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VwGH vom 24.09.1993, 91/17/0060

VwGH vom 24.09.1993, 91/17/0060

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Raunig, über die Beschwerde 1. des AG, 2. der KG, beide in Z, beide vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom , MD-4504/1990, betreffend Gehsteigabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadtgemeinde Innsbruck hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom setzte der Stadtmagistrat Innsbruck gegenüber den Beschwerdeführern unter Hinweis darauf, daß laut Mitteilung des Stadtbauamtes im Jahre 1983 die erstmalige bauordnungsgemäße Herstellung des vor dem Anwesen der Beschwerdeführer, F-Gasse, Gp. 1712/1 KG. H, gelegenen Gehsteiges erfolgt sei, auf Grund der Bestimmungen des Gesetzes vom über die Erhebung einer Abgabe für die erstmalige Herstellung zeitgemäßer Gehsteige in der Landeshauptstadt Innsbruck, LGBl. Nr. 23/1969 (Gehsteigabgabengesetz), sowie des Beschlusses des Gemeinderates vom über die Festsetzung des Einheitssatzes die Gehsteigabgabe wie folgt fest:

1. Bauplatzanteil (§ 3 Abs. 3 leg. cit.) S 28.560,--

2. Baumassenanteil (§ 3 Abs. 4 leg. cit.) S 111.006,--

S 139.566,--.

Weiters sprach die Abgabenbehörde erster Instanz aus, die Abgabe "könne" gemäß § 2 Abs. 2 des Gehsteigabgabengesetzes in Form einer fünf Jahre dauernden laufenden Abgabe entrichtet werden, wobei sich der jährlich zu entrichtende Betrag auf S 27.913,20 belaufe.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung und brachten darin im wesentlichen vor, ihnen sei bereits in drei näher bezeichneten Verfahren aus den Jahren 1972, 1977 und 1981 Gehsteigabgaben vorgeschrieben und es seien diese auch bezahlt worden. Die dort angeführten Baumassenanteile seien identisch mit den im erstinstanzlichen Bescheid angeführten. Der Abgabenanspruch wäre überdies wegen Verjährung erloschen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom gab der Stadtmagistrat Innsbruck der Berufung "nicht Folge", setzte jedoch die Abgabe wie folgt neu fest:

1. Bauplatzanteil S 28.560,--

2. Baumassenanteil S 71.883,--

S 100.443,--.

Auch hier heißt es weiter, die Abgabe "könne" in Form einer 5 Jahre dauernden laufenden Abgabe entrichtet werden.

Zur Begründung führte die Abgabenbehörde erster Instanz im wesentlichen aus, mit Schreiben vom , gerichtet an die Beschwerdeführer, sei zur Feststellung des Abgabepflichtigen eine vom Gesetz verlangte Amtshandlung unternommen und somit eine Unterbrechung der Verjährungsfrist bewirkt worden. Auf Grund einer neuerlichen Überprüfung durch das Stadtbauamt/Baupolizei sei jedoch festgestellt worden, daß die als Bemessungsgrundlage herangezogenen Baumassen nicht den Tatsachen entsprächen, wodurch sich gegenüber der ursprünglichen Abgabenvorschreibung die aus dem Spruch ersichtlichen Änderungen ergäben. Die in der Berufung erwähnten Vorschreibungen, welche von der Behörde auch nicht bestritten würden, beträfen die Baumassenvergrößerung auf einem bereits bebauten Grundstück. Die Abgabe sei diesbezüglich nur vom Baumassenanteil dieser Vergrößerung zu ermitteln gewesen und es seien diese Baumassen bei der gegenständlichen Abgabenvorschreibung nicht mehr als Bemessungsgrundlage herangezogen worden.

In ihrem Vorlageantrag brachten die Beschwerdeführer ergänzend im wesentlichen vor, sie hätten das Schreiben vom nicht erhalten und es sei auch niemals abgesendet worden. Eine Unterbrechung der Verjährung habe daher nicht stattgefunden. Im übrigen sei dieses Schreiben für die Abgabenbehörde bei der Geltendmachung des Abgabenanspruches oder der Feststellung des Abgabepflichtigen nicht dienlich.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies auch die Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck die Berufung "als unbegründet ab", wobei jedoch die Abgabe gleichlautend wie in der Berufungsvorentscheidung "korrigiert" wurde. Ein Ausspruch über die "Möglichkeit" der Entrichtung "in Form einer 5 Jahre laufenden Abgabe" findet sich im Spruch des Berufungsbescheides nicht.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Erstherstellung des Gehsteiges vor dem Objekt F-Weg sei am abgeschlossen worden. Der Abgabenanspruch sei sohin zum entstanden, die Verjährungsfrist habe mit Ablauf des Jahres 1989 geendet. Unabhängig davon, ob den Beschwerdeführern das Schreiben der Abgabenbehörde vom tatsächlich zugekommen sei, sei die Gehsteigabgabe als nicht verjährt zu qualifizieren. Im übrigen sei festzuhalten, daß sich die nunmehrige Vorschreibung der Gehsteigabgabe einzig auf Objekte beziehe, welche vor Inkrafttreten des Gehsteigabgabengesetzes rechtskräftig bewilligt und welche bisher als Bemessungsgrundlagen für Gehsteigabgabenbescheide nicht herangezogen worden seien. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, daß in den vergangenen Vorschreibungen nie ein Bauplatzanteil verrechnet, gemäß § 2 Abs. 4 des Gehsteigabgabengesetzes immer von einer Baumassenvergrößerung ausgegangen und daher nur der Baumassenanteil der Anlagenvergrößerung der Gehsteigabgabenvorschreibung zugrunde gelegt worden sei. Im Anlaßfall sei die Abgabenbehörde gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. erstmals berechtigt gewesen, auch den sogenannten Bauplatzanteil zur Vorschreibung zu bringen. Die gegenständliche Vorschreibung beziehe sich auf vor dem Jahre 1969 bewilligte und zur Ausführung gelangte bauliche Anlagen.

