VwGH vom 05.11.2003, 99/17/0149
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde der CL in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Freyung 7, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MD-VfR - L 16/98, betreffend Vorschreibung von Müllabfuhrabgaben nach dem Wiener Abfallwirtschaftsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurden der Beschwerdeführerin für eine im 14. Wiener Gemeindebezirk gelegene, im Bescheid näher bezeichnete Liegenschaft ab gemäß § 36 Wiener Abfallwirtschaftsgesetz (Wr AWG) in Verbindung mit der Verordnung des Wiener Gemeinderates vom eine jährlich zu entrichtende Müllabfuhrabgabe in der Höhe von S 1.345,50 vorgeschrieben. Die Behörde erster Instanz hielt fest, dass diese Festsetzung auch für die folgenden Jahre gelte, soweit nicht infolge einer Änderung der Voraussetzungen für die Festsetzung der Jahresbeiträge ein neuer Abgabenbescheid erlassen werde.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom Berufung und brachte vor, dass die in Rede stehende Liegenschaft am Tage vor dem Inkrafttreten des Wr AWG von der öffentlichen Müllabfuhr ausgeschlossen gewesen und seither nicht in diese einbezogen worden sei. Der Bescheid entbehre gemäß § 39 Abs. 2 Wr AWG der gesetzlichen Voraussetzungen im Hinblick auf § 33 leg. cit. Die gesetzlich gemäß § 19 Wr AWG geforderte Anhörung der Beschwerdeführerin sei nicht erfolgt. Die Bestimmungen des § 90 Abs. 1 und Abs. 2 WAO seien gröblichst verletzt worden. Gemäß § 22 Abs. 4 lit. c Wr AWG beantrage die Beschwerdeführerin die Festsetzung der Einsammlungen mit 34 je Kalenderjahr.
Die Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Berufungsvorentscheidung vom , in welcher sich die Behörde erster Instanz vorwiegend mit dem gegen die Festsetzung der jährlichen Einsammlungen gerichteten Berufungsvorbringen auseinander setzte, abgewiesen. Gemäß § 17 Abs. 1 Wr AWG seien überdies alle im Gebiet des Landes Wien gelegenen Liegenschaften in die öffentliche Müllabfuhr einbezogen, sofern sie nicht gemäß § 18 leg. cit. ausgenommen seien.
Auf Grund des Vorlageantrages der Beschwerdeführerin entschied die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid über die Berufung und wies sie als unbegründet ab. Durch die Novelle des Wiener Abfallwirtschaftsgesetzes LGBl. Nr. 53/1996 sei eine Änderung der maßgeblichen Bestimmungen insoferne eingetreten, als nunmehr alle im Gebiet des Landes Wien gelegenen Liegenschaften ex lege in die öffentliche Müllabfuhr einbezogen seien, sofern sie nicht gemäß § 18 leg. cit. ausgenommen seien. Eine solche Ausnahme liege im Beschwerdefall jedoch nicht vor und sei dies von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet worden. Da sohin die Abgabepflicht bereits ex lege bestehe, sei das nicht näher begründete Berufungsvorbringen, wonach die Abgabenbehörde erster Instanz die Bestimmung des § 90 Abs. 1 und Abs. 2 WAO verletzt hätte, nicht nachvollziehbar.
Bezüglich des Berufungsvorbringens, wonach die gesetzlich geforderte Anhörung der Beschwerdeführerin nach § 19 Wr AWG nicht erfolgt sei und es dem Bescheid gemäß § 39 Abs. 2 Wr AWG an den gesetzlich erforderlichen Voraussetzungen nach § 22 leg. cit. mangle, sei zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen der Berufungsvorentscheidung zu verweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit der Novelle LGBl. Nr. 53/1996 wurde § 17 Wiener Abfallwirtschaftsgesetz (Wr AWG), LGBl. Nr. 13/1994, dahingehend geändert, dass alle im Gebiet des Landes Wien gelegenen Liegenschaften in die öffentliche Müllabfuhr einbezogen sind, sofern sie nicht gemäß § 18 ausgenommen sind. Die Absätze 3 und 4 des § 17 wurden mit dieser Novelle aufgehoben. § 18 Wr AWG sieht die Bewilligung der Ausnahme von der Müllabfuhr über schriftlichen Antrag in bestimmten Fällen vor.
Vor der Novelle LGBl. Nr. 53/1996 lautete § 17 Wr AWG wie folgt:
"Entsorgungspflicht
§ 17. (1) In die öffentliche Müllabfuhr sind alle im Gebiet des Landes Wien gelegenen Liegenschaften einbezogen, sofern sie nicht von der öffentlichen Müllabfuhr gemäß Abs. 3 und 4 ausgeschlossen oder gemäß § 18 ausgenommen sind.
(2) Die Eigentümer der in die öffentliche Müllabfuhr einbezogenen Liegenschaften sind berechtigt und verpflichtet, den auf ihren Liegenschaften anfallenden Müll durch die öffentliche Müllabfuhr sammeln und abführen zu lassen.
(3) Von der öffentlichen Müllabfuhr sind bis zu einer bescheidmäßigen Einbeziehung jene Liegenschaften ausgeschlossen, von denen wegen ihrer Lage oder aus technischen oder betrieblichen Gründen im Bereich der öffentlichen Müllabfuhr die Abfuhr des Mülls nicht möglich oder erheblich erschwert ist.
