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VwGH vom 19.11.2008, 2004/04/0102

VwGH vom 19.11.2008, 2004/04/0102

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der G in H, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner, Rechtsanwalt in 3390 Melk, Bahnhofstraße 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-04-0092, Senat-AB-04-0093, betreffend Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde Michelhausen, vertreten durch Dr. Walter Anzböck, Dr. Joachim Brait, Rechtsanwälte in 3430 Tulln, Stiegengasse 8, und 2. E, M), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) schrieb Elektroinstallationen für die Sanierung der Volksschule und den Neubau des Turnsaals im offenen Verfahren aus.

Die Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis sehen (u.a.) Folgendes vor:

"

Auftragsbedingungen des Auftragnehmers - auch wenn sie Bestandteil von Angeboten sind - gelten nicht. Es bedarf keines Widerspruches durch den Auftraggeber, um deren Wirkung auszuschließen. ..."

Die Beschwerdeführerin übermittelte ihr Anbot mit Schreiben vom , wobei auf der Rückseite des Begleitschreibens ihre Lieferbedingungen abgedruckt waren. Die Auftraggeberin hielt in ihrem Prüfbericht dazu fest, dass diese Lieferbedingungen in mehreren Punkten zu den im Leistungsverzeichnis angeführten Vorbemerkungen im Widerspruch stünden, weshalb die Beschwerdeführerin gemäß § 98 Abs. 8 BVergG 2002 von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen werde. Die Beschwerdeführerin wurde mit Schreiben vom von der Ausscheidung ihres Angebotes und von der beabsichtigten Zuschlagserteilung an den Zweitmitbeteiligten in Kenntnis gesetzt.

Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin die Nichtigerklärung dieser Zuschlagsentscheidung und die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Diese Anträge wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom ab und begründete diese Entscheidung nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der für die Entscheidung maßgeblichen Gesetzesbestimmungen damit, die Aufraggeberin habe im Punkt der Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis zum Ausdruck gebracht, dass sie andere als die von ihr gestellten Bedingungen nicht akzeptiere. Verwende ein potenzieller Auftragnehmer im Angebot trotzdem ein Schreiben mit seinen Lieferbedingungen, zeige dies zumindest, dass er die Ausschreibungsunterlagen nicht genau gelesen oder nicht ernst genommen habe. Es ergäbe sich daraus nicht klar, dass er nicht zu seinen Bedingungen, sondern nur zu den Bedingungen in den Ausschreibungsunterlagen abschließen möchte. Es sei "zumindest klar, dass nicht klar ist, was Auftragsinhalt werden würde". Der Sinngehalt der Bestimmung der Ausschreibungsunterlagen sei auch fraglich. Nach der Formulierung des dritten Satzes sei offenbar vorgesehen, dass weitere Vereinbarungen in der Erfüllung des Auftrages auch während des Auftrages zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zur Spezifizierung der Auftragserfüllung abgeschlossen werden könnten. Für derartige zusätzliche bzw. ergänzende Vereinbarungen mache die Regelung des Punkt auch Sinn, weil in einem derartigen Fall ausgeschlossen werden soll, dass nicht über eine ergänzende Vereinbarung besondere Auftrags- und Lieferbedingungen des Auftragnehmers Eingang fänden. Für die ursprüngliche Auftragsvergabe könne dies bedeuten, dass der Auftraggeber nur zu seinen Bedingungen abschließen möchte und auch im Zweifel die Geltung der Auftragsbedingungen des Auftragnehmers ausschließen möchte. Im vorliegenden Fall liege jedoch ein Dissens wegen der Unterschiedlichkeit der Erklärungen vor: Die Auftraggeberin erkläre, dass andere als ihre Auftragsbedingungen nicht gelten, während die Beschwerdeführerin erkläre, zu ihren Lieferbedingungen abschließen zu wollen. Dass diese Erklärung offenbar aus einem Versehen erfolgt sei, sei nicht von Bedeutung, weil die Erklärung nach ihrer allgemeinen Verkehrssitte im Geschäftsverkehr eindeutig sei. Ein Vertrag könne somit ohne weitere Aufklärung zwischen der mitbeteiligten Auftraggeberin und der Beschwerdeführerin nicht zu Stande kommen (wird näher ausgeführt). Gemäß § 96 Abs. 1 BVergG 2002 dürfe während eines offenen oder eines nicht offenen Verfahrens mit den Bietern über eine Angebotsänderung nicht verhandelt werden. Gemäß § 97 Abs. 1 leg. cit. seien während eines offenen oder eines nicht offenen Verfahrens Aufklärungsgespräche zum Einholen von Auskünfte über die wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit sowie Auskünfte, die zur Prüfung der Preisangemessenheit und Gleichwertigkeit von Alternativangeboten erforderlich seien, zulässig. Eine nachträgliche Abänderung des Angebotes durch Rücknahme von im Widerspruch zu den Ausschreibungsbestimmungen bestehenden Erklärungen des Begleitschreibens zum Angebot sei jedoch eine wettbewerbs-, gleichbehandlungs- und verhandlungswidrige Verbesserung der Stellung des mängelbehebenden Bieters, was ein unbehebbarer Mangel sei (Hinweis auf näher genannte Entscheidungen des Bundesvergabeamtes). Dies gelte auch für den vorliegenden Fall: Ein Kaufmann verwende nach den im Geschäftsleben üblichen Regeln seine Lieferbedingungen dann auf der Rückseite seines Geschäftspapieres, wenn er nur zu diesen abschließen möchte. Die Ausscheidung der Beschwerdeführerin sei demnach zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die erstmitbeteiligte Auftraggeberin - eine Gegenschrift erstattet. Der Zweitmitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, das Angebot der Beschwerdeführerin sei zu Recht als den Ausschreibungsbedingungen widersprechend ausgeschieden worden.

