VwGH vom 28.06.1995, 94/16/0234

VwGH vom 28.06.1995, 94/16/0234

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der Z KG in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ GA 9-384/91, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft schloß am insbesondere mit der W. GmbH & Co KG, der

D. GmbH, der P. GmbH Nfg KG und einer natürlichen Person eine Reihe von Vereinbarungen mit überwiegend gesellschaftsrechtlichem Inhalt ab. Punkt 1 Abs. 2 einer als "Rahmenvereinbarung" bezeichneten Urkunde lautet:

"W. gewährt mit Valuta der Z. GmbH & Co (= Beschwerdeführerin) und der P. KG ein Darlehen in der Höhe von öS 1.541,000.000,-- (Schilling eine Milliarde fünfhunderteinundvierzig Millionen). Das Darlehen kann nur zur Begleichung des F. zustehenden Abfindungsguthabens Verwendung finden."

Punkt 12.7. der "Rahmenvereinbarung" lautet:

"Durch die Abwicklung des Austritts bzw. Eintritts von Gesellschaftern in die P. KG und Z. (= Beschwerdeführerin) werden Gebühren von voraussichtlich 2,8 % entstehen. Diesen Aufwand trägt, soweit dieser auf die Kreditgewährung und Garantieleistung in Verbindung mit einem Kredit anläßlich der Abschichtung von F. entsteht (0,8 % aus öS 2,2 Mrd.), der Kreditnehmer. Die Gebühr anläßlich der Überführung des von W. an die Unternehmensgruppe gewährten Kredites in eine Beteiligung samt Agio (2 % aus öS 1,5 Mrd.) trägt W. selbst."

Mit dem gleichzeitig abgeschlossenen "Vertrag über den Eintritt eines Kommanditisten" (auch als "Privaturkunde b" bezeichnet) trat W. in die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft ein. Punkt 4 dieses Vertrages lautet:

"Der Eintritt der W. in die Z. KG erfolgt mit und steht unter der aufschiebenden Bedingung, daß F. als Gesellschafter aus der KG ausgeschieden ist."

In Punkt 6.1. wird die Kommanditeinlage der W. angeführt.

Punkt 6.2. lautet:

"Die unter Punkt 6.1. genannten Beträge werden durch Umbuchung der an die Z. KG von W. vor ihrem Eintritt gewährten Darlehen aufgebracht."

Das Finanzamt wertete das unter Punkt 1 Abs. 2 der "Rahmenvereinbarung" enthaltene Rechtsgeschäft als Kreditvertrag und erließ einen Bescheid über eine Rechtsgebühr in Höhe von S 12,328.000,--

In der gegen den Gebührenbescheid erhobenen Berufung wurde zur Begründung auf ein angeschlossenes Rechtsgutachten von Univ.Prof.Dr.F. verwiesen. In diesem Gutachten wurde mit ausführlicher Begründung zusammengefaßt die Ansicht vertreten, die Parteien hätten in Punkt 1 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung eine Vorauszahlung der W. auf ihre später fällig werdenden Schulden gegenüber den dort genannten Gesellschaften vereinbaren wollen. Das hier verwendete Wort "Darlehen" sei eine Falschbezeichnung, während die in Punkt 12.7. der Rahmenvereinbarung verwendeten Begriffe "Kredit" und "Kredit gewähren" durchaus auch bei einer Vorauszahlung guten Sinn behielten. Sowohl die Annahme eines Darlehens als auch eines Kreditvertrages seien ausgeschlossen, weil der vorliegende Vertrag weder eine Rückzahlung noch eine Aufrechnung mit Gegenforderungen vorsehe.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Mit der gegenständlichen Vereinbarung habe die W. die Verfügung über einen bestimmten Geldbetrag eingeräumt, wodurch der Tatbestand des § 33 TP 19 Abs. 1 GebG erfüllt sei. Dabei sei es ohne Belang, daß keine Zinsenvereinbarung geschlossen wurde, da eine solche Vereinbarung nicht wesentlich für die Beurteilung eines Rechtsgeschäftes als Kreditvertrag sei. Die auf Grund der kreditierten Geldsumme entstandene Forderung der W. sollte gemäß Punkt 6 der "Urkunde b)" nach Wirksamwerden des Eintritts der W. als Kommanditist durch Umbuchung als Zahlung der Einlage verwendet werden. Darin sei eine Rückzahlung brevi manu gelegen. Die Vereinbarung sei von dem Willen getragen gewesen, der Beschwerdeführerin den Betrag nur zur Auszahlung des Guthabens des F. zur Verfügung zu stellen und die dadurch entstandene Forderung nachträglich als Einlagenzahlung zu verrechnen. Damit sei die Kreditfunktion im Vordergrund gestanden.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift sowie die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Die Beschwerdeführerin erstattete eine Stellungnahme zur Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 GebG unterliegen der Gebühr von der vereinbarten Kreditsumme Kreditverträge, mit welchen den Kreditnehmern die Verfügung über einen bestimmten Geldbetrag eingeräumt wird.

