VwGH vom 29.04.1992, 91/17/0023
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftsführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der XY-GmbH in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MDR-C 5/90, betreffend Haftung für Getränkesteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Hauptmieterin des Lokales in W, N-Gasse. Auf Grund von Unterbestandverträgen wurden an diesem Standort nacheinander von verschiedenen Unternehmern gastgewerbliche Betriebe geführt, so etwa ein mit Ende Jänner 1987 geschlossener Betrieb, sodann in der Zeit von März 1987 bis Februar 1989 ein "Gast- und Schankbetrieb ohne Barbetrieb" - der maßgebende Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom spricht von der Berechtigung zur Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart eines Kaffeerestaurants mit den Berechtigungen nach § 189 Abs. 1 GewO 1973 - und ab abermals ein "Gast- und Schankbetrieb ohne Barbetrieb".
Rechtsgrundlage für das im Beschwerdefall bedeutsame Bestandverhältnis in der Zeit vom März 1987 bis Februar 1989 ist der zwischen der Beschwerdeführerin und Frau A A in W "mit dem Recht, das Unter-Bestandobjekt durch Firma A und S GesmbH. für das Gastgewerbe benützen zu lassen", am geschlossene, mit "Unter-Mietvertrag" übertitelte Bestandvertrag. Dieser Vertrag lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 1. Mietgegenstand
...
Der Mietgegenstand besteht aus eingerichteter Konditorei top 3,4 samt Klosettanlage für Damen und Herren je mit Vorraum (Vorraum für Herren einschl. Pissoir mit einem Becken) Naßgruppe und darf nur zum Betriebe eines Gast- und Schankbetriebes ohne Barbetrieb und unter Vermeidung von Lärmentwicklung verwendet werden.
...
§ 2. Mietzeit
Das Mietverhältnis beginnt am und wird auf die Dauer von zwei Jahren abgeschlossen. Es endet daher am , ohne daß es einer weiteren Aufkündigung bedarf. ...
§ 3. Mietzins
...
Der frei vereinbarte Hauptmietzins (Mietzins) beträgt zur Zeit des Vertragsabschlusses monatlich S 10.600,-- ... inklusive Hausbetriebskosten, exkl. Umsatzsteuer. Nicht inbegriffen sind Telefon, Heizung und Energie.
...
§ 12. Sonstiges
...
Mitvermietet wird Konditoreieinrichtung: bestehend aus Wandregalen, großem Pult mit Glasaufbau, geschliffenen großem Spiegel, Auslageneinrichtung, Rollbalken, jeweils im bestehenden, besichtigten Zustand, Zentralheizung im Hauptraum und 2 Nebenräumen, welche instandgesetzt und mit Therme und neuen Radiatoren ausgestattet sind. Der Hauptraum weist eine neue Glasflügeltür und 2 neue Auslagen auf. Hauptraum und 2 Nebenräume sind neu verfliest und mit 2 neuen mahagonifarbenen Türen ausgestattet, 2 Türen zum Ausgang sind neu gestrichen und Espresso-Maschine. Der Mieter wird das Lokal ohne Beeinträchtigung von anderen Bewohnern des Hauses führen, aus dem Lokal dürfen Emissionen z.B. Dünste und Lärm nicht hervortreten.
...
§ 15. Hausordnung
...
Einrichtungen des Mieters, die nicht ohne Wertverlust der Substanz des Hauses entfernbar sind, gehen mit Beendigung des Mietvertrages entschädigungslos in das Eigentum des Bestandgebers oder des Liegenschaftseigentümers über. Für die Aufrechterhaltung eines achtbaren Personenkreises ist zu sorgen. Die Gesellschafter der Untermieterin übernehmen die persönliche Haftung für die Erfüllung aller Mieterpflichten, insbesondere der Mietzinszahlung und fertigen aus diesem Anlaß den Untermietvertrag persönlich mit. Die Mieterin darf bei sonstiger Kündigung nicht eine Verschlechterung des Kundenstandes zulassen, insbesondere nicht durch bedenkliche Personen."
Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde die Beschwerdeführerin "auf Grund des § 5 Abs. 2 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2, in der derzeit geltenden Fassung und der §§ 2 und 5 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der derzeit geltenden Fassung als Haftpflichtige zur Zahlung der für die Zeit vom bis im Betrieb in W, N-Gasse, entstandenen Getränkesteuerschuld der ehemaligen Pächterin A & S GesmbH. im Betrag von S 15.527,-- herangezogen und gleichzeitig gemäß § 171 WAO aufgefordert, diesen Betrag binnen einem Monat nach Zustellung dieses Bescheides zu entrichten." Begründend heißt es in diesem Bescheid, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Haft- und Zahlungspflicht der Beschwerdeführerin seien gegeben, weil die Betriebsführung durch den genannten Pächter mit Februar 1989 geendet habe und der im Bescheid aufgegliederte Rückstand der Primärschuldnerin uneinbringlich sei. Für die Beurteilung des oben auszugsweise wiedergegebenen Bestandvertrages als Pachtvertrag sei entscheidend, daß ein lebendes Unternehmen übergeben worden sei, wobei laut Vertrag sowohl die Betriebsmittel als auch der Kundenstock (Aufrechterhaltung eines achtbaren Personenkreises) beigestellt worden seien.
Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde nach Erlassung einer abweislichen Berufungsvorentscheidung und Stellung eines Antrages auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Dies zur Streitfrage, ob Pacht oder Miete vereinbart worden sei, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte im wesentlichen mit der Begründung, aus dem Bestandvertrag sei zu ersehen, daß die Beschwerdeführerin der Bestandnehmerin die Betriebsräume und das Inventar zur Verfügung gestellt habe. Auch müsse im Hinblick darauf, daß der Kundenstock im Gastgewerbe - abgesehen von den wegen besonderer Eigenschaften bekannten Betrieben - in der Regel örtlich bedingt sei, bei gleicher örtlicher Situierung eines solchen Betriebes das Vorhandensein eines Kundenstockes bejaht werden. Das Fehlen einer Gewerbeberechtigung sei im Hinblick auf die Bestimmung des § 40 Abs. 2 GewO sowie auch deswegen bedeutungslos, weil seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die vorher erforderliche Bedarfsprüfung bei Gast- und Schankgewerben weggefallen sei und somit für die Parteien eines Bestandvertrages kein besonderes Motiv bestehe, auch die Gewerbeberechtigung zum Gegenstand des Pachtvertrages zu machen. Eine Gesamtbetrachtung aller maßgebenden Umstände zeige das Überwiegen der für "Unternehmenspacht" anstatt für "Geschäftsraummiete" sprechenden Merkmale.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 2 GetrStG haftet, wenn die Abgabe steuerpflichtiger Getränke in einem Pachtbetrieb erfolgt, der Verpächter neben dem früheren Pächter für jene Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen.
Bei der Unterscheidung zwischen "Geschäftsraummiete" und "Unternehmenspacht" kommt es nach der Rechtsprechung auf die Umstände des Einzelfalles an. Eine Unternehmenspacht liegt in der Regel vor, wenn ein lebendes Unternehmen (im weitesten Sinn) Gegenstand des Bestandvertrages ist, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des "good will" gehört. Die Beistellung von Betriebsmitteln, Kundenstock, Warenlager, Gewerbeberechtigung etc. durch den Bestandgeber ist wohl ein zusätzliches Indiz für Pacht, das Fehlen einzelner Komponenten schließt die Beurteilung als Pachtvertrag jedoch nicht aus. Maßgebend ist, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt, nicht aber die von den Parteien gewählte Bezeichnung. Im allgemeinen wird die Vereinbarung einer Betriebspflicht wichtigstes Kriterium eines Pachtvertrages sein, sofern dies auf einem wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers am Bestehen und der Art des Betriebes beruht (vgl. hiezu beispielsweise Rummel, ABGB, S 1558, sowie die bei Dittrich-Tades, ABGB33, S 1107 ff, zitierte Rechtsprechung). Maßgebend ist das "wirtschaftliche Interesse des Bestandgebers an der Tatsache und der Art des Betriebes" (MietSlg. 24.129 und 25.113).
Die Beschwerdeführerin meint in ihrer Beschwerde, Unternehmenspacht könne im Beschwerdefall schon deswegen nicht vorliegen, weil sie selbst niemals einen Gastronomiebetrieb unterhalten habe, vielmehr "den Unternehmensgegenstand der Vermietung" ausübe. Sie habe daher der Bestandnehmerin auch weder ein lebendes Unternehmen noch einen Kundenstock, dessen Vorhandensein nicht in Abrede gestellt werde, zur Verfügung stellen können.