Diese Rechtsansicht wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt:

Die Beschwerdeführerin weist zutreffend darauf hin, dass die von der belangten Behörde angeführten Entscheidungen ausschließlich Fälle betrafen, in denen die Vertrags- und Lieferbedingungen in den Angeboten wesentlich von den Vertrags- und Lieferbedingungen in der Ausschreibung abgewichen sind, letztere jedoch - anders als im vorliegend zu beurteilenden Fall - keinen Ausschluss der Geltung vom Bieter vorgelegter, abweichender Lieferbedingungen enthielten.

Die im Beschwerdefall bestandskräftigen Ausschreibungsbestimmungen (Punkt der Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis) schließen die Geltung von Auftragsbedingungen eines Bieters, sei es als Bestandteil des Angebotes, sei es - wie im Beschwerdefall - in einem Begleitschreiben, aus. Das bedeutet schon nach allgemeinem Sprachgebrauch, dass derartige Auftragsbedingungen so zu behandeln sind, als ob sie nicht vorgelegt worden wären, dass sie also nicht zu beachten sind und demnach allfällige Widersprüche zwischen den Auftragsbedingungen des Auftraggebers und jenen des Anbieters keine Ausschreibungswidrigkeit zu begründen vermögen. Die Auslegung der belangten Behörde hätte hingegen zur Folge, dass - ungeachtet des offenkundig der Klarheit und Vereinfachung des Verfahrens dienenden Ausschlusses der Geltung allfälliger vom Auftragnehmer vorgelegter Lieferbedingungen - diese doch beachtlich sein sollten, was jedoch diesen Zwecken zuwiderliefe. Unabhängig von der Bestandskraft ist darauf hinzuweisen, dass dann, wenn der Anbieter ein den Ausschreibungsbedingungen widersprechendes Angebot legen möchte, er dies klar zum Ausdruck bringen muss (vgl. in diesem Zusammenhang § 83 Abs. 2 BVergG 2002). Tut er dies nicht und legt irrtümlich - im vorliegenden Fall geht selbst die belangte Behörde davon aus, dass die Auftragsbedingungen nur versehentlich angeschlossen waren - seine Bedingungen dem Angebot bei, so kann nicht daraus geschlossen werden, dass er damit ein den Ausschreibungsbedingungen widersprechendes Angebot legen wollte.

Aus diesen Überlegungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das die gesonderte

Vergütung von Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil im pauschalierten Schriftsatzaufwand Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am