VwGH vom 19.12.2002, 99/16/0535
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des I in H, vertreten durch Dr. Georg Kahlig & Mag. Gerhard Stauder, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Siebensterngasse 42, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. ZRV/6-13/95, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am die Ausstellung eines Vormerkscheines zur vorübergehenden Einbringung eines PKW Toyota in das österreichische Zollgebiet. Bei der an diesem Tag durchgeführten Vernehmung gab er an, dass der Zweck des vorübergehenden Aufenthaltes in Österreich der Versuch sei, geschäftliche Verbindungen herzustellen. Sein Einkommen erziele er aus der Berufstätigkeit in Russland. Er wolle das Fahrzeug vorübergehend in Österreich benutzen und anschließend nach Russland ausführen. Er verpflichtete sich, jede Änderung der persönlichen Verhältnisse, z.B. Wohnsitzänderung, unverzüglich dem Zollamt unter Stellung des Fahrzeuges bekannt zu geben. Als gewöhnlichen Wohnsitz gab er eine Adresse in Moskau an; weiters gab er die derzeitige Anschrift in 1030 Wien an. Seine Gattin befände sich derzeit ebenfalls in Wien, würde aber in wenigen Tagen wieder nach Moskau reisen; zwei Kinder befänden sich in Moskau.
Nach Erlag einer Sicherheitsleistung in der Höhe von ATS 5.000,-- wurde am der Vormerkschein ausgestellt.
Die Frau des Beschwerdeführers, O., gab bei einer Vernehmung als Verdächtige in einem Finanzstrafverfahren am an, dass sie seit ca. einem Jahr gemeinsam mit ihrem Gatten in Wien wohnhaft sei, aber auch einen komplett eingerichteten Wohnsitz in Moskau habe. Sie und ihr Mann würden einmal im Monat nach Moskau fahren, wo sie ca. eine Woche verweile. Seit hätte sie ihre zwei Kinder nach Wien mitgenommen und seien die Kinder seit damals hier aufhältig. In Moskau gehörten ihrem Ehemann mehrere Unternehmen, er sei aber auch an der Firma R GesmbH in Wien I beteiligt.
Mit Kaufvertrag vom kaufte der Beschwerdeführer eine Liegenschaft in Hagenbrunn, auf der sich ein Einfamilienhaus befindet. Seit ist er dort gemeldet.
Mit Bescheid vom wurde der dem Beschwerdeführer am erteilte Vormerkschein für den gegenständlichen PKW gemäß § 80 ZollG 1988 (ZollG) wegen vorschriftswidriger Verwendung über die im § 93 Abs. 10 zweiter Satz ZollG normierte zweimonatige Frist hinaus von Amts wegen abgerechnet. Unter Abzug der geleisteten Sicherheit wurden Zoll, Einfuhrumsatzsteuer, Stundungszinsen und Säumniszuschlag vorgeschrieben.
In der Begründung führte das Zollamt Wien aus, dass anlässlich der Abfertigung zum Eingangsvormerkverkehr die Rückbringungsfrist mit einem Jahr festgesetzt worden sei. Es sei jedoch ermittelt worden, dass der Beschwerdeführer am den gewöhnlichen Wohnsitz im Zollgebiet begründet habe und gemäß § 93 Abs. 10 zweiter Satz ZollG den gegenständlichen PKW innerhalb von zwei Monaten dem Zollamt hätte stellen müssen. Da er diese Stellung unterlassen habe und das Fahrzeug über die zweimonatige Frist hinaus im Zollgebiet benützt habe, sei die durch die Vormerkscheinabfertigung bedingt entstandene Zollschuld unbedingt und in der genannten Höhe fällig geworden. Durch die Begründung des gewöhnlichen Wohnsitzes im Zollgebiet sei die Begünstigung, ein Beförderungsmittel im Vormerkverfahren benützen zu können, weggefallen.
In seiner dagegen erstatteten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, sein gewöhnlicher Wohnsitz befinde sich nach wie vor in Moskau. Er sei in Moskau Eigentümer einer großen Handelsfirma und mehrerer Banken. Er halte sich beinahe ständig in Russland auf. Dort tätige er Geschäftsreisen, um für den Absatz von Waren, die aus Westeuropa über Österreich nach Russland exportiert würden, Sorge zu tragen. Die kurzen Aufenthalte in Österreich nutze er dazu, geschäftliche Kontakte herzustellen und Geschäfte anzubahnen. Weiters besuche er seine Familie, der er auf Grund der unsicheren Verhältnisse in Russland geraten habe, sich vorübergehend in Österreich aufzuhalten. Die Wohnung in Moskau sei voll eingerichtet und stelle den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse dar.
