VwGH vom 22.03.1999, 94/17/0137

VwGH vom 22.03.1999, 94/17/0137

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. IIIa-243/16, betreffend Jagdabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist auf Grund des Jagdpachtvertrages mit der Alpinteressentschaft B gemeinsam mit AM Pächter der Eigenjagd Alpe B.

Mit Bescheid des Landesabgabenamtes für Vorarlberg vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 1 bis 3 des Jagdabgabegesetzes, LGBl. Nr. 43/1949 in der Fassung LGBl. Nr. 1/1962, Jagdabgabe für das Jagdrecht in der Eigenjagd F für das Jagdjahr 1993/94 in der Höhe von S 8.768,-- vorgeschrieben. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen diese Vorschreibung keine Folge.

Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe des Inhalts der §§ 1 und 2 des Jagdabgabegesetzes aus, dass die Alpinteressentschaft Alpe B Eigentümerin der Eigenjagd B sei. Der Beschwerdeführer und AM seien Miteigentümer der Alpe B. Sie hätten die Eigenjagd vom bis um einen jährlichen Pachtzins von S 20.000,-- gepachtet. Der Beschwerdeführer habe in einer Stellungnahme angegeben, dass es zusätzlich zu den beiden Pächtern "in dieser Jagd insgesamt 5 Abschussnehmer" gäbe. Alle Abschussnehmer seien entweder selbst Mitbesitzer oder nahe Angehörige von Mitbesitzern der Jagd. Die Frage des Landesabgabenamtes, ob Pächter oder nahe Angehörige Miteigentum an der Eigenjagd hätten, wodurch der Jagdpachtschilling niedriger festgesetzt worden sei, sei seitens der Alpinteressentschaft B mit "ja" beantwortet worden. Auch der Beschwerdeführer habe angegeben, dass Pächter und Abschussnehmer bzw. nahe Verwandte der Abschussnehmer Mitbesitzer der Alpe seien. Der Beschwerdeführer habe in einer Stellungnahme ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Abschussnehmer kein eigenes Entgelt für die Abschüsse leisteten, sondern vielmehr Pächter und Abschussnehmer die anfallenden Kosten für die Jagdpacht, die Landesabgabe, die Fütterungskosten etc. gemeinsam und zu gleichen Teilen trügen. Auch zur Erfüllung der vorgeschriebenen Abschüsse entsprechend dem Abschussplan seien Pächter und Abschussnehmer in gleichem Ausmaß verpflichtet.

Der Jagdpachtvertrag, der zwischen der Alpinteressentschaft B und den Pächtern (dem Beschwerdeführer und AM) abgeschlossen worden sei, regle lediglich die Rechte (insbesondere die Nutzung des Jagdrechts) und die Pflichten (insbesondere die Leistung des Jagdpachtschillings) der beiden Pächter. Wie aus der Stellungnahme des Beschwerdeführer hervorgehe, seien Pächter und Abschussnehmer in gleichem Maß verpflichtet, die im Abschussplan vorgeschriebenen Abschüsse zu tätigen. Auch der Jagdpachtschilling sei zu gleichen Teilen von Pächtern und Abschussnehmern zu leisten.

Die Abgabepflicht könne auch durch Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts nicht umgangen werden (§ 9 Abs. 1 Abgabenverfahrensgesetz). Liege ein Missbrauch vor, so seien die Abgaben so festzusetzen und einzuheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung festzusetzen und einzuheben wären. Ein Vertrag zwischen Miteigentümern könne daher für den Bereich des Steuerrechts nur Anerkennung finden, wenn er nach außen ausreichend zum Ausdruck kommt und auch zwischen Nichtmitgliedern unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wäre.

Der Jagdpachtzins sei aufgrund des Miteigentums der Pächter so niedrig angesetzt worden. Er entspreche nach den Ermittlungsergebnissen in keiner Weise den tatsächlichen Verhältnissen, da er die Vereinbarungen zwischen den Abschussnehmern, den Pächtern und der Verpächterin völlig außer Acht lasse.

Aufgrund eines Vergleiches der Hektarsätze in der Wildregion und einer Gegenüberstellung der Abschusspläne wird festgestellt, dass die Eigenjagd B zu den Jagdgebieten mit überdurchschnittlichem Ertrag gehöre. Es sei bereits im Jagdjahr 1992/93 ein Hektarsatz zwischen S 220,-- und 321,-- zu erzielen gewesen. Der von der belangten Behörde ermittelte Fiktivwert von S 240,-- liege noch weit unter dem Mittel der herangezogenen Vergleichswerte, es sei aber eine Berechnung des Fiktivwertes allein nach den getätigten Abschüssen des letzten Jagdjahres oder den Mindest- bzw. Höchstabschussplänen, die ein relativ hohes Ergebnis brächten, "nur als Anhaltspunkt gerechtfertigt" erschienen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt erachtet, dass die Jagdabgabe entgegen § 3 lit. a Jagdabgabegesetz nach § 3 lit. b Jagdabgabegesetz berechnet worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Vorarlberger Jagdabgabegesetz, LGBl. Nr. 43/1949, ist für alle im Land Vorarlberg bestehenden Jagdrechte eine Landesabgabe nach Maßgabe der Bestimmungen des Gesetzes zu entrichten.

