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VwGH vom 20.12.1999, 99/17/0386

VwGH vom 20.12.1999, 99/17/0386

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der E, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom , Zl. 02/04-145-1998, betreffend Kanalgebühren (mitbeteiligte Partei: Großgemeinde N), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde der Beschwerdeführerin betreffend eine Liegenschaft in der mitbeteiligten Gemeinde Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 1998 in der Höhe von S 4.863,60, zahlbar in vier Teilbeträgen, vorgeschrieben. Mit Schreiben vom an die mitbeteiligte Gemeinde erhob die Beschwerdeführerin "bezugnehmend auf den Bescheid vom ... betreffend die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr 1998" "Berufung" und ersuchte "den Gemeinderat von der Einhebung des vorgeschriebenen Betrages Abstand zu nehmen". Als Begründung für den Antrag, von der Einhebung des vorgeschriebenen Betrages Abstand zu nehmen, wird in diesem Schreiben ausgeführt:

"Nach § 183 LAO kann die Gemeinde wegen meines niedrigen Einkommens auf die Einhebung der Benützungsgebühr verzichten. Diese Auskunft gab mir die Bgld Landesregierung (Gemeindeabteilung).

Ich bitte daher neuerlich den Gemeinderat um wohlwollende Behandlung meines Ansuchens."

Mit Bescheid des Gemeinderats der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde die Eingabe der Beschwerdeführerin als Berufung gewertet und als solche abgewiesen. In der Begründung des Bescheides heißt es, dass der Gemeinderat der Ansicht sei, dass die Gemeinde nicht auf ihr zustehende Einnahmen verzichten dürfe. Die Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin seien nach Ansicht des Gemeinderates ausreichend, um die Kanalbenützungsgebühr zur Gänze zu bezahlen. Weiters heißt es im Bescheid: "Der § 183 der Landesabgabenordnung kommt nicht zur Anwendung, da die Einhebung der Abgabe nach der Lage Ihres Falles nicht unbillig ist." Es wird sodann ein Hinweis auf die Möglichkeit, einen Antrag auf Ratenzahlung zu stellen, gegeben.

Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen und nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens hiezu insbesondere begründend ausgeführt, dass das "gegenständliche Abgabenverfahren" dazu gedient habe, die Kanalbenützungsgebühr in Bezug auf die Liegenschaft der Beschwerdeführerin dem Grunde und der Höhe nach festzusetzen. Davon getrennt zu sehen sei das über Antrag des jeweiligen Abgabepflichtigen einzuleitende Verfahren gemäß § 183 LAO auf Gewährung einer Nachsicht für allfällige Abgabenschuldigkeiten. Ein derartiges Nachsichtsverfahren habe unmittelbar keinen Einfluss auf das eigentliche Abgabenverfahren und werde im Regelfall erst danach, wenn die Einhebung der festgesetzten Abgabenschuld anstehe, stattfinden. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde habe daher im Ergebnis zu Recht den in der Berufung der Beschwerdeführerin ausschließlich auf die Gewährung einer gänzlichen Nachsicht abzielenden Aspekten keine Bedeutung zugemessen und die Berufung, da sie sonst keine Beschwerdepunkte gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters enthalte, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Das Schreiben der Beschwerdeführerin vom sei in Wahrheit ein Antrag auf Verzicht auf die Einhebung der Benützungsgebühr gemäß § 183 LAO gewesen. Richtigerweise hätte nicht der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde über eine Berufung zu entscheiden gehabt, sondern der Gemeinderat hätte den Antrag dem zuständigen Gemeindeorgan zur Entscheidung in erster Instanz überweisen müssen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der belangten Behörde ist grundsätzlich dahingehend zu folgen, dass zwischen dem Verfahren zur Festsetzung der Abgabe und dem Nachsichtverfahren gemäß § 183 Bgld LAO zu unterscheiden ist.

Im Beschwerdefall haben sowohl die Gemeindebehörde als auch die belangte Behörde den Schriftsatz der Beschwerdeführerin als Berufung behandelt und über eine Berufung abgesprochen bzw. die Vorstellung als Vorstellung gegen eine Berufungsentscheidung behandelt, ohne dass das Schreiben der Beschwerdeführerin den inhaltlichen Anforderungen des § 195 Burgenländische Landesabgabenordnung entsprochen hätte. Gemäß § 205 Bgld. Landesabgabenordnung hat die Abgabenbehörde erster Instanz die Behebung der inhaltlichen Mängel aufzutragen, wenn eine Berufung nicht den in § 195 umschriebenen Erfordernissen entspricht. Gemäß § 209 Abs. 1 Bgld. LAO haben die Abgabenbehörden zweiter Instanz die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden erster Instanz auferlegt und eingeräumt sind. Gemäß § 206 Abs. 1 LAO kann eine Berufungsvorentscheidung erst nach Behebung von formellen und materiellen Mängeln ergehen. Wenngleich eine ausdrückliche diesbezügliche Vorschrift für die Berufungsbehörde fehlt (vgl. § 208 iVm § 213, womit nur auf den Fall, dass die Berufung zurückzuweisen ist, Bezug genommen wird), ergibt sich in einer Zusammenschau der genannten Bestimmungen, dass auch die Berufungsbehörde nicht berechtigt ist, ungeachtet des Fehlens einer dem Gesetz entsprechenden Berufung zu entscheiden.

Da somit die Abgabenbehörden aufgrund des als Berufung bezeichneten Schriftsatzes der Beschwerdeführerin, der sich aber im Übrigen lediglich mit der Frage der Nachsichterteilung befasste und somit insbesondere nicht erkennen ließ, welche Änderungen hinsichtlich der Abgabenfestsetzung angestrebt wurden und womit die Beschwerdeführerin ihren Standpunkt begründen wollte, vor Durchführung des im Gesetz vorgesehenen Mängelbehebungsverfahrens nicht in die meritorische Erledigung der Berufung hätten eingehen dürfen, hätte die belangte Behörde den bei ihr bekämpften Bescheid aufzuheben gehabt. Da sie dies unterließ, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Ergänzend wird bemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde teilt, dass die Entscheidung des Gemeinderats nur als Berufungsentscheidung anzusehen ist und daher über einen Nachsichtantrag der Beschwerdeführerin noch nicht entschieden wurde. Dieser wäre daher erst der Behörde erster Instanz zur Erledigung zuzuleiten.

Mit der Entscheidung in der Sache erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am