Diesen Bescheid bekämpften die Beschwerdeführer zunächst mit Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der jedoch mit Beschluß vom , B 1397/90-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bezeichnen die Beschwerdeführer den Beschwerdepunkt wörtlich wie folgt:

"Die Beschwerdeführer wurden dadurch in ihren Rechten verletzt, als die belangte Behörde die Bestimmungen über das Entstehen des Abgabenanspruches nach § 3 und über die Verjährung nach §§ 154 ff jeweils der Tiroler Landesabgabenordnung unrichtig angewendet und deshalb den Beschwerdeführern zu unrecht (die bereits verjährte) Abgabe in der Höhe von S 100.443,-- nach dem Gesetz vom über die Erhebung einer Abgabe für die erstmalige Herstellung zeitgemäßer Gehsteige in der Landeshauptstadt Innsbruck, LGBl Nr. 23/1969, vorgeschrieben hat."

Die Beschwerdeführer beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall wesentlichen Bestimmungen des Gehsteigabgabengesetzes lauten:

"§ 1

Erhebung

Die Stadt Innsbruck wird gemäß § 8 Abs. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45, ermächtigt, zur teilweisen Deckung der Kosten der erstmaligen Herstellung zeitgemäßer Gehsteige (§ 68 der Bauordnung der Landeshauptstadt Innsbruck) eine Abgabe (§ 14 Abs. 1 Z. 15 des Finanzausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 2) zu erheben.

§ 2

Abgabepflicht

(1) Zur Entrichtung einer einmaligen Abgabe sind die Eigentümer der zu bebauenden Grundstücke (Bauplätze) verpflichtet. Unter Bauplätzen sind die nach den Bestimmungen der Innsbrucker Bauordnung bebaubaren, zuzüglich aller demselben Eigentümer gehörigen, daran unmittelbar angrenzenden, selbständig nicht bebaubaren Grundflächen zu verstehen. Die Abgabepflicht entsteht bei Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides. Die Abgabe ist binnen sechs Monaten nach Baubeginn vorzuschreiben und wird zwei Wochen nach Vorschreibung fällig ...

(2) Zur Entrichtung einer laufenden Abgabe sind die Eigentümer von bereits bebauten Grundstücken verpflichtet, wenn diese Grundstücke an eine Verkehrsfläche, die noch nicht mit zeitgemäßen Gehsteigen versehen ist, angrenzen oder mit dieser durch Privatwege in Verbindung stehen und nicht bereits eine Abgabe nach Abs. 1 entrichtet wurde. Die Fläche der bebauten Grundstücke ist in sinngemäßer Anwendung der Bestimmung des Abs. 1 zweiter Satz zu ermitteln. Die Abgabepflicht tritt auch dann ein, wenn nur an einer Seite der Verkehrsfläche ein Gehsteig vorgesehen ist. Die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe beginnt mit dem der Fertigstellung des Gehsteiges folgenden Kalenderjahr und dauert fünf Jahre. Die Abgabe ist jeweils bis 31. März eines Jahres vorzuschreiben und wird zwei Wochen nach der Vorschreibung fällig.

...

(4) Wird die Baumasse einer baulichen Anlage vergrößert, ist die Abgabe nur vom Baumassenanteil (§ 3 Abs. 4) der Baumassenvergrößerung zu ermitteln."

§ 2 des Gehsteigabgabengesetzes enthält sohin in seinen Abs. 1 und 2 zwei unterschiedliche Abgabentatbestände, nämlich die einmalige Abgabe nach Abs. 1 und die laufende Abgabe nach Abs. 2. Die einmalige Abgabe betrifft (erst) zu bebauende Grundstücke (Bauplätze) und knüpft die Abgabenpflicht an den Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides. Die laufende Abgabe hingegen wird von bereits bebauten Grundstücken eingehoben und knüpft - wie sich aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen des Abs. 2 ergibt - die Entstehung der Abgabenpflicht an die Fertigstellung des Gehsteiges zumindest an einer Seite der Verkehrsfläche, an die die Grundstücke angrenzen oder mit dieser durch Privatwege in Verbindung stehen. Diesfalls beginnt die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe mit dem der Fertigstellung des Gehsteiges folgenden Kalenderjahr.

