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VwGH vom 17.02.1995, 94/17/0123

VwGH vom 17.02.1995, 94/17/0123

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der C-GmbH in Wien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MD-VfR - C 17/93, betreffend Vorschreibung von Getränkesteuer samt Säumniszuschlag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem an die Beschwerdeführerin (Inhaberin eines Gastgewerbebetriebes) ergangenen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde auf Grund des Ergebnisses einer durchgeführten Getränkesteuerprüfung für den Zeitraum vom bis eine Getränkesteuer im Betrag von S 230.152,-- festgesetzt. Gleichzeitig wurde gemäß §§ 164 und 166 WAO wegen nicht fristgerechter Entrichtung der Getränkesteuer ein Säumniszuschlag von S 1.439,-- auferlegt. Dies mit der Begründung, die "Ermittlungen der Revisionsstelle" des Magistrates hätten ergeben, daß die Beschwerdeführerin einerseits im Zeitraum bis einschließlich Juli 1991 Getränke (Bier) bei einem Getränkegroßhändler bezogen und für diese die Getränkesteuer ordnungsgemäß berechnet habe, andererseits jedoch von diesem Getränkegroßhändler als angeblicher Letztverbraucher unter dem Titel "Lagerverkauf" Getränke (Bier) in der Höhe von 90 % der ordnungsgemäß versteuerten Getränke zugekauft habe, für die, obwohl sie betriebsmäßig verwendet worden seien, eine Versteuerung nicht erfolgt sei. Die anläßlich der am durchgeführten Revision erfolgten Hinzuschätzungen gemäß § 9 des Getränkesteuergesetzes sowie § 145 WAO seien von der Beschwerdeführerin nicht anerkannt worden, weshalb der Verkaufswert der zum Weiterverkauf bezogenen Getränke (Bier) und die darauf entfallende Getränkesteuer gemäß § 149 Abs. 2 WAO bescheidmäßig vorzuschreiben gewesen sei. Im Zeitraum August 1989 bis März 1991 sei laut Kontrollmitteilungen vom Getränkegroßhändler durch die Beschwerdeführerin Bier im Einkaufswert von S 8.162,50 als Wiederverkäufer und im Einkaufswert von S 7.136,34 als Letztverbraucher bezogen worden. Dies entspreche einem gerundeten, nicht versteuerten Anteil von 90 % bei Bier. Auf den Verkaufswert der restlichen zum Weiterverkauf bezogenen Getränke sei im Revisionszeitraum ein Sicherheitszuschlag von 30 % wegen falscher Geschäftsaufzeichnungen verhängt worden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, die in der Begründung des Bescheides angeführten Zukäufe als Letztverbraucher nicht getätigt zu haben. Aus diesem Grund sei auch die Zuschätzung nicht zu Recht erfolgt.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung als unbegründet ab. Begründend heißt es in diesem Bescheid, die Beschwerdeführerin habe für den Bemessungszeitraum Abgabenerklärungen gelegt, welche allerdings als unrichtig anzusehen seien, da die Beschwerdeführerin "Schwarzeinkäufe" getätigt und die durch die Abgabe dieser nicht verbuchten Getränkezukäufe an Letztverbraucher in ihrem Betrieb erzielten Erlöse nicht zur Getränkesteuer einbekannt habe.

Die Abgabenbehörde erster Instanz habe in der Begründung ihrer Berufungsvorentscheidung vom u.a. folgendes ausgeführt:

"Auf Grund von Erhebungen bei der Brau AG konnte festgestellt werden, daß Bestellungen von den Kunden telefonisch erfolgen (auf der Rechnung unter der Spalte TVV vermerkt). Die anhand dieser Bestellungen erstellten Belege sind Grundlage für die Lieferungen.

Diese Vorgangsweise wird sowohl bei Lieferungen an Wiederverkäufer als auch an Letztverbraucher praktiziert. Rechnungen an Wiederverkäufer sind mit - eigens für diesen Kunden angelegten - Kundennummern versehen. Die Kundennummern bei Lieferungen an Letztverbraucher sind bezirksweise (1-23) angelegt. Im Falle, daß ein Wiederverkäufer auch Ware als Letztverbraucher beziehen möchte, erfolgt eine diesbezügliche Bestellung ebenfalls telefonisch, wobei neben der Rechnung mit Bezeichnung und Kundennummer des Wiederverkäufers auch ein eigener Beleg, auf welchem darauf aufmerksam gemacht wird, daß diese Lieferung lediglich für private Zwecke bestimmt ist, über den Letztverbraucherbezug erstellt wird.