(4) Treten bei jenen Liegenschaften, die in die öffentliche Müllabfuhr einbezogen sind, nachträglich Ausschließungsgründe im Sinne des Abs. 3 ein und wären auch Maßnahmen gemäß § 19 Abs. 4 mit erheblichen Schwierigkeiten für die Gemeinde Wien verbunden, sind diese Liegenschaften von der öffentlichen Müllabfuhr bescheidmäßig auszuschließen. Nach Wegfall der für den Ausschluss maßgeblichen Verhältnisse hat die neuerliche Einbeziehung in die öffentliche Müllabfuhr ebenfalls durch Bescheid zu erfolgen."
Gemäß § 35 Wr AWG (Stammfassung) besteht die Abgabepflicht für die in die öffentliche Müllabfuhr einbezogenen Liegenschaften, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die öffentliche Müllabfuhr tatsächlich benützt wird oder nicht.
§ 51 Abs. 2 Wr AWG (ebenfalls in der Stammfassung) lautet:
"(2) Liegenschaften, die am Tag vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes von der öffentlichen Müllabfuhr ausgeschlossen oder ausgenommen waren, bleiben bis zu einer bescheidmäßigen Einbeziehung von der öffentlichen Müllabfuhr ausgeschlossen oder ausgenommen."
§ 51 Abs. 2 Wr AWG wurde auch durch die Novelle LGBl. Nr. 53/1996 nicht formell aufgehoben. Eine Übergangsvorschrift betreffend Liegenschaften, die am Tag des Inkrafttretens der Stammfassung des Gesetzes von der Müllabfuhr ausgeschlossen waren und auch bis zum Inkrafttreten der Novelle nicht bescheidmäßig einbezogen worden waren, wurde nicht erlassen.
Die belangte Behörde hat ihre Auffassung, dass das Grundstück der Beschwerdeführerin in die Müllabfuhr einbezogen sei und daher die Abgabepflicht bestehe, auf die Neufassung des § 17 Abs. 1 Wr AWG durch die Novelle LGBl. Nr. 53/1996 gestützt.
Es ist daher zu klären, in welchem Verhältnis § 17 in der genannten Fassung und die nicht aufgehobene Übergangsbestimmung des § 51 Abs. 2 Wr AWG in der Stammfassung stehen.
Auszugehen ist dabei vom klaren Wortlaut des § 17 Abs. 1 und dem sich aus den Materialien zur Novelle des Jahres 1996 ergebenden Willen des Gesetzgebers, das "komplizierte System der Einbeziehung, Ausschließung, antragspflichtigen Ausnahme- und Wiedereinbeziehung von Liegenschaften in die öffentliche Müllabfuhr" zu vereinfachen (Erläuterungen zur Novelle zum Wiener Abfallwirtschaftsgesetz, MA 22-161/96; Beilage Nr. 32/1996, PrZ 1256/96-MDPLTG). Zu den Z 6, 7 und 11, die die Änderung des § 17 Abs. 1, den Entfall der Absätze 3 und 4 des § 17 sowie § 18 Abs. 2 bis 6 des Gesetzes betreffen, wird in den Erläuterungen ausgeführt, dass die Evidenthaltung der von der Müllabfuhr ausgeschlossenen neben den von der Müllabfuhr ausgenommenen Liegenschaften mit einem nicht unbeträchtlichen Verwaltungsaufwand verbunden sei. Aus verwaltungsökonomischen Gründen sollten daher die Ausschließungstatbestände entfallen und zum Teil durch Ausnahmetatbestände (Verweis auf § 18 Abs. 5 des Gesetzes) ersetzt werden.
Mit der Novelle des Jahres 1996 wurde somit die frühere Regelung durch eine Rechtslage abgelöst, der zufolge grundsätzlich alle Liegenschaften in die öffentliche Müllabfuhr einbezogen sind, sofern sie nicht gemäß § 18 ausgenommen sind. Die Ausnahme gemäß § 18 hat bescheidmäßig zu erfolgen. Diese spätere Regelung hat auch § 51 Abs. 2 Wr AWG dahingehend modifiziert, dass dieser nur mehr hinsichtlich allenfalls am Tag vor dem Inkrafttreten der Stammfassung von der öffentlichen Müllabfuhr ausgenommener Grundstücke seine Wirkung behielt. Im Verhältnis der späteren generellen Regelung des § 17 Abs. 1 und der speziellen Regelung des § 51 Abs. 2 Wr AWG, soweit sich dieser auf am Tag vor dem Inkrafttreten des Gesetzes ausgeschlossene Grundstücke bezieht, ergibt sich im Zusammenhang mit dem dargestellten Willen des Gesetzgebers, dass die spätere generelle Norm dem als lex specialis für bestimmte Grundstücke anzusehenden § 51 Abs. 2, soweit sich dieser auf ausgeschlossene Grundstücke bezog, derogiert hat.
Die belangte Behörde konnte damit zu Recht davon ausgehen, dass auch die Liegenschaft der Beschwerdeführerin in die öffentliche Müllabfuhr einbezogen ist.
Auf das Beschwerdevorbringen hinsichtlich der möglichen Auswirkungen der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom , kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 5 vom , 41, war daher nicht mehr einzugehen.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am