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VwGH vom 17.09.1992, 91/16/0138

VwGH vom 17.09.1992, 91/16/0138

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Ladislav, über die Beschwerde des W in H, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom , Zl. 6-1a/Schl/1/1988/Bi, betreffend Finanzvergehen der Hinterziehung von Eingangsabgaben gemäß § 35 Abs. 2 FinStrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat im Jahre 1985 einen Personenkraftwagen der Marke Toyota Saloon 2600, niederländisches Kennzeichen nn1, sowie ein Motorrad, Honda 750, niederländisches Kennzeichen nn2, unter Inanspruchnahme des formlosen, sicherstellungsfreien Vormerkverkehrs eingeführt.

Bei einer Einvernahme am gab der Beschwerdeführer an, er habe seinen Wohnsitz in Z, Niederlande. Seine Freundin (mit der er ein Kind habe) habe bereits eine größere Wohnung angemietet, und zwar gleichfalls in Z, Niederlande. Seit Februar 1985 habe er sich die meiste Zeit in Österreich aufgehalten. Hier habe er als Aushilfsfahrer bei der Firma H. in R. gearbeitet. In L. habe er lediglich einen Zweitwohnsitz, und zwar auch deswegen, weil er wisse, daß er nach den zollrechtlichen Bestimmungen nur dann berechtigt sei, in Österreich ein ausländisches Fahrzeug zu lenken, wenn er seinen Hauptwohnsitz im Ausland habe. Den PKW Toyota habe er Mitte Mai selbst nach Österreich eingeführt. Das Motorrad habe er vor etwa drei Wochen nach Österreich eingebracht.

Im Zuge von Erhebungen der Finanzstrafbehörde teilte die Fremdenpolizei von Z am mit, daß die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers in den Niederlanden am abgelehnt worden sei. Ein Antrag um Widerruf dieser Entscheidung sei am abgelehnt worden. Eine Berufung gegen diese Entscheidung sei am von der Abteilung für Rechtsprechung des Staatsrates verworfen worden. Am sei der Beschwerdeführer anläßlich einer persönlichen Vorsprache bei der Fremdenpolizei Z aufgefordert worden, die Niederlande bis zum zu verlassen. Ab gelte für den Beschwerdeführer der (sichtvermerksfreie) Zeitraum von drei Monaten für einen sogenannten touristischen Aufenthalt.

Bei einer weiteren Vernehmung am erklärte der Beschwerdeführer, er hätte seinen Wohnsitz bis Mai 1985 in Holland gehabt. Er sei im Juli 1985 nach Holland zurückgekehrt. Dabei habe er zur Kenntnis nehmen müssen, daß seine Wohnung in Z, bereits weitervermietet gewesen sei. Seine persönlichen Einrichtungsgegenstände seien amtlich hinterlegt worden. Er habe in der Folge Holland wieder verlassen und halte sich seither in Österreich auf. Er habe sich 1985 und 1986 vier- bis fünfmal in Holland als Tourist aufgehalten. In Österreich lebe er in der Wohnung seiner Schwester in L. Hier stehe ihm ein Zimmer zur Verfügung. Er habe sich nach der Einbringung der Fahrzeuge nach Österreich hinsichtlich deren Benützung nicht erkundigt, weil er gewußt habe, berechtigt zu sein, ausländische unverzollte Fahrzeuge ein Jahr lang in Österreich zu benützen, sofern er seinen ausschließlichen Wohnsitz im Ausland habe. Er habe nach der Ausweisung aus Holland und der Delogierung aus der Wohnung deswegen in zollrechtlicher Hinsicht nichts veranlaßt, weil er die Absicht gehabt hätte, wieder eine Möglichkeit zur Rückkehr nach Holland ausfindig zu machen. Bereits am sei ja bereits das Zollamt Linz mit der Ermittlung des Sachverhaltes befaßt gewesen.

Bei der von der Finanzstrafbehörde erster Instanz durchgeführten mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer als Beschuldigter an, er habe am von der Polizei in Z den Auftrag erhalten, die Niederlande bis zum zu verlassen. Er sei dann mit dem PKW Toyota nach Österreich gefahren. Bei einer neuerlichen Vorsprache im Juli 1985 sei ihm von der Polizei mitgeteilt worden, er habe in Holland zwar ein "Wohnrecht", er erhalte aber keine Arbeitserlaubnis. Seine Wohnung sei inzwischen weitervermietet worden. Im August 1985 sei der Beschwerdeführer neuerlich nach Holland gefahren. Bei den letzten Aufenthalten habe er bei seiner Lebensgefährtin in Z gewohnt. Er sei der Meinung gewesen, daß er den PKW auf Grund seines holländischen Hauptwohnsitzes in Österreich ein Jahr lang benützen könne.