Aus den beiliegenden Rechnungs/Lieferschein-Kopien der Monate August 1989, August 1990 und März 1991 ist erkennbar, daß die Österr. Brau AG für diese LV-Bezüge jeweils die nächste Lieferscheinnummer in arithmetisch aufsteigender Reihenfolge verwendet, wobei die letzte Ziffer dieser Nummer außer acht zu lassen ist, da sie nur eine EDV-mäßige Kennung darstellt.

Weiters ist aus diesen Rechnungs/Lieferschein-Kopien auch ersichtlich, daß die Bezüge als Wiederverkäufer, als auch die Letztverbraucherlieferungen regelmäßig in der Warenart (50 l Faß Kaiser Premium, Flaschenbier, Wieselburger Gold 0,5 l und Zipfer Pils 0,33 l) übereinstimmen.

Die inoffiziellen Rechnungen sind durch die je Lieferdatum gleichlautende Lieferschein/Rechnungsnummer sowie die ebenfalls gleichlautende Tour- und KFZ-Nummer und die fortlaufende Lieferscheinnummer der offiziellen und inoffiziellen Lieferung eindeutig der Berufungswerberin zuzuordnen."

Diesen Feststellungen sei die Beschwerdeführerin nicht mit stichhältigen Argumenten entgegengetreten. Handle es sich bei den Getränkezukäufen um Waren, die im Betrieb verwendet bzw. an Letztverbraucher abgegeben werden, stehe fest, daß die Geschäftsaufzeichnungen, die unbestritten diese Zukäufe nicht enthielten, sachlich unrichtig seien, was zur Folge habe, daß gemäß § 145 Abs. 3 WAO die Behörde berechtigt sei, eine Schätzung vorzunehmen. Dies müsse insbesondere dann gelten, wenn die Getränkesteuer, wie im Falle der Beschwerdeführerin, nach dem Wareneingang abgerechnet werde, da in diesem Fall keine Losungsaufzeichnungen geführt werden.

Gemäß § 128 Abs. 1 WAO seien in das Wareneingangsbuch alle Waren einzutragen, die der Unternehmer zur gewerblichen Weiterveräußerung auf eigene oder auf fremde Rechnung erwerbe. Waren, die nach der Art des Betriebes üblicherweise zur gewerblichen Weiterveräußerung erworben werden, seien auch dann einzutragen, wenn sie für betriebsfremde Zwecke verwendet würden. Betriebsfremde Zwecke seien Zwecke, die außerhalb des Unternehmens lägen. Insbesondere handle es sich dabei um den Eigenverbrauch, also um Entnahme für den Steuerpflichtigen selbst, für seinen Haushalt, für private Geschenke usw. Demnach müsse der Gastwirt auch jene Getränke eintragen, die er beim Einkauf für seinen privaten Konsum bestimme. Somit hätten die als "Letztverbraucher" bezogenen Getränke in das Wareneingangsbuch eingetragen werden müssen.

Nach der Aktenlage stehe fest, daß die Beschwerdeführerin Bier als "Letztverbraucher" im Ausmaß von 90 % der in ihren Geschäftsaufzeichnungen aufscheinenden "offiziellen" Menge bezogen habe. Es sei allgemein bekannt, daß "Schwarzeinkäufe" in der Gastronomie die Grundlage dafür bildeten, um nicht die gesamte erzielte Losung zu versteuern. Diese Strategie beruhe nicht auf dem Ausnützen einer günstigen Gelegenheit, sondern werde in der Regel solange geübt, als behördliche Kontrollen ihre Fortsetzung nicht als untunlich erscheinen ließen. Die Beschwerdeführerin habe kein Motiv gehabt, von den in den Monaten August 1989, August 1990 und März 1991 festgestellten Abgabenhinterziehungen in den anderen Monaten abzuweichen. Es sei daher davon auszugehen, daß die in diesen Monaten festgestellten Verkürzungssätze im gesamten Zeitraum der Abgabenbemessung üblich gewesen seien, was dadurch unterstrichen werde, daß die behördlichen Feststellungen in den Jahren 1989, 1990 und 1991 die gleichartige Vorgangsweise dokumentiert hätten.

