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VwGH 05.08.1997, 97/11/0105

VwGH 05.08.1997, 97/11/0105

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Die "Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt" setzt begriffsnotwendig ein positives Tun der die Zwangsgewalt gebrauchenden Behörde voraus und kann nicht im bloßen Unterbleiben eines Verhaltens bestehen, auch wenn auf dieses Verhalten, weil es zur Realisierung eines im Gesetz eingeräumten Rechtes unerläßlich ist, ein Anspruch besteht (Hinweis B , 2315/77, VwSlg 9461 A/1977). Die Erledigung oder auch Nichterledigung von Aufsichtsbeschwerden kann unter keinen Umständen als Ausübung behördlicher Zwangsgewalt angesehen werden; ebensowenig die Erlassung von Verordnungen, seien sie auch noch so sehr mit einer allfälligen Gesetzwidrigkeit behaftet, gleichgültig, ob es sich dabei um inhaltliche oder formale Mängel handelt. Dies gilt auch für die Ausweisung der Breite von Landesstraßen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1991/04/25 91/06/0052 1 (hier: Die Verweigerung der Einsichtnahme und der Ausfolgung von Kopien der Krankengeschichte iSd § 39 UbG durch den Anstaltsarzt ist nicht als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt und Zwangsgewalt zu werten)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Mag. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-02/14/00099/96, betreffend Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde in Angelegenheit Unterbringungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer begehrte unter Hinweis auf frühere stationäre Aufenthalte nach wiederholten zwangsweisen Einweisungen unter anderem in die Psychiatrische Universitätsklinik Wien bei dieser Einsicht in seine Krankengeschichte. Da ihm vom Anstaltsarzt unter Hinweis auf dort enthaltene Informationen über Dritte und den "therapeutischen Vorbehalt" nicht volle Einsicht gewährt bzw. nicht Kopien von allen Teilen seiner Krankengeschichte ausgehändigt wurden, erhob er bei der belangten Behörde Beschwerde gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG wegen Verletzung im Recht auf Einsichtnahme in die Krankengeschichte nach § 39 Unterbringungsgesetz. Er begehrte, "die Verweigerung bzw. teilweise Verweigerung der Einsichtnahme in den Krankenakt bzw. Verweigerung der Kopien" für rechtswidrig zu erklären. Die Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und begehrt dessen kostenpflichtige Aufhebung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Die belangte Behörde hielt die an sie gerichtete, auf diese Bestimmung gestützte Beschwerde für unzulässig, weil es sich bei der bekämpften Verweigerung der Einsichtnahme bzw. der Aushändigung von Kopien nicht um die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handle. Eine solche setze ein positives Tun der die Befehls- und Zwangsgewalt ausübenden Behörde voraus und könne nicht - wie hier - im bloßen Unterbleiben eines bestimmten Verhaltens bestehen.

Der Beschwerdeführer steht demgegenüber auf dem Standpunkt, die Verweigerung der Akteneinsicht sei als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu werten. Die in Beschwerde gezogene Verweigerung erschöpfe sich nicht in einem bloßen Unterlassen, sondern setze ein aktives Tun, nämlich das Abhalten von der Einsichtnahme, zu der die Behörde gesetzlich verpflichtet sei, voraus.

Diese Auffassung wird nicht geteilt. Bei dem in Beschwerde gezogenen Verhalten des Anstaltsarztes handelt es sich weder um die Erteilung eines Befehles noch um die Ausübung von Zwang gegen den Beschwerdeführer. Es erschöpft sich vielmehr in einem schlichten Verhalten, nämlich im (teilweisen) Unterlassen eines vom Beschwerdeführer begehrten Tuns (Gewährung der Einsichtnahme bzw. Ausfolgung von Kopien). "Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" setzt nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts begriffsnotwendig ein positives Tun der die Zwangsgewalt gebrauchenden Behörde voraus und kann nicht im bloßen Unterbleiben eines Verhaltens der Behörde, selbst wenn dem Betreffenden darauf ein Anspruch zustünde, bestehen (vgl. die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. 8669, und vom , Slg. 9503, sowie die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 82/11/0191, und vom , Zlen. 83/11/0254, 0255 - alle betreffend die Verweigerung der Herausgabe von Kraftfahrzeugdokumenten trotz eines Antrages der Partei; den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. 9461/A, betreffend die Verweigerung der Benützung universitätseigener Fachliteratur). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch aus der Sicht des Beschwerdefalles nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Auf dem Boden der dargelegten Rechtslage hat die belangte Behörde das Verhalten des Anstaltsarztes zu Recht nicht als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gewertet und dementsprechend die auf § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG gestützte Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.

Damit erübrigt sich eine Prüfung der mit der Behauptung einer Verletzung im Recht nach § 39 UbG auf Einsichtnahme in die Krankengeschichte aufgeworfenen Fragen, ob eine solche Rechtsverletzung im vorliegenden Fall überhaupt in Betracht kommt (das UbG trat mit in Kraft; nach seinem eigenen Vorbringen erfolgte der letzte Aufenthalt des Beschwerdeführers im AKH im Jahre 1962) und ob den ordentlichen Gerichten, wie der Beschwerdeführer unter Berufung auf Literaturstellen behauptet, insoweit tatsächlich keine Prüfungsbefugnis zukommt (dagegen scheint jedenfalls das den einschlägigen Bestimmungen des UbG erkennbar zugrundeliegende Konzept zu sprechen, wonach zur Kontrolle von Maßnahmen, die in Rechte untergebrachter Personen eingreifen, die ordentlichen Gerichte berufen sind; eine Bestimmung, die eine Verletzung des Rechtes eines Untergebrachten nach § 39 UbG davon ausnimmt, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich).

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht gegeben ist, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1997:1997110105.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
BAAAE-63452

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