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VwGH vom 23.04.1992, 91/16/0127

VwGH vom 23.04.1992, 91/16/0127

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde der S in G, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 361/1-9/Nd-1991, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am verstorbene Erblasser hat in seinem Testament zugunsten der Beschwerdeführerin folgende letztwillige Verfügung getroffen:

"Die finanziellen Erträgnisse aus meinem bis zu meinem Tod veröffentlichten gesamten literarischen Nachlaß, wie er laut Punkt II. verwaltet wird, vermache ich meinem Bruder ... und meiner Schwester S, zu gleichen Teilen, wobei meiner Schwester S aus diesen Erträgnissen jedenfalls ein Mindestbetrag von monatlich DM 3.000,-- (Deutsche Mark dreitausend), wertgesichert nach dem Index der Verbraucherpreise 1986 des Österreichischen Statistischen Zentralamtes in Wien im Verhältnis von heute zum Zahltag, garantiert werden muß.

Diese Erträgnisse fallen nach dem Tod meiner Schwester S nicht an deren Nachkommen, sondern an meinen Erben."

Punkt II des Testamentes lautet auszugsweise:

"Das alleinige Verfügungsrecht betreffend die Verwaltung und Ausübung an meinem bis zu meinem Tod veröffentlichten gesamten literarischen Nachlaß übertrage ich auf die Dauer des gesetzlichen Urheberrechtes auf ..."

Mit einem gemäß § 200 BAO erlassenen Bescheid vom schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Linz (FA) der Beschwerdeführerin die Erbschaftssteuer in der Höhe von S 957.744,-- vor. Als Bemessungsgrundlage hat das FA die wiederkehrende Nutzung von DM 3.000,-- monatlich und auf Grund des Lebensalters der Beschwerdeführerin gemäß § 16 Abs. 2 BewG den 14-fachen Kapitalisierungsfaktor herangezogen.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen die Höhe der vorgeschriebenen Erbschaftssteuer Berufung und machte dabei geltend, daß ihr nur Erträgnisse zustünden, die aus Aufführungen und Veröffentlichungen nach dem Tod des Erblassers entstanden seien. Mit dem Tod des Erblassers seien die literarischen Verwertungsrechte auf die Erben übergegangen, dies bedeute, daß die Tantiemen, die nach dem Tod des Erblassers angefallen seien, nicht der Bemessungsgrundlage der Erbschaftssteuer unterlägen.

Die Beschwerdeführerin habe von ihrem Bruder noch keine Zuwendungen erhalten, weil die laufenden Tantiemeneinnahmen den Mindestbetrag überstiegen. Es sei nicht vorherzusehen, wann sie Zahlungen erhalte. Sollte jedoch der Bruder der Beschwerdeführerin vorversterben, dann falle der jährliche Mindestanspruch überhaupt weg. Aus diesem Grund sei der Anspruch nicht mit dem 14-fachen, sondern mit dem 9-fachen Jahreswert für Renten auf unbestimmte Zeit zu berechnen.

Überdies beantragte sie, die anfallende Erbschaftssteuer gemäß § 29 ErbStG vorzuschreiben.

Mit Berufungsvorentscheidung hat das Finanzamt dem Antrag gemäß § 29 ErbStG stattgegeben, sonst aber die Berufung abgewiesen.

Die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich gab - nach einem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz - mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung der Berufung teilweise Folge und änderte den Bescheid des Finanzamtes unter Zugrundelegung des nach § 29 Abs. 1 ErbStG gestellten Antrages ab. Wenn die Beschwerdeführerin mit der Begründung, sie hätte von ihrem Bruder noch keine Zuwendungen erhalten, beantrage, von der vorläufigen Erbschaftssteuerfestsetzung abzusehen, so gehe sie dabei von der irrigen Rechtsansicht aus, es lägen nur dann die Voraussetzungen für die Besteuerung der Tantiemeneinnahmen nach dem Erbschaftssteuergesetz vor, wenn der testamentarisch festgesetzte Mindestbetrag von DM 3.000,-- nicht überschritten werde und sie die Zuwendung von ihrem Bruder erhalten habe.

Die Beschwerdeführerin übersehe dabei, daß Gegenstand der Erbschaftssteuer das vom Erblasser zugewendete Vermächtnis bilde und für dieses Vermächtnis die Erbschaftssteuer nach dem Verhältnis des Vermächtnisnehmers zum Erblasser zu entrichten sei. Die ihr zufließenden Beträge würden nämlich auf Grund der testamentarischen Anordnung auch für den Fall als vom Erblasser zugewendet gelten, sodaß die "Mindestbetragsregelung" Platz greife und eine Aufteilung zu ungleichen Teilen an die Vermächtnisnehmer zu erfolgen hätte.

