VwGH vom 31.05.1995, 94/16/0230
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der K in S, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom , Zl. 6-1a/W 3/1/1992/Bi, betreffend Finanzvergehen der Bestimmung zur Verletzung der Verschlußsicherheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Gegen die Beschwerdeführerin wurde am das Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes eingeleitet, sie habe am beim Zollamt N. als Zolldeklarantin der Spedition H. den Kraftfahrer Walfried H. angewiesen, zwei anläßlich der Vorabfertigung in der Ausfuhr (§ 63 Abs. 4 ZollG 1988) vom Zollamt Linz an einem Lastkraftwagen und dessen Anhänger angelegte Raumverschlüsse abzulösen.
In der Beschwerde gegen den Einleitungsbescheid gab die Beschwerdeführerin an, es sei aus den von Walfried H. vorgelegten Verzollungspapieren nicht hervorgegangen, ob in den zur Ausfuhr nach Deutschland vorgesehenen Lampen auch Leuchtmittel - die der Leuchtmittelsteuer in der Bundesrepublik Deutschland unterlägen - enthalten seien. Sie habe daraufhin bei der deutschen Zollbehörde angefragt, ob die angelegten Verschlüsse abgenommen werden könnten. Dabei sei ihr mitgeteilt worden, daß diesen Verschlüssen in Deutschland keine Bedeutung zukomme. Sodann habe sie dem Fahrer den Auftrag erteilt, er solle die Verschlüsse nach Erledigung der österreichischen Ausfuhr abnehmen.
Nach Abweisung dieser Administrativbeschwerde gab der Kraftfahrer Walfried H. am als Beschuldigter an, die Beschwerdeführerin habe ihn anläßlich der Abfertigung beauftragt, ihr von den mitgeführten Neonröhren ein Muster beizuschaffen. Auf seinen Hinweis über die Sicherung des Fahrzeuges mit Zollverschlüssen habe ihm die Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß die Zollverschlüsse keine Bedeutung hätten. Er habe daraufhin die Zollverschlüsse entfernt und eine Neonröhre entnommen. Nach Entdeckung der Verletzung der Zollverschlüsse durch die österreichischen Zollorgane habe die Beschwerdeführerin bestätigt, daß sie Walfried H. beauftragt hatte, die Zollverschlüsse abzunehmen. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe ihn beauftragt, die Zollverschlüsse erst nach Beendigung der österreichischen Ausfuhrabfertigung abzunehmen, sei unrichtig.
Am gab die Beschwerdeführerin als Beschuldigte an, sie habe am den Kraftfahrer Walfried H. angewiesen, eine Leuchtstoffröhre in das Speditionsbüro zu bringen. Sie habe gewußt, daß sich an dem Fahrzeug Zollverschlüsse befunden hätten. Nach Vorhalt der Aussage des Walfried H. gab die Beschwerdeführerin an, sie habe diesen beauftragt, zuerst die österreichische Ausfuhrabfertigung zu erledigen und sodann mit einer Röhre ins Büro zu kommen.
Die Finanzstrafbehörde erster Instanz erließ am eine Strafverfügung, in der der Beschwerdeführerin die Begehung des Finanzvergehens nach §§ 11, 48 Abs. 1 lit. a FinStrG zur Last gelegt wurde.
Im Einspruch gegen diese Strafverfügung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe dem Kraftfahrer Walfried H. keine Anordnung erteilt, die Verschlüsse vor der Ausfuhr abzunehmen. Die Beschwerdeführerin sei vielmehr der Meinung gewesen, daß die Ausfuhr bereits erfolgt sei.
In der von der Finanzstrafbehörde erster Instanz am durchgeführten mündlichen Verhandlung gab die Beschwerdeführerin an, der Kraftfahrer Walfried H. sei am Tag des Vorfalls zu ihr gekommen und habe gefragt, ob die Papiere bereits fertig seien. Sie habe ihm erwidert, daß es bei den Röhren noch Probleme mit der deutschen Leuchtmittelsteuer gebe. Sie habe ihm gesagt, er solle zunächst alles in Österreich erledigen und dann eine Röhre als Muster bringen.
In der am fortgesetzten mündlichen Verhandlung gab der Zollwachebeamte Josef W. als Zeuge an, Walfried H. habe ihm am Ausfuhrschalter die Versandscheine vorgelegt. Die Frage, ob die Zollplomben noch am Wagen seien, habe dieser verneint. Walfried H. habe ihm erklärt, er sei von der Beschwerdeführerin angewiesen worden, die Zollplomben abzunehmen, da sie eine Lampe aus der Warensendung als Muster benötige. Der Sachverhalt sei in der Folge von der Beschwerdeführerin bestätigt worden. Diese habe geäußert, daß sie in der Abnahme der Zollplomben keine Probleme sehe; die Abnahme der Plomben betreffe nicht das österreichische Zollamt.