Im Beschwerdefall läßt der Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz trotz seiner mit dem Gesetz nicht übereinstimmenden Textierung ("Die Abgabe KANN gemäß § 2 Abs. 2 des Gehsteigabgabengesetzes in Form einer fünf Jahre dauernden laufenden Abgabe entrichtet werden ...") mit hinlänglicher Deutlichkeit erkennen, daß der Stadtmagistrat Innsbruck (lediglich) eine laufende Abgabe nach § 2 Abs. 2 des Gehsteigabgabengesetzes und nicht etwa eine einmalige Abgabe nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle vorschreiben wollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 1003, 1004/73). Dies stimmt auch damit überein, daß es sich beim gegenständlichen Grundstück um ein bereits bebautes handelte; dies ergibt sich aus der unbestrittenen Tatsache, daß hinsichtlich desselben Grundstückes bereits in früheren Jahren Gehsteigabgaben entrichtet wurden, die jedoch gemäß § 2 Abs. 4 Gehsteigabgabengesetz nur vom Baumassenanteil (§ 3 Abs. 4) der BaumassenVERGRÖßERUNG ermittelt wurden.

Dem Spruch des nunmehr angefochtenen Berufungsbescheides mangelt zwar ein solcher ausdrücklicher Hinweis auf § 2 Abs. 2 des Gehsteigabgabengesetzes; lediglich aus der Begründung geht hervor, daß auch die Berufungsbehörde eine laufende Abgabe nach dieser Gesetzesstelle festsetzen wollte.

Gemäß § 73 Abs. 2 und Abs. 3 lit. a TLAO hat jeder Bescheid unter anderem den Spruch und, von Ausnahmen abgesehen, eine Begründung zu enthalten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Bescheid einer Verwaltungsbehörde als ein Ganzes zu beurteilen. Spruch und Begründung bilden eine Einheit; bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruches, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen (vgl. hiezu etwa das zu § 67 WAO ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/17/0152, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Im Beschwerdefall läßt die Begründung des angefochtenen Bescheides eindeutig erkennen, daß die belangte Behörde mit dem Spruch ihres Berufungsbescheides den erstinstanzlichen Abgabenbescheid lediglich hinsichtlich seiner Höhe "korrigieren", das heißt richtig: abändern, die Berufung jedoch im übrigen abweisen wollte. Ändert die Berufungsbehörde den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides (lediglich) in einem Punkt ab, so muß dies dann, wenn aus der Begründung des Bescheides hervorgeht, daß die Berufungsbehörde im übrigen den Spruch des mit Berufung bekämpften Bescheides unverändert in Wirksamkeit belassen wollte, als Bestätigung des bekämpften Bescheides in den nicht geänderten Punkten verstanden werden (vgl. auch hiezu das oben zitierte Erkenntnis vom ). Auch die Berufungsbehörde hat daher erkennbar eine laufende Abgabe nach § 2 Abs. 2 des Gehsteigabgabengesetzes festgesetzt.

Weiters hat die belangte Behörde in ihrem Bescheid unbestritten festgestellt, daß der Gehsteig vor dem gegenständlichen Grundstück erstmals am fertiggestellt wurde. Sie ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß (arg.: "Die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe beginnt mit dem der Fertigstellung des Gehsteiges folgenden Kalenderjahr ...") der gegenständliche Abgabenanspruch erst mit entstanden ist. Die belangte Behörde hat jedoch außer acht gelassen, daß es in dem zuletzt zitierten vorletzten Satz des § 2 Abs. 2 des Gehsteigabgabengesetzes weiter heißt "... UND DAUERT FÜNF JAHRE". Nach Ablauf dieser Frist von fünf Jahren mit bestand daher keine Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe mehr; die Berechtigung der Behörde zur Festsetzung der Abgabe endete mit Ablauf des Jahres 1988, weshalb die erstinstanzliche Abgabenvorschreibung vom zu Unrecht erfolgt ist. Da es sich bei diesem Erlöschen der Berechtigung zur Abgabenfestsetzung nicht um eine Verjährung im eigentlichen Sinne nach dem § 154 ff TLAO handelt, kam es auch weder auf den Inhalt des Schreibens des Stadtmagistrates Innsbruck vom noch darauf an, ob und wann dieses Schreiben den Beschwerdeführern zugekommen ist (vgl. hiezu insbesondere jedoch das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 5551/F).

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher im Ergebnis als berechtigt. Dem stand auch nicht die oben wiedergegebene Formulierung des Beschwerdepunktes entgegen, weil sie nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls jede Unzulässigkeit der Abgabenfestsetzung zufolge Zeitablaufes umfaßt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Hiebei konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auch auf § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991; insbesondere auch auf dessen Art. III Abs. 2.