VwGH vom 25.06.2002, 99/17/0140
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Österreichischen Rundfunks in Wien, vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW3-AZAG-3/74-98, betreffend Antrag auf Rückzahlung von Anzeigenabgabe für die Monate Oktober bis Dezember 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als damit der Antrag auf Rückerstattung der für den Monat Dezember 1997 entrichteten Anzeigenabgabe in der Höhe von S 9,517.612,-- und das Begehren auf amtliche Abgabenbemessung abgewiesen werden; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit ihrem Bescheid vom entschied die belangte Behörde als Abgabenbehörde zweiter Instanz über die Berufungen der beschwerdeführenden Partei gegen näher genannte Bescheide des Landesabgabenamtes, womit jeweils der Antrag auf Rückerstattung
a) der für den Monat Oktober 1997 entrichteten Anzeigenabgabe in der Höhe von S 9,152.827,--,
b) der für den Monat November 1997 entrichteten Anzeigenabgabe in der Höhe von S 9,671.568,-- und
c) der für den Monat Dezember 1997 entrichteten Anzeigenabgabe in der Höhe von S 9,517.612,--
abgewiesen worden war, dahin, dass die Berufungen als unbegründet abgewiesen wurden.
Im erstinstanzlichen Abgabenverfahren hatte die beschwerdeführende Partei mit den Rückzahlungsanträgen auch das Begehren auf abgabenbehördliche Abgabenfestsetzung mit Null verbunden.
Die beschwerdeführende Partei habe - so heißt es in der Begründung des angefochtenen Berufungsbescheides - dem Landesabgabenamt als Behörde erster Instanz für die Verbreitung von Rundfunkwerbung in den Monaten Oktober bis Dezember 1997 jeweils die Abrechnung der vereinnahmten Entgelte (Selbstbemessung) übermittelt und die jeweils die auf Grund eigener Bemessung für die einzelnen Monate ermittelte Anzeigenabgabe (Rundfunk-Werbeabgabe) überwiesen. Unmittelbar im Anschluss an die jeweilige Entrichtung der Abgabe seien dann in allen drei Fällen Anträge auf Rückzahlung der als Anzeigenabgabe entrichteten Beträge gestellt worden, welche durch die vor der belangten Behörde bekämpften erstinstanzlichen Bescheide jeweils abgewiesen worden seien.
Die Frage, ob in den gegenständlichen Fällen der beschwerdeführenden Partei durch die Entrichtung der im Spruch genannten Beträge als Anzeigenabgabe ein Guthaben im Sinne des § 186 Abs. 1 der Niederösterreichischen Abgabenordnung 1977 entstanden sei, sei davon abhängig, ob sich im Verhältnis zwischen festgesetzter und entrichteter Abgabe eine Differenz ergebe oder nicht. Es sei daher zunächst erforderlich, anhand der materiellen abgabenrechtlichen Bestimmungen, in den gegenständlichen Fällen anhand der Bestimmungen des Niederösterreichischen Anzeigenabgabegesetzes, die Richtigkeit der durch Selbstmessung erfolgten Abgabenfestsetzung zu überprüfen.
Die rechnerische Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sei von der beschwerdeführenden Partei weder in den vor dem Landesabgabenamt durchgeführten Verfahren noch in den gegenständlichen Berufungen bestritten worden. Streitpunkte seien einerseits die Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Bestimmungen der zweiten Novelle des Niederösterreichischen Anzeigenabgabegesetzes und andererseits ein Widerspruch der Anzeigenabgabe zu Artikel 33 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft gewesen.
Hiezu sei vorweg grundsätzlich festzuhalten, dass die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nicht den Abgabenbehörden, sondern dem Verfassungsgerichtshof obliege; zu einer inhaltlichen Prüfung gesetzlicher Bestimmungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit seien die Abgabenbehörden im Administrativverfahren nicht berufen. Die zweite Novelle des Niederösterreichischen Anzeigenabgabegesetzes, LGBl. 3705-2, welche die in den Beschwerdefällen anzuwendenden Rechtsvorschriften enthalte, sei am , dem der Kundmachung im Landesgesetzblatt folgenden Tag, in Kraft getreten.
§ 2a leg. cit. sei vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 322, 323/97-8, aus Anlass mehrerer Beschwerden der beschwerdeführenden Partei als verfassungswidrig aufgehoben worden; die Aufhebung sei vom Landeshauptmann am im Landesgesetzblatt, unter LGBl. 3705-3, kundgemacht worden. Gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG trete die Aufhebung eines verfassungswidrigen Landesgesetzes durch den Verfassungsgerichtshof am Tage der Kundmachung in Kraft, wenn nicht der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten eine Frist bestimme; eine derartige Fristsetzung sei jedoch bezüglich der Aufhebung des § 2a des Niederösterreichischen Anzeigenabgabegesetzes nicht erfolgt. Die Aufhebung sei daher gemäß Art. 140 Abs. 5 ?-VG am Tage ihrer Kundmachung im Landesgesetzblatt in Kraft getreten.