In der neuerlich fortgesetzten mündlichen Verhandlung vom verwies Walfried H. als Zeuge auf seine Aussagen als Beschuldigter. Er gab an, er habe am der Beschwerdeführerin im Speditionsgebäude sämtliche Papiere übergeben. Er habe deswegen alle Papiere übergeben, weil er sich bei den Formalitäten nicht auskenne. Er sei der Meinung gewesen, daß der Speditionsangestellte sich ohnedies die richtigen Papiere heraussuche. Er sei damals erst ein halbes Jahr im grenzüberschreitenden Verkehr tätig gewesen. Nach Übergabe der Papiere habe er zunächst das Speditionsgebäude verlassen. Nach einiger Zeit habe er nachgesehen, ob die Papiere bereits fertig seien. Die Beschwerdeführerin habe ihm mitgeteilt, daß sie eine Leuchtstoffröhre als Muster benötige, um diese richtig tarifieren zu können. Der Zeuge habe der Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß der Zollverschluß noch am Lastkraftwagen sei. Sie habe erklärt, er könne den Zollverschluß ohne weiteres abnehmen, da die Ware ohnedies verzollt werde. Auf entsprechenden Vorhalt gab der Zeuge an, die Beschwerdeführerin habe ihn nicht aufgefordert, zuerst die österreichische Ausfuhr vorzunehmen; sie habe nur gesagt, er könne die Zollverschlüsse abnehmen. Er habe sodann das Zollblei abgenommen und eine Leuchtstoffröhre entnommen, die er der Beschwerdeführerin überbracht habe. Bei der Abfertigung habe ihn der Zollbeamte befragt, ob die Verschlüsse noch in Ordnung seien. Als er in der Folge mit dem Zollbeamten zu der Beschwerdeführerin gegangen sei, habe dieser die Beschwerdeführerin gefragt, ob sie denn nicht wisse, daß man Zollverschlüsse nicht abnehmen darf. Diese habe erwidert, es sei ihr dies bekannt, sie habe aber die Neonröhre für die Verzollung benötigt. Auf Befragen durch den Verteidiger gab der Zeuge an, er habe sich von der Spedition immer die Papiere, welche er einerseits für die österreichische Ausfuhr und andererseits für die deutsche Einfuhr benötigte, aufteilen lassen. Als ihn die Beschwerdeführerin aufforderte, die Röhre zu holen, habe er ihr nichts davon gesagt, daß er die Ausfuhr noch nicht erledigt habe. Sie hätte dies aber wissen müssen, da er ihr alle Papiere übergeben hatte und noch nichts zurückbekommen hatte.
Mit Straferkenntnis vom wurde die Beschwerdeführerin des Finanzvergehens der Bestimmung zur Verletzung der Verschlußsicherheit im Sinne der §§ 11, 48 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe von S 10.000,-- verhängt. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens nahm die Finanzbehörde dabei als erwiesen an, daß die Beschwerdeführerin den Kraftfahrer beauftragt hatte, ein Warenmuster zu entnehmen, obwohl dieser sie darauf hingewiesen hatte, daß am Lastkraftwagen noch Raumverschlüsse angebracht sind.
In der Berufung gegen das Straferkenntnis wurde einerseits die Beweiswürdigung der Finanzstrafbehörde erster Instanz bekämpft. Andererseits wurde geltend gemacht, daß die Voraussetzungen für ein Absehen von der Strafe im Sinne des § 25 FinStrG gegeben seien. Die Verletzung der Verschlußsicherheit sei lediglich auf ein Mißverständnis zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kraftfahrer zurückzuführen. Die Beschwerdeführerin sei davon ausgegangen, daß der Kraftfahrer die Ausfuhr vor Abnahme der Zollverschlüsse erledigen werde. Das Finanzvergehen habe keine Folgen nach sich gezogen, weil es zufolge der vorgenommenen Beschau zu keiner Fehlmenge gekommen sei. Weiters wurde von der Beschwerdeführerin das Strafausmaß bekämpft.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung insoferne teilweise stattgegeben, als die Geldstrafe auf S 4.000,-- herabgesetzt wurde. Die belangte Behörde bestätigte dabei im wesentlichen die Beweiswürdigung der Finanzstrafbehörde erster Instanz und verwies dazu insbesondere auf die widerspruchsfreie Aussage des Walfried H. Einer Anwendung des § 25 FinStrG stand nach Auffassung der belangten Behörde entgegen, daß das Verschulden der Beschwerdeführerin nicht als geringfügig anzusehen war.