Die Finanzstrafbehörde I. Instanz erkannte den Beschwerdeführer schuldig, im Mai 1985 vorsätzlich eine Verkürzung der auf den PKW Toyota Saloon 2000 im Wert von S 3.000,-- und auf das Motorrad Honda 750 im Wert von S 30.000,-- entfallenden Eingangsabgaben in Höhe von insgesamt S 14.098,-- bewirkt zu haben. Über den Beschwerdeführer wurden eine Geldstrafe von S 14.000,--, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 28 Tagen, weiters die Strafen des Verfalls der streitgegenständlichen Beförderungsmittel sowie daneben des Wertersatzes in Höhe von S 47.098, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 47 Tagen verhängt.

In der Berufung gegen das Erkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz wurde insbesondere geltend gemacht, der Beschwerdeführer habe sich nach wie vor in den Niederlanden aufgehalten, sich nicht in den Niederlanden abgemeldet und den Ausweisungsbeschluß rechtlich bekämpft. Die hiefür namhaft gemachten Zeugen, Ben B., Rechtsanwalt in Den Haag und Jolanda van K. in Z, seien nicht vernommen worden. Außerdem habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, daß er zum fraglichen Zeitpunkt ein "rechtliches Wohnrecht" besessen habe und eine diesbezügliche Anfrage beim Staatshuis Z beantragt habe.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde das Erkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz insoferne abgeändert, als der Tatzeitpunkt hinsichtlich des Motorrades mit Juni 1985 festgestellt wurde. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden sinngemäß dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 35 Abs. 2 FinStrG macht sich der Hinterziehung von Eingangsabgaben schuldig, wer, ohne den Tatbestand des Abs. 1 zu erfüllen, vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Die formlose und sicherstellungsfreie Eingangsvormerkbehandlung von ausländischen unverzollten Beförderungsmitteln setzt gemäß § 93 Abs. 2 lit. a Z. 1 und Abs. 7 ZollG in Verbindung mit § 11 Zollgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. Nr. 476/1972, voraus, daß sowohl der Halter als auch der Benützer des Beförderungsmittels ihren gewöhnlichen Wohnsitz im Zollausland haben.

Nach § 26 Abs. 1 BAO hat einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Voraussetzung für das Vorhandensein eines Wohnsitzes ist das "Innehaben" einer Wohnung, worunter die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, über die Wohnung zu verfügen, zu verstehen ist. Eine Wohnung "innehaben" bedeutet, daß sie dem Abgabepflichtigen für seine Wohnzwecke rechtlich und tatsächlich zur Verfügung steht; sie muß ihm nicht gehören, auch in Räumen, die ein Dritter gemietet hat, kann man eine Wohnung innehaben (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/16/0020).

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt es für die Annahme eines Wohnsitzes weder darauf an, daß er sich trotz des Aufenthaltsverbotes weiterhin in den Niederlanden aufgehalten hat noch daß ihm von den Polizeibehörden der Niederlande ein "Wohnrecht" zugestanden worden ist. Andrerseits steht dem Umstand, daß sich jemand nur als Tourist in einem Land (hier also für eine jeweilige zusammenhängende Aufenthaltsdauer von drei Monaten) aufzuhalten berechtigt ist, dem Innehaben einer Wohnung und damit der Annahme eines Wohnsitzes nicht entgegen. Es reicht nämlich hin, wenn eine Wohnung jährlich durch mehrere Wochen (zwei bis drei Monate) benutzt wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/16/0020).

Nach § 93 Abs. 4 Satz 1 ZollG ist unter mehreren Wohnsitzen einer Person als gewöhnlicher Wohnsitz derjenige anzusehen, zu dem sie die stärksten persönlichen Beziehungen hat und der den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse darstellt. Im Regelfall bestehen nach den Erfahrungen des Lebens die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem man regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebt. Bei einer von der Familie getrennten Haushaltsführung kommt es auf die Umstände der Lebensführung, wie etwa eine eigene Wohnung, einen selbständigen Haushalt, gesellschaftliche Bindungen, aber auch für den Pflichtenkreis einer Person und hier insbesondere auf ihre objektive und subjektive Beziehung zu diesem an (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/16/0032, und vom , 91/16/0036).

Der Beschwerdeführer hat in seiner Vernehmung am die Innehabung der Wohnung in Z behauptet. Wie der Beschwerdeführer in seiner weiteren Vernehmung am angab, hatte er sich nach der am durchgeführten Vernehmung, nämlich am nach den Niederlanden begeben und dort festgestellt, daß die angeführte Wohnung zwischenzeitig weitervermietet und die ihm gehörigen Einrichtungsgegenstände aus der Wohnung entfernt worden waren. Diese Angaben stimmen in ihrer zeitlichen Abfolge mit dem im Rechtshilfeweg eingeholten Bericht der Fremdenpolizei Z überein. Mit diesem Erhebungsergebnis steht die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe im Zeitpunkt der Einfuhr der Fahrzeuge im Mai 1985 (Personenkraftwagen) und Juni 1985 (Motorrad) über keinen Wohnsitz im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO im Zollausland verfügt, in Widerspruch. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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