Wie die Beschwerdeführerin in der Berufung selbst mitgeteilt habe, überstiegen derzeit die ihr zufließenden Erträgnisse den monatlich festgesetzten Mindestbetrag, wobei im Sinne des § 17 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes 1955 (BewG) der durchschnittliche Jahreswert derzeit nicht vorhersehbar sei. Die Voraussetzungen für die vorläufige Festsetzung der Erbschaftssteuer lägen vor, weil im Hinblick auf die zukünftig zu erzielenden Erträgnisse und der daran knüpfenden Ermittlung eines durchschnittlichen Jahreswertes, soweit er vom festgelegten Mindestbetrag abweiche, der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiß sei. Die Heranziehung des monatlichen Mindestbetrages von DM 3.000,-- als Basis für die vorläufige Bemessungsgrundlage der Erbschaftssteuer erscheine daher auf der Grundlage dieses Sachverhaltes, insbesondere unter Berücksichtigung der zur Zeit erzielten Mehreinnahmen, begründet. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin habe im konkreten Fall die Bewertung im Sinne des § 16 Abs. 1 und 2 BewG unter Bedachtnahme auf das Lebensalter der Beschwerdeführerin und nicht auf unbestimmte Zeit im Sinn des § 15 Abs. 2 BewG zu erfolgen, weil abgesehen davon, daß es sich bei der letztzitierten Gesetzesstelle um eine subsidiäre Rechtsvorschrift handle, die testamentarische Anordnung des Vermächtnisses auf die Lebensdauer der Beschwerdeführerin ausgerichtet sei. Das von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argument, es sei noch nicht vorhersehbar, ob und wieviel ihr Bruder an sie bezahlen werde, sei rechtlich bedeutungslos.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin behauptet, in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen gemäß § 15 Abs. 4 BewG verletzt zu sein; sie beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Strittig ist im vorliegenden Fall die Bewertung der Erträgnisse aus dem oben näher umschriebenen literarischen Nachlaß. Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, daß die belangte Behörde den erblasserischen Willen mehrfach zivil- und abgabenrechtlich unrichtig ausgelegt habe. Die genannten Erträgnisse stünden der Beschwerdeführerin zwar zur Hälfte zu, jedenfalls aber ein Mindestbetrag von DM 3.000,--. Wenn jedoch die monatlichen Erträgnisse insgesamt unter DM 3.000,-- fielen, erhalte die Beschwerdeführerin nur den angefallenen Betrag, weil keine Verpflichtung des Erben bestehe, den Mindestbetrag aus anderen Quellen zu gewährleisten.

Der Beschwerdeführerin sei keine Rente im Sinne der §§ 16 und 17 BewG vermacht worden, sondern ein Tantiemeneinkommen, das jedoch nicht an starre Quoten oder Beträge gebunden sei, sondern sich variabel "ermitteln" lasse. Die Höhe der staatlich festzusetzenden Abgaben sei nach den realen Gegebenheiten bei Abgabe der jährlichen Steuererklärung der Beschwerdeführerin festzusetzen. Weder das Lebensalter der Beschwerdeführerin, noch der Betrag von DM 3.000,-- monatlich könnten als Anknüpfungspunkte zur Bemessung und Vorschreibung der Erbschaftssteuer dienen. Richtigerweise hätte die belangte Behörde die Bestimmung des § 15 Abs. 4 BewG anzuwenden gehabt, da sich das vermachte Vermögensrecht unter § 69 Abs. 1 Z. 4 BewG subsumieren lasse.

Der angefochtene Bescheid sei sohin mit Rechtswidrigkeit behaftet, da die belangte Behörde sowohl von einer unrichtigen Bemessungsgrundlage ausgegangen sei als auch die Kapitalisierung gemäß § 16 BewG anstelle von § 15 Abs. 4 BewG vorgenommen habe. Hiedurch sei sie zu einem unrichtigen Erbschaftssteuersatz von 27 v.H. gelangt.

Gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 ErbStG entsteht die Steuerschuld bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tod des Erblassers.

Gemäß § 13 Abs. 1 ErbStG ist der Erwerber Steuerschuldner.

Gemäß § 18 ErbStG ist für die Wertermittlung, soweit in diesem Gesetze nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld maßgebend.

Gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG richtet sich die Bewertung, soweit nicht im Abs. 2 etwas Besonderes vorgeschrieben ist, nach den Vorschriften des Ersten Teiles des Bewertungsgesetzes (Allgemeine Bewertungsvorschriften).

Die belangte Behörde ist bei der Wertermittlung davon ausgegangen, daß die finanziellen Erträgnisse des literarischen Nachlasses auf die Lebenszeit der Beschwerdeführerin beschränkt sind und hat daher den Wert nach § 16 BewG angenommen, ohne auf die Bestimmung des § 15 Abs. 4 BewG einzugehen, die eine Regelung für wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen enthält, die auf der Überlassung von Urheberrechten beruhen.

Beruhen die wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen auf der Überlassung von Rechten im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 4 oder auf der Überlassung von gewerblichen Erfahrungen und von Berechtigungen oder auf der Gestattung der Verwertung solcher Rechte, so gilt gemäß § 15 Abs. 4 BewG als gemeiner Wert der gesamten Nutzungen und Leistungen das Dreifache des Jahreswertes.

Im § 69 Abs. 1 Z. 4 BewG sind Urheberrechte und verwandte Schutzrechte im Sinne des Urheberrechtsgesetzes vom , BGBl. Nr. 111, Erfindungen im Sinne des Patentgesetzes 1970, BGBl. Nr. 259, sowie sonstige gewerbliche Schutzrechte angeführt.

Gemäß § 60 des Urheberrechtsgesetzes endet das Urheberrecht an Werken der Literatur, der Tonkunst und der bildenden Künste, deren Urheber (§ 10 Abs. 1) auf eine Art bezeichnet worden ist, die nach § 12 die Vermutung der Urheberschaft begründet, siebzig Jahre nach dem Tod des Urhebers (§ 10 Abs. 1), bei einem von mehreren Urhebern gemeinsam geschaffenen Werke (§ 11) endet das Urheberrecht siebzig Jahre nach dem Tod des letztlebenden Miturhebers (§ 10 Abs. 1).

Da die belangte Behörde verkannte, daß im vorliegenden Fall unabhängig von der Beurteilung, ob der Beschwerdeführerin die wiederkehrende Nutzung oder Leistung auf Lebenszeit oder auf bestimmte Zeit eingeräumt wurde, die Bewertung nach § 15 Abs. 4 BewG vorzunehmen gewesen wäre, erweist sich der Bescheid der belangten Behörde mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.