VwGH vom 18.12.1997, 97/11/0003
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Volkmar Schicker und Dr. Alfred Roschek, Rechtsanwälte in Wien I, Jasomirgottstraße 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-04/A/41/00006/96, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes und des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, insoweit der Beschwerdeführer damit wegen Übertretung des § 12 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes bestraft wurde, einschließlich des darauf entfallenden Kostenausspruches (Spruchpunkt 9) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 22. Bezirk, vom , wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als zur Vertretung nach außen Berufener einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in Wien und somit als Arbeitgeber zu vertreten, daß, wie am durch ein Organ des Arbeitsinspektorates festgestellt, in seiner Betriebsstätte in Graz sieben namentlich genannte Arbeitnehmer zu nach Datum und Uhrzeit bestimmten Zeiten von Tagen im August und September 1993 beschäftigt worden seien. Dadurch sei die Höchstgrenze der täglichen Arbeitszeit von namentlich genannten Arbeitnehmern überschritten worden, weshalb der Beschwerdeführer Übertretungen nach § 9 des Arbeitszeitgesetzes, BGBl. Nr. 461/1969, begangen habe (Spruchpunkte 1 bis 6), weiters seien namentlich genannte Arbeitnehmerinnen zur Nachtzeit beschäftigt worden, weshalb der Beschwerdeführer Verwaltungsübertretungen nach § 3 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen, BGBl. Nr. 237/1969, begangen habe (Spruchpunkte 7 und 8), und weiters sei bei einem namentlich genannten Arbeitnehmer die erforderliche ununterbrochene Ruhezeit nach Beendigung der Tagesarbeitszeit unterschritten worden, weshalb der Beschwerdeführer eine Übertretung nach § 12 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes begangen habe (Spruchpunkt 9). Es wurden über den Beschwerdeführer deshalb Geldstrafen in der Höhe von je S 6.000,-- (Spruchpunkte 1 bis 6), S 5.000,-- (Spruchpunkte 7 und 8) und S 3.000,-- (Spruchpunkt 9) sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung in der Schuldfrage keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß zu Spruchpunkt 1 der Vorname (von "Emil" auf "Emmi") geändert wurde, die verletzte Rechtsvorschrift habe in den Fällen Spruchpunkte 1 bis 6 richtig zu lauten "§ 9 erster Anwendungsfall BGBl. Nr. 461/1969 idF vor der Novelle BGBl. 446/1994". Zu Spruchpunkte 1 bis 6 wurde die verhängte Geldstrafe von je S 6.000,-- auf je S 3.000,-- herabgesetzt. In den übrigen Punkten wurde der Berufung keine Folge gegeben, allerdings wurde zu Spruchpunkte 1 bis 6 die Strafsanktionsnorm auf § 28 Abs. 1 Z. 1 AZG BGBl. 461/1969 idF der Novelle 446/1994 berichtigt.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom , B 3196/96-3, die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer vertritt zunächst die Ansicht, bei den ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen handle es sich um einzelne Delikte, die gegenüber einzelnen Personen begangen worden seien und die mit der im Straferkenntnis angegebene Uhrzeit abgeschlossen seien. Die Zustellung des angefochtenen Berufungsbescheides sei am erfolgt, weshalb die vor dem begangenen Delikte verjährt seien.
Die belangte Behörde trat dem in bezug auf die Verwaltungsübertretung zu Punkt 9. in der Gegenschrift nicht entgegen.
Gemäß § 31 Abs. 3 VStG tritt Strafbarkeitsverjährung ein, wenn das Straferkenntnis bzw. die diese bestätigende Berufungsentscheidung nicht vor Ablauf von drei Jahren, gerechnet ab dem im Abs. 2 genannten Zeitpunkt (Tatzeit), erlassen wird (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5 auf Seiten 909 und 921 genannte hg. Judikatur).
Im vorliegenden Fall erfolgte die Zustellung des angefochtenen Bescheides nach Auffassung der belangten Behörde am , nach der des Beschwerdeführers am .
Daher hätte Spruchpunkt 9 des angefochtenen Bescheides von der belangten Behörde jedenfalls nicht mehr erlassen werden dürfen, weil bereits mit Ablauf des (die Tat wurde am begangen) Strafbarkeitsverjährung bezüglich dieser Tathandlung eingetreten ist. In Ansehung der Übertretung zu Spruchpunkt 9 war der angefochtene Bescheid aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2. Das fortgesetzte Delikt ist dadurch gekennzeichnet, daß eine Reihe von Einzelhandlungen des Beschuldigten, die zufolge der Gleichartigkeit der Begehungsform und der äußeren Begleitumstände, des engen zeitlichen Zusammenhanges und des diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Beschuldigten zu einer Einheit zusammentreten, eine einzige strafbare Handlung bilden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0200, mit weiterem Judikaturhinweis).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegen dann, wenn Rechtsvorschriften, die dem Schutz von Arbeitnehmern dienen, in Ansehung mehrerer Arbeitnehmer verletzt werden, mehrere Übertretungen vor. Liegen zwischen derartigen Tathandlungen in Ansehung desselben Arbeitnehmers nicht mehr als zwei Wochen (enger zeitlicher Zusammenhang), so kann jedenfalls von einem fortgesetzten Delikt ausgegangen werden (vgl. erneut das oben genannte Erkenntnis vom ).
