VwGH vom 20.04.1998, 94/17/0090

VwGH vom 20.04.1998, 94/17/0090

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

94/17/0091

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerden der S-Gesellschaft m.b.H. in Innsbruck, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom , Zl. MD/Präs.Abt.II-8456/1992 (zur Zl. 94/17/0090), und gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom , Zl. MD/Präs.Abt.II-8487/1992 (zur Zl. 94/17/0091), jeweils betreffend Ausgleichsabgabe nach § 9 Abs. 4 und 5 Tiroler Bauordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit zwei Bescheiden vom setzte der Stadtmagistrat Innsbruck gegenüber der Beschwerdeführerin gemäß § 9 Abs. 4 und 5 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989 (TBO), eine Ausgleichsabgabe für die erteilte Nachsicht zur Schaffung von drei Abstellplätzen (in dem dem Beschwerdefall zur Zl. 94/17/0090 zugrundeliegenden Verfahren) bzw. für die erteilte Nachsicht zur Schaffung von zwei Tiefgaragenplätzen (in dem dem Beschwerdefall zur Zl. 94/17/0091 zugrundeliegenden Verfahren) fest.

Die Abgabenvorschreibung basierte in beiden Fällen auf rechtskräftigen Baubewilligungsbescheiden (einerseits vom , andererseits vom ), in welchen (jeweils unter Spruchpunkt II.) gemäß § 9 Abs. 3 TBO bescheidmäßig die Nachsicht von der Verpflichtung zur Schaffung der oben genannten Abstellplätze bzw. Tiefgaragenplätze erteilt wurde.

Die Beschwerdeführerin berief gegen die beiden Abgabenbescheide.

Mit den nun angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab.

Begründend führt die belangte Behörde aus, daß gemäß § 3 Abs. 1 Tiroler Landesabgabenordnung (TLAO) der Abgabenanspruch entstehe, sobald der Tatbestand verwirklicht sei, an den die Abgabenvorschrift die Abgabepflicht knüpfte. Dieser Tatbestand sei nach der anzuwendenden Bestimmung des § 9 Abs. 4 zweiter Satz TBO mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Befreiungsbescheides nach den Abs. 1 oder 3 umschrieben. Der Abgabenanspruch in der gegenständlichen Angelegenheit sei sohin ohne behördliche Tätigkeit unmittelbar aufgrund des Gesetzes mit Eintritt der Rechtskraft des Bau- und Befreiungsbescheides vom (bzw. ) entstanden. Das Berufungsvorbringen, daß aufgrund der nachträglichen Anmietung von insgesamt fünf Garagenabstellplätzen in einer privaten Tiefgarage dem angefochtenen Abgabenbescheid jegliche Rechtsgrundlage entzogen sei, sei unzutreffend, da die Verwirklichung des Abgabentatbestandes ausschließlich vom korrespondierenden, rechtskräftig gewordenen Befreiungsbescheid abhängig gemacht sei. Dabei sei nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu prüfen, ob der in Rechtskraft erwachsene Befreiungsbescheid mit der Rechtslage übereinstimme. Es sei vielmehr bei Festsetzung der Ausgleichsabgabe vom Inhalt des Befreiungsbescheides auszugehen.

Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom , B 1051/93-4, bzw. vom , B 1052/93-4, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerden ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In den über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerden wird inhaltliche Rechtswidrigkeit im Hinblick auf die unrichtige Anwendung des § 9 TBO geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin habe in der Zwischenzeit Abstellplätze geschaffen, sodaß der Sachverhalt des § 9 Abs. 3 TBO nicht mehr vorliege.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und jeweils eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die beiden Verfahren aufgrund ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung zu verbinden und erwogen:

§ 9 Abs. 3 bis 5 TBO lauten:

"(3) Die Behörde hat den Bauwerber auf seinen Antrag von der Verpflichtung nach Abs. 1 ganz oder teilweise zu befreien, wenn die entsprechenden Abstellmöglichkeiten nicht oder nur mit einem wirtschaftlich nicht vertretbaren Aufwand geschaffen werden könnten. In einem solchen Bescheid ist festzulegen, für welche Anzahl von Abstellmöglichkeiten die Befreiung erteilt wird.