Die Beschwerdeführerin habe nicht dargetan und durch Beweismittel belegt, daß dies nicht der Fall gewesen sei oder es Gründe gegeben habe, daß gerade in diesem Monat die Verkürzung besonders hoch gewesen sei. Erfahrungsgemäß werde auch deshalb ein gleichbleibender Prozentsatz bei der Abgabenverkürzung eingehalten, damit es in den offiziellen Büchern keine Widersprüche und Ungereimtheiten gebe. Somit sei bei Bier der verzeichnete Wareneingang um 90 % zu erhöhen gewesen.

Unter Bedachtnahme auf die erhebliche und die jahrelang geübte Abgabenhinterziehung bestünden gegen die Aufzeichnungen, welche die anderen Getränke beträfen, ebenfalls erhebliche Bedenken, da nicht davon ausgegangen werden könne, daß die Beschwerdeführerin von sich aus Abstand genommen hätte, bei den anderen Getränkearten auf "Schwarzzukäufe", die bei Supermärkten ohne Schwierigkeiten anonym erfolgen könnten, zu verzichten. Durch das steuerunehrliche Verhalten der Beschwerdeführerin sei eine erhebliche Unsicherheit geschaffen worden, welche auch die anderen Getränkesparten betreffe. Dieser habe durch die Anwendung eines Sicherheitszuschlages Rechnung getragen werden müssen. Die Beschwerdeführerin habe bei der Schätzung nicht mitgewirkt und auch nicht nachträglich einen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhaltes geliefert. Es spreche daher nichts dafür, daß ein Sicherheitszuschlag von 30 % überhöht wäre. Gegen die Schätzung lägen weder dem Grunde noch der Höhe nach taugliche Einwände vor. Der Säumniszuschlag sei gemäß § 164 Abs. 1 WAO mit 2 % des nicht fristgerecht entrichteten Abgabenbetrages festzusetzen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung der Getränkesteuer im Betrag von S 230.152,-- sowie eines Säumniszuschlages in der Höhe von S 1.439,-- verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 145 Abs. 1 WAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenverwaltung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Gemäß § 145 Abs. 3 WAO ist (u.a.) zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Die belangte Behörde stützt ihre Schätzungsbefugnis darauf, daß die Beschwerdeführerin "Schwarzeinkäufe" an Bier bei einem Getränkelieferanten (Brau AG) getätigt habe. Sowohl der erstinstanzliche Bescheid vom als auch die Berufungsvorentscheidung vom gingen von derselben Annahme aus. Insbesondere in der Berufungsvorentscheidung wurde unter Hinweis auf Erhebungen bei der Brau AG die Lieferpraxis an Wiederverkäufer und an Letztverbraucher dargestellt und unter Hinweis auf beiliegende Rechnungs/Lieferschein-Kopien für den konkreten Fall die Annahme der "inoffiziellen" Lieferungen an die Beschwerdeführerin begründet. Hatte damit die Behörde in der Begründung der Berufungsvorentscheidung das Ergebnis der behördlichen Ermittlungen dargelegt, wäre es Sache der Partei gewesen, sich im Vorlageantrag mit dem Ergebnis dieser Ermittlungen auseinanderzusetzen und die daraus gewonnenen Feststellungen zu widerlegen (zu diesem Charakter einer Berufungsvorentscheidung als Vorhalt vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 93/16/0163, und vom , Zl. 90/14/0184; siehe dazu auch Philipp, Die österreichischen Landesabgabenordnungen, 258, mit weiteren Hinweisen auf hg. Rechtsprechung). Die belangte Behörde ging bei Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht über die in der abweisenden Berufungsvorentscheidung getroffenen relevanten Feststellungen zur Schätzungsbefugnis (denen die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vom mit keinem Wort entgegengetreten ist) und auch nicht über das bereits im erstinstanzlichen Verfahren dargelegte Schätzungsergebnis hinaus. Ausgehend von den unwidersprochenen Feststellungen zu den "Schwarzeinkäufen" läßt das Schätzungsergebnis - auch bezüglich des verhängten Sicherheitszuschlages (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 93/17/0406) - in sich keine Unschlüssigkeit erkennen. Die Beschwerdeausführungen, die ausschließlich die Feststellungen betreffend die "Schwarzeinkäufe" an Bier und damit die Schätzungsbefugnis in Zweifel ziehen wollen, sind wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltenden Neuerungsverbotes unbeachtlich. Was im Verwaltungsverfahren zum Sachverhalt vorzubringen versäumt wurde, kann im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt werden (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 84/14/0103).

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.