Die dem Beschwerdeführer in den Spruchpunkten 1 bis 6 angelasteten Tathandlungen sind im Hinblick auf diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf die im Spruch des Straferkenntnisses angeführten Beschäftigungszeiten bezüglich jedes einzelnen Arbeitnehmers als je ein fortgesetztes Delikt zu qualifizieren, weshalb das Argument des Beschwerdeführers, es sei auch in diesen Fällen bereits Strafbarkeitsverjährung eingetreten, als verfehlt anzusehen ist.
Aus den genannten Erwägungen erweist sich die Beschwerde hinsichtlich der Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretungen des § 9 erster Anwendungsfall des Arbeitszeitgesetzes in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 446/1994 als unbegründet. Sie war daher bezüglich dieser Spruchpunkte gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
3. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen BGBl. Nr. 237/1969 (FrNachtAG) bestimmt, daß Dienstnehmerinnen während der Nacht nicht beschäftigt werden dürfen, wobei als Nacht im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Zeitraum von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden, der die Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr einschließt, gilt.
Nach § 9 FrNachtAG idF BGBl. Nr. 209/1986 sind Dienstgeber oder
deren Bevollmächtigte, die § 3 Abs. 1 zuwiderhandeln ... mit
einer Geldstrafe von S 1.000,-- bis S 15.000,-- ... zu
bestrafen.
Insoweit der Beschwerdeführer zu den Übertretungen Spruchpunkte 7 und 8 vorbringt, daß das EWR-Abkommen, BGBl. Nr. 909/1993, bereits sieben Monate vor Erlassung des erstinstanzlichen Strafbescheides in Kraft getreten sei, Österreich im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vom bereits EU-Mitglied gewesen sei, und auf Grund des in § 1 Abs. 2 VStG statuierten Günstigkeitsprinzips der Beschwerdeführer nicht mehr nach den von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmungen des Frauennachtarbeitsgesetzes hätte bestraft werden dürfen und überdies die belangte Behörde auf die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Zl. "Rs 10-158/91" (gemeint wohl: "C-158/91") vom hätte Bedacht nehmen müssen, ist ihm folgendes zu entgegnen: Mit der genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom wurde - in einem aus Frankreich stammenden Rechtsfall - ausgesprochen, daß das nationale Gericht verpflichtet sei, für die volle Beachtung des Art. 5 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsausbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen zu sorgen, indem es jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet läßt, es sei denn, daß die Anwendung dieser Bestimmung zur Erfüllung von Verpflichtungen des betroffenen Mitgliedstaats erforderlich ist, die sich aus einer vor Inkrafttreten des EWG-Vertrages mit dritten Staaten geschlossenen Übereinkunft ergeben.
Art. 5 der Richtlinie hat folgenden Wortlaut:
"Artikel 5
(1) Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen beinhaltet, daß Männer und Frauen dieselben Bedingungen ohne Diskriminierung auf Grund des Geschlechts gewährt werden.
(2) Zu diesem Zweck treffen die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen,
a) daß die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt werden;
b) daß die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbaren Bestimmungen in Tarifverträgen oder Einzelarbeitsverträgen, in Betriebsordnungen sowie in den Statuten der freien Berufe nichtig sind, für nichtig erklärt oder geändert werden können;
c) daß die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften, bei denen der Schutzgedanke, aus dem heraus sie ursprünglich entstanden sind, nicht mehr begründet ist, revidiert werden; daß hinsichtlich der Tarifbestimmungen gleicher Art die Sozialpartner zu den wünschenswerten Revisionen aufgefordert werden."
Gemäß Art. 3 des Bundesverfassungsgesetzes, mit dem begleitende Regelungen zum Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum erlassen wurden, BGBl. Nr. 115/1993, sind Richtlinien im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraumes unbeschadet des EWR-Abkommens durch Gesetz umzusetzen. Eine diesbezügliche Änderung der Bestimmungen des Frauennachtarbeitsgesetzes wurde bis zum hier gemäß § 1 Abs. 2 VStG relevanten Datum der Fällung des Straferkenntnisses erster Instanz am vom Österreichischen Gesetzgeber nicht vorgenommen. Dem EWR-Recht kommt im österreichischen Recht keine Vorrangwirkung gegenüber dem innerstaatlichen Recht zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/06/0246, mit weiteren Hinweisen). Im übrigen gilt gemäß BGBl. Nr. 45/1995, Anhang XV, Liste nach Art. 151 der Beitrittsakte, Kapitel V. "Sozialpolitik"; der Art. 5 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom bis zum Jahre 2001 für die Republik Österreich hinsichtlich der Nachtarbeit von Frauen nicht. Damit schlägt auch der Versuch des Beschwerdeführers fehl, diese Richtlinie für seinen Standpunkt anwendbar zu machen.
Da der Beschwerdeführer auch sonst zu Spruchpunkte 7 und 8 eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen vermag, war die Beschwerde auch diesbezüglich gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.