(4) Die Gemeinde kann durch Verordnung bestimmen, daß für jede Abstellmöglichkeit, für die eine Befreiung nach den Abs. 1 oder 3 erteilt wurde, eine einmalige Ausgleichsabgabe zu leisten ist. Für die Bemessung dieser Ausgleichsabgabe ist der Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Befreiungsbescheides maßgebend. Im Falle der Befreiung nach Abs. 1 ist die Ausgleichsabgabe dem Eigentümer der baulichen Anlage, im Falle der Befreiung nach Abs. 3 dem Bauwerber bzw. seinem Rechtsnachfolger frühestens einen Monat nach Baubeginn vorzuschreiben. Die Gemeinde ist verpflichtet, den Ertrag der Ausgleichsabgabe ausschließlich zur Deckung ihres Aufwandes für die Errichtung öffentlicher Garagen oder Stellplätze zu verwenden.

(5) Bei der Berechnung der Ausgleichsabgabe ist davon auszugehen, daß für jede Abstellmöglichkeit eine Fläche von 20 Quadratmetern erforderlich wäre. Die sich aus der Zahl der fehlenden Abstellmöglichkeiten ergebende Quadratmeteranzahl ist mit dem von der Landesregierung in der Verordnung nach § 19 Abs. 6 festgelegten Erschließungskostenfaktor zu vervielfachen. Das Produkt ergibt die Höhe der Ausgleichsabgabe. Soweit jedoch die Verpflichtung zur Errichtung von unterirdischen Garagen besteht (Abs. 2), beträgt die Ausgleichsabgabe das Dreifache dieses Produktes."

Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie aus den zitierten Vorschriften den Schluß gezogen hat, daß der Abgabentatbestand gemäß § 9 Abs. 4 TBO (für den Fall der Erlassung einer entsprechenden Verordnung durch die Gemeinde) dann verwirklicht ist, wenn die Befreiung gemäß § 9 Abs. 3 TBO rechtskräftig ausgesprochen wurde. Wenn demgegenüber in den vorliegenden Beschwerden dahingehend argumentiert wird, daß die Beschwerdeführerin durch die Anmietung von Stellplätzen Abstellplätze "geschaffen" habe, ist dazu auszuführen, daß die Anmietung von Stellplätzen allein die Rechtskraft der Bescheide betreffend die Befreiung von der Erfüllung der Verpflichtung nach § 9 Abs. 1 TBO noch nicht beseitigt. Es ist daher unter dem Gesichtspunkt des Beschwerdefalles nicht auf die Frage einzugehen, welche Auswirkung der spätere Wegfall des Befreiungsbescheides auf die Abgabepflicht nach § 9 Abs. 4 TBO hätte (vgl. § 295 BAO einerseits, § 220 TLAO, der eine Änderung von rechtskräftigen Abgabenbescheiden nur bei nachträglicher Aufhebung eines anderen Abgabenbescheides vorsieht, andererseits; es wäre daher gesondert zu untersuchen, ob bei Abgabentatbeständen wie dem vorliegenden durch die spätere - nicht rückwirkende - Aufhebung oder Änderung von Bescheiden, die Tatbestandswirkung für die Abgabenvorschreibung entfalten, auch die einmal eingetretene Abgabepflicht berührt wird. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens käme gemäß § 226 Abs. 1 lit. b Tir LAO nur dann in Betracht, wenn die Aufhebung des Bescheides rückwirkend erfolgt. Andernfalls läge keine neu hervorgekommene Tatsache vor, sondern eine neu entstandene Tatsache, die zwar grundsätzlich von Einfluß auf die Rechtskraft eines Bescheides sein kann, im Falle einer Abgabenvorschreibung - gerade angesichts der engen Regelung des § 220 Tir LAO - jedoch nicht sein muß).

Im Beschwerdefall ist jedoch weiter von der Rechtskraft der Befreiungsbescheide auszugehen. Es besteht daher insbesondere auch keine rechtliche Verpflichtung der Beschwerdeführerin, die ins Treffen geführten Verträge über die Anmietung von Parkplätzen aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerden sind daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aufzuzeigen.

Die Beschwerden waren deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Der erstmals in der Beschwerdeergänzung außerhalb der Beschwerdefrist (vgl. § 39 Abs. 1 Z. 1 VwGG) von der Beschwerdeführerin gestellte Verhandlungsantrag war nicht zu berücksichtigen (vgl. Erkenntnis vom , 509/73, VwSlg. 4736 F/1974, u.v.a. zuletzt etwa die Erkenntnisse vom , 95/09/0299,

, 95/04/0131).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.