Nach Art. 140 Abs. 7 B-VG - so die belangte Behörde weiter - sei ein wegen Verfassungswidrigkeit aufgehobenes Gesetz auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof - was in den vorliegenden Fällen nicht geschehen sei - nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspreche.
Entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Partei weise die Rundfunk-Werbeabgabe auch nicht den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinne des Art. 33 der (Sechsten) Mehrwertsteuer-Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft auf, weshalb die entsprechenden Bestimmungen des Anzeigenabgabengesetzes von den Abgabenbehörden jeweils im vollen Umfang anzuwenden seien.
Davon ausgehend erwiesen sich die vorgelegten Abgabenerklärungen der beschwerdeführenden Partei dem Grunde und der Höhe nach als richtig, weshalb eine bescheidmäßige Abgabenfestsetzung (im von der beschwerdeführenden Partei gewünschten Sinn) nicht in Betracht komme und ein rückzahlbares Guthaben nicht entstanden sei; durch die Entrichtung der Rundfunk-Werbeabgabe für die Monate Oktober bis Dezember 1997 habe die beschwerdeführende Partei nur bereits fällige Abgabenschulden in der zutreffend erklärten Höhe getilgt.
1.2. Mit Beschluss vom , B 2169/98, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat diese in der Folge mit Beschluss vom , B 2169/98-5, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.
Der Verfassungsgerichtshof führte im Wesentlichen aus, die Beschwerde rüge die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie eine Rechtsverletzung infolge Anwendung als verfassungswidrig "kritisierter" Bestimmungen des Niederösterreichischen Anzeigenabgabegesetzes, LGBl. 3705-2. Weiters werde in der Beschwerde behauptet, dass Art. 33 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG) - der Vorschreibung einer Anzeigenabgabe entgegenstehe. Der Verfassungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom , G 322, 323/97, angenommen, dass dem § 2a des Niederösterreichischen Anzeigenabgabegesetzes der Anwendungsvorrang des EG-Rechts nicht entgegenstehe und habe diese Rechtsvorschrift als verfassungswidrig aufgehoben. Die aufgehobene Bestimmung sei jedoch nach Art. 140 Abs. 7 B-VG auf alle vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme der Anlassfälle weiterhin anzuwenden.
Die am beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde bilde im Sinne der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes keinen Anlassfall für das mit dem bereits am gefällten Erkenntnis G 322, 323/97 abgeschlossenen Normprüfungsverfahren. Im Hinblick auf die Unangreifbarkeit der aufgehobenen Bestimmung habe die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
1.3. Die beschwerdeführende Partei bekämpft den Bescheid der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgerichtshof in ihrer - ergänzten - Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; sie erachtet sich in ihrem Recht auf "Anzeigen"abgabefreiheit, in eventu im Recht, dass die Abgabe nur von einer Bemessungsgrundlage ermittelt werde, die dem örtlichen Reklamewert (im maßgeblichen räumlichen Gebiet) entspreche, verletzt.
1.4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
2.1. Soweit die vorliegende Beschwerde als unbegründet abgewiesen wird (also hinsichtlich des Abspruches über die Rückzahlungsanträge Oktober und November 1997 und die damit verbundenen Begehren jeweils vom auf abgabenbehördliche Abgabenfestsetzung mit Null), gleicht der Beschwerdefall denjenigen Fällen, die mit hg. Erkenntnis vom , Zlen. 98/17/0046, 99/17/0139, entschieden wurden. Auf dieses Erkenntnis kann daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG insbesondere hinsichtlich der Fragen des anzuwendenden Rechts, der Behördenzuständigkeit und des geltend gemachten Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht (Art. 33 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie), verwiesen werden.
2.2. Hinsichtlich des Ausspruches über den Rückzahlungsantrag und das damit verbundene Begehren vom auf abgabenbehördliche Abgabenfestsetzung mit Null betreffend Dezember 1997 ist - wovon die belangte Behörde selbst ausgeht - festzuhalten, dass die Aufhebung des § 2a des Niederösterreichischen Anzeigenabgabegesetzes, LGBl. 3705-2, durch den Verfassungsgerichtshof im erwähnten Erkenntnis vom , G 322, 323/97, Slg. Nr. 14.951, am im Landesgesetzblatt kundgemacht wurde (LGBl. 3705-3). Daraus ergibt sich, dass § 2a leg. cit. für einen Teil des Monates Dezember 1997 nicht mehr anwendbar war, eine Rundfunk-Werbeabgabe im Sinne der genannten Bestimmung daher nicht mehr eingehoben werden durfte.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid (insoweit) mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes; der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG (insoweit) aufzuheben.
Angemerkt sei noch, dass nach den im Akt erliegenden Unterlagen die beschwerdeführende Partei ihrer Selbstbemessung für den Monat Dezember 1997 Werbeerträge zu Grunde legte, die in den Zeitraum nach Kundmachung der Aufhebung des § 2a Niederösterreichischen Anzeigenabgabegesetzes fielen.
2.3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
2.4. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am