Dieses Vorbringen erweist sich aus folgenden Gründen als nicht stichhältig:
Eine Unternehmenspacht setzt im allgemeinen voraus, daß ein lebendes Unternehmen, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit, Gegenstand des Bestandvertrages ist. Doch kann auch ein ERST ZU ERRICHTENDES UNTERNEHMEN Bestandgegenstand sein, wenn die wesentlichen Unternehmensgrundlagen vom Bestandgeber beigestellt werden (vgl. hiezu MietSlg. 38.135). Für die Verpachtung eines Unternehmens bzw. für die Zurverfügungstellung der wesentlichen Unternehmensgrundlagen ist nicht erforderlich, daß der Bestandgeber das Unternehmen selbst betrieben hat (vgl. MietSlg. 6.749, 38.136 und 15.063).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 90/14/0122, ausgeführt hat, zählen bei Gastronomieunternehmungen wie Kaffeehäusern, Hotels und Konditoreien das Grundstück, das Gebäude und die Einrichtung, nicht jedoch das Warenlager und das Personal zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens.
Ein allfällig vorhandener, vom Bestandnehmer verwertbarer Kundenstock spricht nach Auffassung des erkennenden Senates dann für das Vorliegen einer Unternehmenspacht, wenn durch den Vertrag die Erhaltung des Kundenstocks - sei es durch Begründung einer Betriebspflicht oder auf andere Weise - dem Bestandgeber gesichert wird; dies deshalb, weil daraus der Schluß gezogen werden kann, daß der Bestandgegenstand über die rein körperlichen Grundlagen eines Unternehmens, über die auch ein Mietvertrag hätte abgeschlossen werden können, hinausgeht. Voraussetzung für die Übertragung eines Kundenstockes von einem Unternehmen auf ein anderes ist allerdings, daß die Betriebsgegenstände der beiden Unternehmen nicht wesentlich voneinander abweichen (vgl. hiezu MietSlg. 25.112).
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß der Bestandnehmerin von der Beschwerdeführerin EINGERICHTETE RÄUMLICHKEITEN, die zur Führung des bedungenen Gastgewerbebetriebes geeignet waren, überlassen worden sind; ferner, daß von einem erst kurz vorher geschlossenen, am selben Standort unterhaltenen gastgewerblichen Betrieb ein von der neuen Bestandnehmerin zumindest noch teilweise verwertbarer KUNDENSTOCK vorhanden war, sodaß diese durch den Vertrag alle wesentlichen Grundlagen für ihr Unternehmen erlangt hat. Im Sinne des oben Gesagten war aber weiters der von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde selbst hervorgehobene Gesichtspunkt zu berücksichtigen, ob die Bestandnehmerin nach dem Vertrag eine BETRIEBSPFLICHT getroffen hat oder ob der Vertrag der Beschwerdeführerin AUF ANDERE WEISE DIE ERHALTUNG DES VORHANDENEN KUNDENSTOCKES GESICHERT HAT; auch in dem zuletzt angeführten Fall käme das WIRTSCHAFTLICHE
INTERESSE DER BESCHWERDEFÜHRERIN AN DER FÜHRUNG DES
UNTERNEHMENS durch die Bestandnehmerin zum Ausdruck.
Es kann dahingestellt bleiben, ob nicht schon durch § 1 des Vertrages eine Betriebspflicht der Bestandnehmerin begründet worden ist; dies deswegen, weil schon aus § 15 des Vertrages das wirtschaftliche Interesse der Beschwerdeführerin an der Führung des Unternehmens durch die Bestandnehmerin hervorgeht, ist doch dort, wie bereits dargestellt, davon die Rede, daß die "Mieterin bei sonstiger Kündigung nicht eine Verschlechterung des Kundenstandes zulassen darf, insbesondere nicht durch bedenkliche Personen". Die rechtliche Bedeutung dieser Klausel erschöpft sich nämlich - anders als die Beschwerdeführerin meint - nicht in einem bloßen Aufmerksammachen auf eine die Bestandnehmerin treffende Sorgepflicht für das ordnungsgemäße Betragen der das Lokal frequentierenden Kunden, sondern begründete eine eigene, nur mit dem wirtschaftlichen Interesse der Beschwerdeführerin an der Führung des Unternehmens durch die Bestandnehmerin erklärbare, mit der Sanktion sonstiger Kündigung bewehrte Verpflichtung der letzteren zur Erhaltung des vorhandenen Kundenstandes, und zwar mangels näherer Erläuterung sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht.
Die im angefochtenen Bescheid getroffene Beurteilung der belangten Behörde, die im Beschwerdefall festgestellten Umstände sprächen überwiegend für "Unternehmenspacht" und nicht für "Geschäftsraummiete", erweist sich daher bei einer Gesamtbetrachtung unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Bedeutung dieser Merkmale als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Da auch kein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Verfahrensmangel zu erkennen ist, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.