einen Sitz (Standort) oder eine Betriebsstätte im Sinne der §§ 24 und 25 der Salzburger Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 58/1963, haben, unabhängig davon, welcher Erwerbstätigkeit diese Einrichtungen dienen. ...
Fremdenverkehrsbeiträge
§ 43
(1) In Gemeinden, für die kein Fremdenverkehrsverband besteht, haben die als Pflichtmitglieder eines solchen in Betracht kommenden Unternehmer in sinngemäßer Anwendung der vorstehenden Bestimmungen Fremdenverkehrsbeiträge im Ausmaß eines Drittels des Verbandsbeitrages zu leisten, der bei Bestehen eines Fremdenverkehrsverbandes nach diesem Gesetz zu erbringen wäre, wobei der Mindestbeitrag 70 S beträgt."
§ 24 Sbg LAO 1963 lautete in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novellierung durch die Novelle LGBl. Nr. 66/1994:
"§ 24
(1) Betriebsstätte im Sinne der Abgabenvorschrift ist jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung eines Gewerbebetriebes dient.
(2) Als Betriebsstätten gelten insbesondere
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a) | die Stätte, an der sich die Geschäftsleitung befindet; | |||||||||
b) | Zweigniederlassungen, Fabrikationsstätten, Warenlager, Ein- und Verkaufsstellen, Landungsbrücken (Anlegestellen von Schiffahrtsgesellschaften), Geschäftsstellen und sonstige Geschäftseinrichtungen, die dem Unternehmer oder seinem ständigen Vertreter zur Ausübung des Gewerbes dienen; | |||||||||
c) | Bauausführungen, deren Dauer zwölf Monate überstiegen hat oder voraussichtlich übersteigen wird." |
Auf Basis dieser Rechtslage ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittig, ob im vorliegenden Fall eine die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 lit. b Sbg LAO 1963 erfüllende Geschäftsstelle der Beschwerdeführerin im Lande Salzburg bestand.
Dies setzt voraus, daß der Unternehmer, dem eine Betriebsstätte zugerechnet werden soll, eine gewisse, nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über diese Räumlichkeiten besitzt (Stoll BAO I 398 mwN). Darüberhinaus ist gefordert, daß die Betriebsstätte entweder dem Unternehmer selbst, oder aber seinem ständigen Vertreter zur Ausübung des Gewerbes dient.
Ständiger Vertreter im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung ist, wer aufgrund eines sachbezogenen (auf die jeweiligen Geschäfte abstellenden) Abhängigkeitsverhältnisses, damit in Gebundenheit an geschäftliche sachbezogene Weisungen für den Unternehmer tätig wird und anstelle des Unternehmers die in dessen Betrieb fallenden Handlungen übernimmt, sodaß die Handlungen des Vertreters als solche des Unternehmers erscheinen. Abhängigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang Bindung an den geschäftlichen Willen des vertretenen Unternehmers, wobei es auf das Vorliegen eines Dienstverhältnisses nicht ankommt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/15/0094, sowie Stoll, a. a.O. 397). Dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin im Zuge des Verwaltungsverfahrens stets die Verfügungsmacht über jene Räumlichkeiten im Lande Salzburg, die der Werbung für Bausparverträge dienten, bestritten. Dennoch geht die belangte Behörde - erkennbar - vom Vorliegen einer solchen Verfügungsmacht aus, indem sie es als notorisch bezeichnet, daß sich "die Raiffeisenorganisation" die "örtlichen Einrichtungen" für ihre Geschäftszwecke zu Dienste mache und dort "nur für den eigenen Bausparsektor "Raiffeisenbausparen" Geschäfte berate, vermittle und die Unterlagen der Zentrale zum formellen Vertragsabschluß vorlege". Der Kunde finde unter der Anschrift "Salzburg, X-Straße" einen "dort situierten Spezialisten" und er habe somit "mit oder ohne vorherigen Kontakt zur örtlichen Raika eine Anlaufstelle für Bausparwünsche". Neben der von der belangten Behörde angenommenen Notorietät dieser Tatsache geht sie in ihrem Bescheid auch erstmals von Beweisergebnissen aus, wonach die Beschwerdeführerin als "Landesgeschäftsstelle Salzburg" in Erscheinung trete, was sich aus der Beschilderung, der Eintragung in das Salzburger Telefonbuch und aus der laufenden Werbung in den Medien ergebe.
