VwGH vom 15.09.1997, 97/10/0113
Betreff
Der Verwaltungsgerichthof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde des H in Weiler, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom , Zl. Va-421-1/1997, betreffend Vollstreckung eines Wiederbewaldungsauftrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch (BH) vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 172 Abs. 6 des Forstgesetzes 1975 (ForstG) aufgetragen, einen näher bezeichneten Teil des Grundstückes Nr. 916 der KG Röthis bis spätestens mit 270 Stück Lärche (Europäische Lärche, lax decidua) in einem Pflanzverband von ca. 1,5 x 1,5 m wieder aufzuforsten und die Kultur solange nachzubessern, bis sie gesichert ist.
Der Beschwerdeführer berief.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg (LH) vom wurde die Berufung abgewiesen. Die Leistungsfrist wurde neu mit bestimmt.
Eine gegen diesen Bescheid des LH erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wurde mit Erkenntnis vom , 91/10/0190, als unbegründet abgewiesen.
Da der Beschwerdeführer dem Wiederbewaldungsauftrag nicht nachkam, drohte ihm die BH mit Schreiben vom unter Setzung einer Frist zur Durchführung des Wiederbewaldungsauftrages bis die Ersatzvornahme an.
Mit Bescheid der BH vom wurde gemäß § 4 VVG die Ersatzvornahme angeordnet und dem Beschwerdeführer die Vorauszahlung der Kosten für diese Ersatzvornahme in Höhe von S 4.524,-- aufgetragen.
Der Beschwerdeführer berief.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer bringt vor, der angefochtene Bescheid sei aktenwidrig, wenn er von einer Leistungsfrist bis spreche, da es eine solche nie gegeben habe. Ebenso sei er aktenwidrig, weil er die Leistungsfrist bis unerwähnt lasse und weil er verschweige, daß die Beschwerde gegen den Wiederbewaldungsauftrag fünf Jahre mit aufschiebender Wirkung beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gewesen sei, wodurch bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes der Wiederbewaldungsauftrag nicht bestanden habe. Angesichts all dieser Umstände habe dem angefochtenen Bescheid im Jahre 1997 ein tauglicher Vollstreckungstitel gefehlt.
Die belangte Behörde übersehe, daß sich die Rechtslage u.a. durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union grundlegend geändert habe. Das Verhältnis der Gemeinschaftsfreiheiten zu den öffentlichen Interessen sei nach der Rechtsprechung des EuGH grundlegend neu zu beurteilen. Art. 222 EGV, wonach die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedsländern unberührt bleibe, könne nicht dahin ausgelegt werden, daß dem nationalen Gesetzgeber auf dem Gebiet des wirtschaftlichen Eigentums die Befugnis zukomme, Maßnahmen zu ergreifen, die gegen die Wirtschaftsfreiheiten verstießen. § 17 Abs. 2 ForstG, der nur auf öffentliche Interessen abstelle, sei vor dem Gemeinschaftsrecht nicht haltbar. Die Vollstreckung des "voreuropäischen" Bescheides vom sei infolge grundlegender Änderung des Ausgangssachverhaltes unzulässig. Es müsse vielmehr an Hand des Gemeinschaftsrechts geprüft werden, ob der Wiederbewaldungsauftrag (noch gemeinschaftsrechtlich) rechtmäßig und damit vollstreckungstauglich sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dürften Eigentumseingriffe nur vorgenommen werden, wenn sie verhältnismäßig und aus zwingenden öffentlichen Interessen ableitbar seien. Ein Gesetzestatbestand allein, der offenbar überdies gemeinschaftsrechtlich verdrängt sei, könne dieses zwingende öffentliche Interesse niemals begründen. Es werde daher auch angeregt, dem EuGH eine Reihe näher bezeichneter Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hatte der Umstand, daß seiner Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den im Instanzenzug ergangenen Wiederbewaldungsauftrag des LH die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde und dieser Bescheid daher während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht vollstreckt werden durfte, nicht zur Folge, daß dieser Bescheid des LH nach dem Abschluß des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht mehr als Titelbescheid für ein Vollstreckungsverfahren in Betracht kam. Mit dem Abschluß des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/10/0190, endete auch die aufschiebende Wirkung. Damit wurde der Wiederbewaldungsauftrag vollstreckungstauglich, da inzwischen auch die Leistungsfrist abgelaufen war. Die Vollstreckungsbehörde hatte dem Beschwerdeführer bei der Androhung der Ersatzvornahme eine (neuerliche) Leistungsfrist einzuräumen, was sie auch getan hat. Der angefochtenen Vollstreckungsverfügung fehlt es daher nicht an einem tauglichen Titelbescheid.
Nach der Erlassung des Titelbescheides ist keine Sachverhaltsänderung eingetreten, die die Vollstreckung unzulässig machen würde. Die vom Beschwerdeführer angeführte Bepflanzung des wiederaufzuforstenden Grundstücksteiles mit Weinreben stellt keine solche Sachverhaltsänderung dar.
Soweit der Beschwerdeführer eine Unzulässigkeit der Vollstreckung des Wiederbewaldungsauftrages auf Grund des Europäischen Gemeinschaftsrechts behauptet, läßt sein Vorbringen eine Bezugnahme auf konkrete Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts vermissen, sieht man von Art. 222 EGV ab, wonach der EGV die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt läßt. Daß aus dieser Bestimmung eine Unzulässigkeit der Vollstreckung abzuleiten sei, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht. Sollten mit der Bezugnahme auf die "Gemeinschaftsfreiheiten" und "Wirtschaftsfreiheiten" die Grundfreiheiten des EGV (Dienstleistungsfreiheit, Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Kapitalverkehrsfreiheit, Niederlassungsfreiheit und Warenverkehrsfreiheit) gemeint sein, dann ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß diese im Beschwerdefall schon deswegen keine Rolle spielen, weil kein Sachverhalt mit einem grenzüberschreitenden Bezug vorliegt. Es besteht daher auch keine Veranlassung zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens (vgl. das Urteil des EUGH vom , Rs. C-134/95 = EuZW 13/1997, 403 f).
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994.
Fundstelle(n):
CAAAE-63161