In der Beschwerde gegen diese Rechtsmittelentscheidung wird deren inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Anwendung des § 25 FinStrG verletzt.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift und die Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 48 Abs. 1 lit. a FinStrG macht sich der Verletzung der Verschlußsicherheit schuldig, wer vorsätzlich oder fahrlässig Verschlußmittel oder Nämlichkeitszeichen, die in einem Abgaben- oder Monopolverfahren oder in einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren angelegt oder anerkannt wurden, beschädigt, ablöst oder unwirksam macht.
Nach § 25 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde von der Einleitung oder von der weiteren Durchführung eines Finanzstrafverfahrens und von der Verhängung einer Strafe abzusehen, wenn das Verschulden des Täters geringfügig ist und die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.
Die Strafbestimmung des § 48 Abs. 1 (lit. a) FinStrG dient insbesondere der Verhinderung von Manipulationen im Zollverfahren, wodurch Waren im gebundenen Verkehr unter Verletzung von Verschlüssen entnommen oder ausgetauscht werden. Im Hinblick auf die dabei auftretenden Beweisschwierigkeiten ist im Vorfeld von Verkürzungsdelikten bereits die Verletzung der Verschlußsicherheit als Gefährdungsdelikt unter Strafdrohung gestellt. Die Strafdrohung ist nicht vom Nachweis eines Schmuggels oder einer Verkürzung von Eingangsabgaben abhängig (vgl. die Erläuternden Bemerkungen zur FinStrG-Novelle 1975, 1130 Blg. NR XIII. GP.).
Wie von der Beschwerdeführerin hinsichtlich der von ihr allein relevierten Frage der Voraussetzungen des § 25 FinStrG zwar zutreffend ausgeführt wird, kann ein geringfügiges Verschulden auch bei vorsätzlichem Handeln des Beschuldigten vorliegen; dies trifft entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin allerdings nur dann zu, wenn besondere Umstände bei der Begehung der Tat diesen Schluß rechtfertigen, wie z.B. verminderte Zurechnungsfähigkeit, Unbesonnenheit, drückende Notlage usw. (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 92/13/0218).
Derartige Umstände wurden von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht. Der Einwand, es sei lediglich ein Mißverständnis zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kraftfahrer H. vorgelegen, richtet sich in Wahrheit gegen die Annahme von Vorsatz; die Beurteilung der subjektiven Tatseite durch die belangte Behörde ist aber nach dem eindeutigen Inhalt der Beschwerdeschrift nicht vom Beschwerdepunkt umfaßt. Zur Klarstellung ist dabei darauf hinzuweisen, daß die Verantwortung der Beschwerdeführerin, sie habe H. den Auftrag erteilt, zunächst die Ausfuhrabfertigung vorzunehmen und sodann den Raumverschluß abzunehmen, schon dadurch widerlegt erscheint, daß sie dem in Zollabfertigungen unerfahrenen Kraftfahrer H. die entsprechenden Anmeldungen - getrennt nach Ausfuhr und anschließender Einfuhr in die Bundesrepublik Deutschland - noch nicht ausgehändigt hatte.
Die Frage, ob die Beschwerdeführerin damit rechnen mußte, daß die Verletzung der Verschlußsicherheit leicht entdeckt werden konnte, läßt schließlich keine unmittelbaren Rückschlüsse auf eine Geringfügigkeit des ihr anzulastenden Verschuldens zu.
Die belangte Behörde hat somit eine Geringfügigkeit des Verschuldens zu Recht verneint. Sie war daher nicht gehalten, sich mit der auch in der Beschwerdeschrift aufgeworfenen Frage nach den Folgen des Finanzvergehens auseinanderzusetzen. Der Vollständigkeit halber ist aber darauf hinzuweisen, daß es für die Erfüllung des Tatbestandes nach § 48 Abs. 1 FinStrG auf eine Abgabenverkürzung nicht ankommt. Dadurch, daß im Beschwerdefall eine Abgabenverkürzung nicht eingetreten ist, lag die zweite der Voraussetzungen für ein Absehen von der Strafe entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nicht von vornherein vor; vielmehr ist bei diesem Gefährdungsdelikt eine Abgabenverkürzung eben nicht Folge des Delikts. Der mangelnde Eintritt einer Abgabenverkürzung entzieht sich damit aber einer Wertung im Sinne der Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 FinStrG.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.