Zur Entrichtung der Abgabe ist der Besitzer des Jagdrechts, im Falle der Jagdverpachtung der Jagdpächter verpflichtet (§ 2 Abs. 1 Jagdabgabegesetz).

Gemäß § 2 Abs. 2 Jagdabgabegesetz haften bei Jagdgesellschaften im Sinne des Jagdgesetzes sämtliche Jagdgesellschafter für die Abgabe.

§ 3 Vorarlberger Jagdabgabegesetz lautet:

"Höhe der Abgabe

Die Abgabe beträgt:

a) bei verpachteten Jagden für Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Inland 15 v.H., für andere Personen 35 v.H. des Jahrespachtschillings zuzüglich des Wertes allenfalls vertraglich ausbedungener Nebenleistungen. Aufwendungen für die Jagdaufsicht sowie für Jagd- und Wildschäden gelten nicht als Nebenleistungen. Falls einer Jagdgesellschaft gleichzeitig Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Inland und andere Personen angehören, ist bei Bemessung der Abgabe anzunehmen, dass auf jeden Jagdgesellschafter der gleiche Anteil am Jahrespachtschilling und allenfalls an Nebenleistungen entfällt;

b) bei nichtverpachteten Jagden für Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Inland sowie für juristische Personen mit dem Sitz im Inland 15 v.H., für andere Personen 35 v.H. jenes Betrages, der im Falle der Verpachtung als Jahrespachtschilling erzielt werden könnte."

§§ 9 und 10 Abgabenverfahrensgesetz, LGBl. für Vorarlberg Nr. 23/1984, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 87/1993, lauten:

"§ 9

Mißbrauch

(1) Die Abgabepflicht kann durch Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes nicht umgangen oder gemindert werden.

(2) Liegt ein Mißbrauch (Abs. 1) vor, so sind die Abgaben so festzusetzen und einzuheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung festzusetzen und einzuheben wären.

§ 10

Scheingeschäfte, Formmängel, Anfechtbarkeit

(1) Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen sind für die Verwaltung von Abgaben ohne Bedeutung. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Abgabenverwaltung maßgebend.

(2) Ist ein Rechtsgeschäft wegen eines Formmangels oder wegen des Mangels der Rechts- und Handlungsfähigkeit nichtig, so ist dies für die Verwaltung der Abgaben insoweit und so lange ohne Bedeutung, als die am Rechtsgeschäft beteiligten Personen dessen wirtschaftliches Ergebnis eintreten und bestehen lassen."

§ 2 Vorarlberger Jagdgesetz, LGBl. Nr. 32/1988, lautet:

"§ 2

Inhalt und Ausübung des Jagdrechts

(1) Grundlage jeder Jagdausübung ist das Jagdrecht. Es ist mit dem Eigentum an Grund und Boden verbunden und umfaßt das Recht, das Wild zu hegen, zu jagen und sich anzueignen.

(2) Der Grundeigentümer kann über sein Jagdrecht nur insoweit verfügen, als seine Grundstücke ein Eigenjagdgebiet bilden (Eigenjagdberechtigter). Die Verfügung über das Jagdrecht an allen anderen Grundflächen steht Jagdgenossenschaften zu.

(3) Die Jagdverfügungsberechtigten (Abs. 2) müssen ihre Jagdgebiete entweder selbst jagdlich nutzen oder die Nutzung an Pächter übertragen (Jagdnutzungsberechtigte)."

Jagdverfügungsberechtigte, die ihr Jagdgebiet selbst jagdlich nutzen wollen, müssen dies gemäß § 18 Abs. 1 Jagdgesetz der Behörde vorher schriftlich anzeigen. Gemäß § 18 Abs. 3 gelten dann, wenn eine Miteigentümergemeinschaft die Jagdnutzung einem oder mehreren Miteigentümern überlässt, die Bestimmungen für die Verpachtung der Jagd (§§ 20 bis 22).

Die belangte Behörde hat in dem vom Beschwerdeführer mit der Alpinteressentschaft geschlossenen Jagdpachtvertrag einen Missbrauch zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinn des § 9 Abgabenverfahrensgesetz erblickt und deshalb die Abgabe nicht nach § 3 Abs. 1 lit. a (aufgrund des vereinbarten Pachtschillings), sondern nach § 3 Abs. 1 lit. b Jagdabgabegesetz (Fall der Nichtverpachtung, Berechnung nach dem bei Verpachtung erzielbaren Pachtschilling) berechnet.

