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VwGH vom 04.09.2003, 99/17/0209

VwGH vom 04.09.2003, 99/17/0209

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck sowie die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Rechtsanwaltes Dr. XY in Wien, vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Meidlinger Hauptstraße 28, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-03/V/30/00082/99, betreffend Zeugengebühren in einem Verfahren betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Straferkenntnis vom wurde Frau S. schuldig erkannt, die Straßenverkehrsordnung 1960 übertreten zu haben.

Dieses Straferkenntnis wurde mit einem durch den Beschwerdeführer als rechtsfreundlichen Vertreter von Frau S. eingebrachten Berufungsschriftsatz bekämpft.

2. Da der Beschwerdeführer sich bereits im erstinstanzlichen Verfahren als Entlastungszeuge angeboten hatte, wurde er von der belangten Behörde zur mündlichen Berufungsverhandlung am um 9.30 Uhr an den Sitz der belangten Behörde mittels Ladungsbescheides vom als Zeuge geladen.

Der Beschwerdeführer erschien zur Berufungsverhandlung und wurde als Zeuge einvernommen.

3. Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer den Ersatz von Vertretungsaufwendungen in der Höhe von S 1.712,40 als Zeugengebühr. Er sei von der belangten Behörde zu der in Rede stehenden Berufungsverhandlung als Zeuge geladen worden. Dadurch habe er eine von ihm als Rechtsanwalt zu verrichtende Verhandlung vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien substituieren lassen müssen. An Substitutionskosten seien S 1.712,40 aufgelaufen. Diese habe er dem für ihn einschreitenden Kollegen ersetzen müssen.

Unter einem legte der Beschwerdeführer die ihm von dem substituierenden Rechtsanwalt Dr. S gelegte Kostennote für die vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien am um

9.50 Uhr abgehaltene Berufungsverhandlung in der Höhe von S 1.712,40 vor. Diese Kosten setzten sich (unter Zugrundelegung eines Berufungsinteresses von S 15.369,--) wie folgt zusammen:

"Berufungsverhandlung


Tabelle in neuem Fenster öffnen
verr., 1/2 h
S 1.585,--
60 % ES
S 951,--
10 % StreitgZ.
S 253,--
S 2.789,--
hievon koll. H.
S 1.394,--
20 % USt
S 278,40
Fahrt
S 40,--
zusammen:
S 1.712,40."

4. Mit Schreiben vom teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes über den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien mit, dass seinem Antrag vom nicht stattgegeben werde.

Nach dem im Akt befindlichen Verhandlungsprotokoll sei der Beschwerdeführer in der gegenständlichen Berufungsverhandlung auch als Parteienvertreter von Frau S. anwesend gewesen, sodass eine Entschädigung für einen etwaigen Stellvertreter des Beschwerdeführers nicht zuerkannt werden könne.

5. Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer die bescheidmäßige Entscheidung der belangten Behörde über seinen Antrag vom .

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers als unbegründet ab.

Der nach der vorgelegten Kostennote korrekt vorgeschriebene Kostenbetrag habe unter Berücksichtigung der kollegialen Hälfte S 1.712,40 betragen.

Demgegenüber wäre dem Beschwerdeführer als einschreitendem Rechtsvertreter in der gegenständlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde die Bewertung des rechtlichen Interesses gemäß § 13 Abs. 1 lit. a AHR sowie gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AHR zugestanden.

Nach diesen Bestimmungen hätte der Beschwerdeführer das Berufungsinteresse von Seiten des Rechtsanwaltes in einer Höhe bis zu S 60.000,-- bewerten können.

Dies ergebe unter Heranziehung der entsprechenden Tarifpost 3 B jedenfalls einen höheren Betrag als den gegenständlich beantragten, zumal der Rechtsvertreter, der nicht substituiere, nicht nur die kollegiale Hälfte in Anspruch nehmen müsste.