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ist es aber keinesfalls als notorisch anzusehen, daß gerade der Beschwerdeführerin - und nicht anderen Gesellschaften des Raiffeisensektors - die Verfügungsmacht über jene örtlichen Einrichtungen zukommt, in denen eine Werbetätigkeit für den Abschluß von Bausparverträgen mit der Beschwerdeführerin entfaltet wird.
Die belangte Behörde hat die von ihr erstmals herangezogenen Erhebungsergebnisse betreffend die Eintragung in das Salzburger Telefonbuch und die Beschilderung der von ihr am Standort "Salzburg, X-Straße" angenommenen Geschäftsstelle der Beschwerdeführerin entgegen der Bestimmung des § 143 Abs. 4 Sbg LAO 1963 nicht vorgehalten. Deren Vorbringen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, wonach die Außengestaltung des Hauses, aber auch die Einschaltung im Telefonbuch auf Überlegungen der Werbewirksamkeit beruhten, weshalb hieraus keine Aussage über die realen Verhältnisse in Ansehung der Verfügungsgewalt über die Räumlichkeiten getroffen werden könnten, verstößt daher nicht gegen das Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, sondern legt vielmehr die Wesentlichkeit der aufgezeigten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens dar.
Völlig unbegründet ist auch die Annahme der belangten Behörde, wonach die Einrichtungen in "Salzburg, X-Straße" der Beschwerdeführerin selbst und nicht - wie von ihr im Zuge des gesamten Verwaltungsverfahrens dargelegt - einer als selbständige Vermittlungsvertreterin weisungsfrei tätig werdenden anderen Gesellschaft des Raiffeisensektors dienten.
Aus diesen Überlegungen verstößt der angefochtene Bescheid gegen die Begründungspflicht des § 207 Sbg LAO 1963 und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Eine - als Aufhebungsgrund prävalierende - Rechtswidrigkeit des Inhaltes liegt nicht vor, zumal - wie schon von der belangten Behörde zutreffend ausgeführt - § 36 Abs. 2, letzter Satz, S.FVG in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 87/1988 die Einhebung des Beitrages von Bauspargeschäften ausdrücklich vorsieht. Der Salzburger Landesgesetzgeber geht in typisierender Betrachtungsweise davon aus, daß das Betreiben des Bauspargeschäftes ein (mittelbares) Interesse des Unternehmers am Fremdenverkehr im Sinne des § 2 Abs. 1,
2. Satz, S.FVG begründet. Ausführungen, wonach diese Voraussetzung - im Gegensatz zu anderen Bausparkassen - gerade bei ihr nicht zuträfe, hat die Beschwerdeführerin nicht erstattet, zumal sie lediglich aus allgemeinen Erwägungen das Fremdenverkehrsinteresse von Bausparkassen bestreitet. Damit vermag sie jedoch eine unrichtige Anwendung des einfachen Gesetzes durch die belangte Behörde nicht darzutun.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 36 Abs. 2, letzter Satz, S.FVG sind beim Verwaltungsgerichtshof ebensowenig wie beim Verfassungsgerichtshof entstanden, zumal die Ansparung von Mitteln zur Schaffung von Wohnraum in Eigeninitiative - unabhängig von der jeweiligen konjunkturellen Situation - ein Einkommensniveau voraussetzt, welches über das zur Deckung des Lebensunterhaltes nötige hinausgeht. Dieses - für jede Spartätigkeit essentielle - Maß an Wohlstand wird aber im Land Salzburg nicht zuletzt durch florierenden Fremdenverkehr gewährleistet, sodaß ein mittelbares Interesse am Fremdenverkehr auch für Bausparkassen besteht.
Die Entscheidung über den Aufwandsersatz gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.