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VwGH vom 15.09.2004, 2004/04/0142

VwGH vom 15.09.2004, 2004/04/0142

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

2004/04/0143

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des R und der Mag. A, beide in K, beide vertreten durch Dr. Matthäus Grilc, Dr. Roland Grilc und Mag. Rudolf Vouk, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14-III, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zlen. KUVS-66-86/8/2004, KUVS-66-86/13/2004, jeweils betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren zur Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und den angeschlossenen Bescheidausfertigungen zufolge wurden mit den Bescheiden des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom die Berufungen der beschwerdeführenden Parteien gegen die Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer näher beschriebenen gewerblichen Betriebsanlage (Einkaufszentrum) im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die beschwerdeführenden Parteien wohnten nicht im näheren Bereich der Betriebsanlage; dass sie durch die Betriebsanlage im Sinn des § 74 Abs. 2 GewO 1994 gefährdet oder belästigt werden könnten, sei schon mangels eines räumlichen Naheverhältnisses auszuschließen. Sie hätten auch weder das Vorhandensein unmittelbarer Immissionen noch eine Gefährdung oder Belästigung durch die Betriebsanlage behauptet, sondern einen Eingriff in ihre Eigentumsrechte, den sie allerdings nicht weiter konkretisiert hätten. Die Beschwerdeführer seien daher nicht Parteien des Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom , B 307, 308/04, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten, der hierüber erwogen hat:

Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich durch die angefochtenen Bescheide im Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufungen verletzt. Sie bringen hiezu im Wesentlichen vor, es sei zwar richtig, dass sie nicht unmittelbare Anrainer des geplanten Einkaufszentrums seien, sondern im Westen bzw. Süden von Klagenfurt wohnten. Allerdings sei es deshalb keineswegs ausgeschlossen, dass sie durch die Betriebsanlage gefährdet oder belästigt werden könnten. Die Betriebsanlage habe nämlich Auswirkungen auf die Luftgüte, die gesundheitsgefährdend sein könnten, zumal sich Luftschadstoffe und Feinstaub nicht nur in der unmittelbaren Umgebung, sondern kilometerweit verbreiteten. Soweit die Erstbehörde dazu dargelegt habe, es werde durch das geplante Einkaufszentrum wohl ein Anstieg der Luftschadstoffe stattfinden, dieser werde sich aber in einem Toleranzbereich bewegen, sei sie von unrichtigen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen. § 77 Abs. 3 GewO 1994 lege zwar fest, dass im Immissionsschutzgesetz-Luft festgelegte Grenzwerte anzustreben seien, gemeinschaftsrechtlich bestünden aber klare Vorgaben, welche Grenzwerte nicht überschritten werden dürften. Bei richtlinienkonformer Interpretation müsse § 77 Abs. 3 GewO 1994 daher dahin verstanden werden, dass bestimmte Grenzwerte nicht mehr anzustreben, sondern einzuhalten seien. Tatsächlich würden - wie näher dargelegt - Grenzwerte, die zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegt seien, überschritten. So würden in Klagenfurt seit dem Jahre 2000 kontinuierlich Grenzwertüberschreitungen gemessen, sodass bis zum ein Sanierungskonzept gemäß § 10 Abs. 1 Immissionsschutzgesetz-Luft hätte verordnet werden müssen. Dies sei nicht geschehen, vielmehr würde das geplante Einkaufszentrum zu einer weiteren Erhöhung der Belastung beigetragen. Die bestehende Luftbelastungssituation an den Wohnorten der Beschwerdeführer sei allerdings ebenso wenig ermittelt worden wie die absehbare Entwicklung dieser Situation. Die Parteistellung der beschwerdeführenden Parteien sei also trotz Unterbleiben jeglicher Ermittlungstätigkeit verneint worden. Den beschwerdeführenden Parteien sei es aus näher dargelegten Gründen auch nicht möglich gewesen, den im Genehmigungsverfahren eingeholten Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegen zu treten bzw. eine fundierte Berufung gegen den 231 Seiten umfassenden erstinstanzlichen Genehmigungsbescheid zu erheben; dadurch seien sie im Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Schließlich sei die Erstbehörde zur Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung auch sachlich unzuständig gewesen, weil rechtens ein Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren durchgeführt hätte werden müssen; in diesem Verfahren hätten die beschwerdeführenden Parteien jedenfalls Parteistellung gehabt.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen oder Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerinnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994 in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen, ...

Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes sind gemäß § 75 Abs. 2 GewO 1994 alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind.

Die Betriebsanlage ist gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Gemäß § 77 Abs. 3 GewO 1994 hat die Behörde Emissionen von Luftschadstoffen jedenfalls nach dem Stand der Technik zu begrenzen. Die für die zu genehmigende Anlage in Betracht kommenden Bestimmungen einer Verordnung gemäß § 10 Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L), BGBl. I Nr. 115 sind anzuwenden. Die Einhaltung der in den Anlagen 1 und 2 zum IG-L oder in einer Verordnung gemäß § 3 Abs. 3 IG-L festgelegten Emissionsgrenzwerte ist anzustreben.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/04/0195, und die dort verwiesene Judikatur), sind den Nachbarn einer gewerblichen Betriebsanlage die im § 74 Abs. 1 Z. 1 und 2 GewO 1994 genannten Rechte gewährleistet. Die Nachbarn haben Anspruch darauf, dass eine gewerbliche Betriebsanlage nur dann genehmigt wird, wenn zu erwarten ist, dass sie durch diese weder in ihrem Leben, in ihrer Gesundheit, in ihrem Eigentum oder in sonstigen dinglichen Rechten gefährdet, noch in unzumutbarer Weise belästigt werden. Hingegen räumt die GewO den Nachbarn einer gewerblichen Betriebsanlage kein subjektiv-öffentliches Recht darauf ein, dass unabhängig von einer konkreten Gefährdung oder Belästigung im Sinn des § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1994 die Genehmigung wegen eines sonstigen (gewerberechtlichen) Genehmigungshindernisses nicht erteilt werde; die Wahrnehmung solcher öffentlicher Interessen obliegt der Gewerbebehörde alleine.

Im vorliegenden Beschwerdefall hat die belangte Behörde die Möglichkeit einer Gefährdung oder Belästigung der beschwerdeführenden Parteien im dargelegten Sinn mangels eines räumlichen Naheverhältnisses zwischen dem Standort der Betriebsanlage und dem jeweiligen Wohnsitz der beschwerdeführenden Parteien verneint.

Die beschwerdeführenden Parteien bestreiten das Fehlen eines räumlichen Naheverhältnisses zur beantragten Betriebsanlage nicht, sondern meinen, sie könnten als von der in Klagenfurt bestehenden Immissionsbelastung Betroffene im Betriebsanlagenverfahren geltend machen, die bestehende Immissionsbelastung sei bereits derart, dass zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegte Grenzwerte immer wieder überschritten würden, sodass die, weil (ebenfalls) zu einem Anstieg der Luftschadstoffe beitragende, beantragte Betriebsanlage nicht genehmigt werden dürfe.

Mit diesem Vorbringen wird eine auf die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb der beantragten Betriebsanlage unmittelbar zurückzuführende Änderung der örtlichen Verhältnisse, wodurch die beschwerdeführenden Parteien im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 konkret gefährdet oder belästigt würden, nicht geltend gemacht. Vielmehr bewegt sich dieses, eine konkrete Gefährdung oder Belästigung durch die beantragte Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 gerade nicht behauptende Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien, die eine weitere Verschlechterung der Luftqualität in Klagenfurt befürchten, außerhalb jenes Bereiches, in dem den Parteien eines Genehmigungsverfahrens betreffend eine bestimmte gewerbliche Betriebsanlage ein subjektivöffentliches Mitspracherecht eingeräumt ist. Die belangte Behörde ist daher zu Recht zur Auffassung gelangt, den Beschwerdeführern komme im Verfahren zur Genehmigung der beantragten Betriebsanlage keine Parteistellung zu und es fehle ihnen somit auch die Berechtigung, gegen den Genehmigungsbescheid Berufung zu erheben.

Wurden die Berufungen der Beschwerdeführer solcherart aber zu Recht zurückgewiesen, so sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Erstbehörde zur Erteilung der beantragten Genehmigung zuständig war und ob die Beschwerdeführer in diesem Verfahren - wie sie behaupten - im Recht auf Parteiengehör verletzt wurden.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am