Daraus ergebe sich weiterhin klar, dass es in der Hand des Beschwerdeführers gelegen wäre, für die tatsächlich vor der belangten Behörde verrichtete Verhandlung einen höheren Kostenbetrag von seiner Klientin einzufordern, als es ihm hinsichtlich der substituierten Verhandlung vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen möglich gewesen wäre.

Da der Beschwerdeführer jedenfalls nicht an beiden Verhandlungen gleichzeitig hätte teilnehmen können, hätte er sich jedenfalls für eine der beiden substituieren lassen müssen, wobei die allgemeinen Honorarrichtlinien der Rechtsanwälte es dem Rechtsvertreter zudem erlaubt hätten, für die Vertretung vor der belangten Behörde einen weit höheren Betrag in Anspruch zu nehmen, als es ihm durch die Vertretung am Landesgericht Wien möglich gewesen wäre.

Es sei dem Beschwerdeführer daher objektiv durch die Anwesenheit bei der gegenständlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde kein Verdienstentgang entstanden.

Sollte dem Beschwerdeführer ein solcher dennoch entstanden sein, so sei dies auf Grund der Disposition geschehen, die der Beschwerdeführer bei der Kostennotenlegung gegenüber seiner Klientin getroffen habe.

Jedenfalls sei es dem Beschwerdeführer durch die bloße Vorlage der Kostennote des im Substitutionswege einschreitenden Kollegen nicht gelungen, den Nachweis einer wie auch immer gearteten wirtschaftlichen Einbuße zu erbringen.

7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer beantragt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

8. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Argumentation der belangten Behörde, er hätte für die gegenständliche Berufungsverhandlung unter Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage von S 60.000,-- seiner Klientin Vertretungskosten in Rechnung stellen können und hätte somit keine wirtschaftliche Einbuße erlitten. Er verweist auf die hg. Rechtsprechung und betont, nicht Verdienstentgang, sondern Substitutionskosten als Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter geltend gemacht zu haben.

2. § 51a AVG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 lautete:

"Zeugen und Beteiligte, die im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten vernommen werden oder deren Vernehmung, nachdem sie geladen wurden, ohne ihr Verschulden unterblieben ist, haben Anspruch auf Gebühren unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Ausmaß wie Zeugen im gerichtlichen Verfahren. Für die Geltendmachung und Bestimmung der Gebühren gelten die §§ 19 und 20 sowie § 21 Abs. 1 erster Halbsatz des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 mit der Maßgabe, daß die Gebühren vorläufig von dem nach landesgesetzlichen Vorschriften zuständigen Bediensteten des unabhängigen Verwaltungssenates berechnet und den Zeugen oder Beteiligten bekanntgegeben und ausbezahlt werden. Sind Zeugen oder Beteiligte mit den bekanntgegebenen Gebühren nicht einverstanden, so sind die Gebühren über deren Antrag von jenem unabhängigen Verwaltungssenat festzusetzen, der den Zeugen oder den Beteiligten vernommen oder geladen hat. Im Verfahren vor einer Kammer obliegt die Entscheidung dem nach den landesrechtlichen Vorschriften zuständigen Mitglied der Kammer. Die Auszahlung der Gebühren ist unentgeltlich."

§ 3 Abs. 1 Gebührenanspruchsgesetz 1975 (GebAG), BGBl. Nr. 136/1975 idF BGBl. Nr. 343/1989, lautet:

"(1) Die Gebühr des Zeugen umfaßt

1. den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden;

2. die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet."

§ 4 Abs. 1 leg. cit. (Stammfassung) lautet:

"(1) Der Anspruch auf die Gebühr steht dem Zeugen zu, der auf Grund einer Ladung vom Gericht vernommen worden ist. Er kommt aber auch dem Zeugen zu, der ohne Ladung gekommen und vernommen worden oder der auf Grund einer Ladung gekommen, dessen Vernehmung aber ohne sein Verschulden unterblieben ist; (...)"

§ 18 leg. cit. idF BGBl. I Nr. 407/1997 lautete:

"(1) Als Entschädigung für Zeitversäumnis gebühren dem Zeugen

1. 167 S für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,

2. anstatt der Entschädigung nach Z 1

a) beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst,

b) beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen,

c) anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter,

d) die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.