Bei einem Kreditvertrag handelt es sich um einen den Vertragstypen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches nicht zuzuordnenden Vertrag sui generis. Nach der Begriffsbestimmung des § 33 TP 19 Abs. 1 GebG ist unter einem Kreditvertrag im Sinne dieser Gesetzesstelle ein Rechtsgeschäft zu verstehen, mit welchem dem Kreditnehmer die Verfügung über einen bestimmten Geldbetrag eingeräumt wird (vgl. das Erkenntnis vom , 81/15/0005-0009, Slg. 5590/F). Auf die für das Rechtsgeschäft dabei im einzelnen gewählte Bezeichnung kommt es dabei nicht an; ob die angeführten Tatbestandsmerkmale gegeben sind, ist vielmehr aus dem Urkundeninhalt (vgl. § 17 Abs. 1 GebG) zu erschließen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 90/15/0142).

Die in Rede stehende Vereinbarung in Punkt 1 Abs. 2 der "Rahmenvereinbarung" vom erschöpft sich darin, daß der Beschwerdeführerin mit Wirkung vom ein "Darlehen" in der Höhe von S 1.541,000.000,-- eingeräumt wird. Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen zutreffend davon aus, daß es sich dabei im Hinblick auf den Charakter des Darlehensvertrages als eines Realkontraktes nicht um die Beurkundung eines Darlehensvertrages handelt. Vielmehr wurde mit der in Rede stehenden Urkundenstelle die Verfügung über diesen Betrag eingeräumt, womit aber bereits der Tatbestand nach § 33 TP 19 Abs. 1 GebG erfüllt ist. Damit stimmen auch die weiteren Bestimmungen des abgeschlossenen Vertragswerkes - insbesondere des Punktes 12.7. des Rahmenvertrages und des Punktes 6 des Vertrages über den Eintritt der W. als Kommanditist in die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft - überein.

Wenn dazu in der Beschwerde die Auffassung vertreten wird, das beschwerdegegenständliche Rechtsgeschäft sei deswegen, weil es "mangels Zuzählung" nicht als Darlehensvertrag anzusehen ist, in einen Darlehensvorvertrag "umzudeuten", so ist dem entgegenzuhalten, daß wesentliches Merkmal eines Vorvertrages der korrespondierende Wille der Parteien ist, nicht schon den Hauptvertrag abzuschließen, sondern seinen Abschluß erst zu vereinbaren; bei einem Vorvertrag wird also die Begründung der endgültigen Verpflichtungen noch hinausgeschoben (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 90/15/0129). Demgegenüber wurde im Punkt 1 Abs. 2 der "Rahmenvereinbarung" die Verfügungsmacht über den Geldbetrag bereits endgültig eingeräumt, ohne daß es dazu einer weiteren Abrede bedurfte. Von einem bloßen Vorvertrag kann daher keine Rede sein.

Es trifft zwar zu, daß nicht jeder Vorgang, der nach seinem wirtschaftlichen Gehalt eine Kreditierung darstellt, auf einem Kreditvertrag beruht, wie dies etwa bei der Stundung eines Kaufpreises der Fall ist. Stellt sich aber die Einräumung der Verfügungsgewalt über einen bestimmten Geldbetrag nicht als Nebenabrede zu einem Hauptvertrag wie etwa zu einem Kaufvertrag dar, ist vielmehr ohne ursächlichen Zusammenhang mit einem anderen Rechtsgeschäft die Krediteinräumung selbst das Hauptgeschäft, dann ist die Vereinbarung - wie im Beschwerdefall - unter dem Gesichtspunkt des § 33 TP 19 GebG zu beurteilen.

Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin kann der in Rede stehende Betrag somit auch nicht als Vorschuß auf die Kommanditeinlage der W. betrachtet werden. Unter solchen Vorschüssen werden Beträge verstanden, die jemandem vorausbezahlt werden, obgleich er erst später Anspruch darauf hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 92/13/0286). Nach dem für die Gebührenfestsetzung maßgeblichen Urkundeninhalt lag der Verfügung über den Geldbetrag von öS 1.541,000.000,-- nicht die unter einer aufschiebenden Bedingung vereinbarte Kommanditeinlage zugrunde. Daß es sich bei dem beurkundeten Willen der Vertragsparteien bei der Kreditgewährung einerseits und der - der Gesellschaftsteuer unterliegenden - Leistung der Kommanditeinlage andererseits um verschiedene Rechtsgeschäfte handelte, ist insbesondere aus Punkt 6.2. des Gesellschaftsvertrages ersichtlich, wonach die Kommanditeinlage durch Umbuchung der von W. VOR IHREM EINTRITT gewährten Darlehen aufgebracht wurden. Dabei kam es für die Beurteilung der in der Punkt 1 Abs. 2 der "Rahmenvereinbarung" getroffenen Abrede nicht auf die wirtschaftlichen Zusammenhänge, sondern im Sinne des § 17 Abs. 1 GebG allein auf den Inhalt der Urkunden an.

Die gesonderte Beurkundung der Rückzahlungsverpflichtung der in Rede stehenden Kreditsumme war im Hinblick auf die zuletzt genannte Vereinbarung über die Aufbringung der Kommanditeinlage durch die "Umbuchung" des "Darlehens" entbehrlich. Der Umstand, daß in der Rahmenvereinbarung selbst die Rückzahlungsverpflichtung nicht beurkundet wurde, steht der Gebührenpflicht der Vereinbarung, die sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 33 TP 19 Abs. 1 GebG erfüllt, nicht entgegen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.