Aufgrund der im Beschwerdefall gegebenen Sachlage, insbesondere der auch vom Beschwerdeführer außer Streit gestellten Nebenabreden mit "Abschussnehmern" oder "Jagdgästen", kann der belangten Behörde dabei im Ergebnis nicht entgegengetreten werden. Zwar ist ihr nicht darin zu folgen, dass ein Fall des Missbrauches im Sinne des § 9 Abgabenverfahrensgesetz vorliege. Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt ist nämlich abgabenrechtlich dahingehend zu beurteilen, dass ein Jagdpachtvertrag vorliegt, der teilweise aufgrund der Formvorschrift des § 20 Abs. 3 Jagdgesetz als nichtig anzusehen ist. Insofern haben jedoch die Vorschriften über Rechtsgeschäfte, die wegen Formmangels nichtig sind (§ 10 Abs. 2 Abgabenverfahrensgesetz), zur Anwendung zu kommen.

Der angefochtene Bescheid leidet daher insoweit zwar an einem Begründungsmangel, dieser Verfahrensmangel ist jedoch bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wesentlich. Das zwischen der Alpinteressentschaft B und dem Beschwerdeführer (und AM) schriftlich geschlossene Rechtsgeschäft entspricht nicht dem wahren Willen der Vertragspartner. Wenn nach § 20 Abs. 3 Jagdgesetz die nicht im schriftlichen Jagdpachtvertrag enthaltenen Vereinbarungen als nicht abgeschlossen gelten, liegt insofern ein Formmangel im Sinne des § 10 Abs. 2 Abgabenverfahrensgesetz vor. Diese Nichtigkeit ist gemäß § 10 Abs. 2 Abgabenverfahrensgesetz bei der Verwaltung der Abgaben insoweit ohne Bedeutung, als die am Rechtsgeschäft beteiligten Personen dessen wirtschaftliches Ergebnis eintreten und bestehen lassen. Dies ist jedoch hier der Fall, weil der Beschwerdeführer die Beschränkungen seines Pachtrechts gemäß den Nebenabreden mit "Abschussnehmern", wonach er - anders als ein Pächter dies könnte - für die Abschüsse durch die weiteren die Jagd ausübenden Personen kein Entgelt verlangen kann, gegen sich gelten lässt. Die beteiligten Personen halten insoferne das wegen Formmangels nichtige Rechtsgeschäft im Sinne des § 10 Abs. 2 Abgabenverfahrensgesetz aufrecht. Bei der Festsetzung der Abgabe war daher davon auszugehen, dass ein Jagdpachtvertrag vorliegt, in dem aber nicht nur die vereinbarte Summe, die als Pachtschilling zu zahlen ist, sondern auch Nebenleistungen durch Duldung bestimmter unentgeltlicher Abschüsse vereinbart wurden.

Daraus ergibt sich, dass bei der Berechnung der Abgabe nicht § 3 Abs. 1 lit. b Jagdabgabegesetz, sondern § 3 Abs. 1 lit. a Jagdabgabegesetz heranzuziehen war, weil für die Abgabe das Rechtsgeschäft in seiner tatsächlichen Bedeutung maßgeblich ist. Da die vom Beschwerdeführer außer dem Pachtzins zu erbringenden Nebenleistungen im Sinne des § 3 Abs. 1 lit. a Jagdabgabegesetz ebenfalls in Anschlag zu bringen sind, war die Berechnung der belangten Behörde, die die möglichen Abschüsse im Jagdgebiet als Basis der Berechnung nach lit. b herangezogen hat, im Ergebnis zutreffend, müsste eine gleiche Berechnung doch auch bei der Bewertung der vereinbarten Nebenleistungen angestellt werden.

Der Beschwerdeführer hat nichts vorgebracht, was gegen die sachliche Richtigkeit der von der Behörde insofern vorgenommenen Beurteilung spräche. Die Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung des abgeschlossenen Vertrages als Missbrauch zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten. Nach dem Vorgesagten ist die belangte Behörde jedoch im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer als Pächter zur Abgabe herangezogen werden konnte und bei der Bemessung der Jagdabgabe die getroffenen Zusatzvereinbarungen in Anschlag zu bringen waren. Die Beschwerde zeigt insofern keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die Frage der Ausübung des Ermessens bei der Heranziehung des Beschwerdeführers ist nicht Gegenstand des Beschwerdepunktes; der Beschwerdeführer erachtet sich nicht in seinem Recht darauf verletzt, dass entweder auch der Mitpächter AM oder nur dieser durch Vorschreibung der Abgabe zur Leistung herangezogen wird.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am