(2) Im Falle des Abs. 1 Z 1 hat der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen."

§ 19 leg. cit. idF BGBl. Nr. 343/1989 lautet auszugsweise:

"(1) Der Zeuge hat den Anspruch auf seine Gebühr binnen 14 Tagen ... nach Abschluß seiner Vernehmung, oder nachdem er zu Gericht gekommen, aber nicht vernommen worden ist, bei sonstigem Verlust schriftlich oder mündlich bei dem Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte, geltend zu machen (...)

(2) Soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist und nicht feste Gebührensätze bestehen, hat der Zeuge die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, besonders durch Vorlage einer Bestätigung über den Verdienstentgang oder die Entlohnung eines Stellvertreters oder einer Hilfskraft (...) zu bescheinigen.

(3) Auf seine Ansprüche und die allfällige Notwendigkeit des Beweises oder der Bescheinigung ist der Zeuge durch das Gericht in der Ladung aufmerksam zu machen (...)"

§ 20 Abs. 2 leg. cit. (Stammfassung) lautete:

"Vor der Gebührenbestimmung kann der Zeuge aufgefordert werden, sich über Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, zu äußern und, unter Setzung einer bestimmten Frist, noch fehlende Bestätigungen vorzulegen."

3. Der belangten Behörde ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer nicht Verdienstentgang geltend machte, sondern Substitutionskosten als Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 2 lit. c GebAG.

Unter einem "notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter" im Sinne dieser Gesetzesstelle kann nach dem Regelungszusammenhang nur eine Person verstanden werden, die den Zeugen während der Zeit seiner Abwesenheit von seinem Betrieb, seinem Unternehmen, seiner Kanzlei etc. vertritt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/17/0172, mit weiterem Judikaturhinweis).

Auf Grund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 81/17/0110, und vom , Zl. 85/15/0064) können auch Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Substituten durch einen Rechtsanwalt, um einer Verpflichtung als Zeuge nachkommen zu können, als Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter im Sinne der Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 angesehen werden.

Die Argumentation der belangten Behörde verfängt schon deshalb nicht, weil der Umstand, dass der Beschwerdeführer einen Honoraranspruch gegenüber seinem Mandanten besitzt, nichts daran ändert, dass ihm Substitutionskosten entstanden sind. Es ist daher auch unerheblich, wie hoch der Anspruch des Beschwerdeführers gegenüber seinem Mandanten auf Grund der Wahrnehmung der Vertretung in der Verhandlung vor der belangten Behörde tatsächlich war. Die Substitutionskosten für die Vertretung in jener Verhandlung, die der Beschwerdeführer auf Grund der Verpflichtung zur Teilnahme an der Verhandlung vor der belangten Behörde als Zeuge nicht bestreiten konnte, sind ihm jedenfalls entstanden.

In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom , Zl. 97/03/0048, ausgesprochen, dass der Ersatz der Vertreterkosten gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 lit. c GebAG auch dann gebührt, wenn der (auch) als Zeuge geladene Parteienvertreter sich bei einem mit jener Verhandlung, in der er als Zeuge vernommen wurde, kollidierenden weiteren Termin vertreten lassen musste.

Indem die belangte Behörde die Auffassung vertrat, der Beschwerdeführer sei ohnehin als Parteienvertreter bei der Verhandlung vom aufgetreten und es sei schon deshalb dem Grunde nach ein Gebührenanspruch des Beschwerdeführers nicht gerechtfertigt, hat sie somit die Rechtslage verkannt.

4. Die belangte Behörde hat somit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

5. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden, zumal im Fall der Aufhebung des angefochtenen Bescheides auch Art. 6 EMRK dem nicht entgegensteht.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003. Die von den Beschwerdeführern entrichtete Pauschalgebühr in der Höhe von S 2.500,-- war dabei gemäß § 3 Abs. 2 Z 3 Euro-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, mit EUR 181,68 in Ansatz zu bringen.

7. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen. Wien, am