Diese Berufung wurde vom Hauptzollamt Wien mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde insbesondere auf die Aussage der O. vom verwiesen, wonach diese mit dem Beschwerdeführer seit einem Jahr in Wien wohnhaft sei und seit auch die beiden Kinder in Wien lebten. Seit diesem Datum bestimmten die familiären Bindungen, die zur Annahme des gewöhnlichen Wohnsitzes in Wien führten.
Im Vorlageantrag bestritt der Beschwerdeführer, dass er regelmäßig zum Familienwohnsitz zurückkehren würde. Er halte sich fast ausschließlich in Moskau auf und komme äußerst selten, in unregelmäßigen Abständen nach Österreich.
Im Zuge des Berufungsverfahrens legte der Beschwerdeführer eine eidesstättige Erklärung des P., Mitgesellschafter der R GesmbH in Wien vom , vor. Dieser gab darin an, im Jahre 1993 hätte sich der Beschwerdeführer ca. einmal in 1 bis 2 Monaten, jeweils für 2 bis 3 Tage in Wien aufgehalten. Zu dieser Zeit seien geschäftliche Besprechungen mit Geschäftspartnern durchgeführt worden, auch habe er seine Ehegattin abgeholt, welche mit ihm öfters für ein paar Tage nach Moskau geflogen sei und sodann allein zurückgekehrt sei.
Aus der weiters vorgelegten eidesstättigen Erklärung der O. vom ergibt sich, ihr Ehegatte habe entschieden, dass auf Grund der hohen Kriminalität in Moskau und der an der Tagesordnung stehenden Überfälle auf wohlhabende Personen sie und ihre Kinder nach Österreich zu übersiedeln hätten. Im Jahr 1993 sei der Beschwerdeführer gewöhnlich einmal im Monat für 2 Tage nach Wien gekommen, um mit seinen Geschäftspartnern Kontakt zu pflegen. Darauf sei sie mit ihm regelmäßig nach Moskau geflogen, wo sie ein paar Tage mit ihren Verwandten verbrachte. Schließlich sei sie wieder allein nach Wien zurückgekehrt. Die Moskauer Wohnung sei voll eingerichtet und stelle den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Beschwerdeführers dar. Zwischen März und September 1994 sei der Beschwerdeführer kein einziges Mal nach Österreich gekommen.
Von der belangten Behörde wurde Mag. C., vom September 1993 bis 1996 Angestellte der R GesmbH, einvernommen. Sie gab an, der Beschwerdeführer als Geschäftsführer als Gesellschafter der R GesmbH sei nur sporadisch im Büro anwesend gewesen; praktisch habe P. die Gesellschaft geleitet. Der Beschwerdeführer sei einbis zweimal pro Monat nach Österreich gekommen. O. sei sehr oft nach Moskau geflogen. Die Familie des Beschwerdeführers lebe nach wie vor in Hagenbrunn, wobei der Beschwerdeführer allerdings derzeit seltener als früher nach Österreich zu Besuch komme.
Der vom Beschwerdeführer weiters namhaft gemachte Angestellte der R GesmbH, S., gab bei seiner Vernehmung an, während seiner Tätigkeit für die R. zwischen 1992 und 1995 habe er den Beschwerdeführer vielleicht 10 bis 15 Mal im Büro gesehen. Der Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers sei aber jedenfalls in Moskau gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie ging davon aus, dass der Beschwerdeführer sowohl in Moskau als auch in Wien einen Wohnsitz im Sinne des § 26 BAO habe. Abgesehen vom jedenfalls bestehenden Familienwohnsitz in Österreich stellte die belangte Behörde auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens fest, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1993 monatlich einmal an den Wohnsitz seiner Familie zurückgekehrt sei. Ob er zwischen März und September 1994 in Österreich gewesen sei oder nicht, sei unerheblich, weil es um die Rechtmäßigkeit der ab unzulässigen Benützung des PKW gehe. Wenn der Beschwerdeführer am seinen gewöhnlichen Wohnsitz in Wien begründet und in der Folge durch regelmäßige Rückkehr beibehalten habe, hätte er innerhalb von zwei Monaten danach das Fahrzeug stellen müssen und nach Ablauf dieser Frist nicht mehr benützen dürfen. Die anlässlich der Einbringung des Fahrzeuges bedingt entstandene Zollschuld sei unbedingt geworden.
In seiner dagegen erhobenen Beschwerde begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 1 lit. b Z 4 ZollG 1988 (in der seit geltenden Fassung; im Folgenden: ZollG) war der Eingangsvormerkverkehr auch zulässig für Beförderungsmittel nach Maßgabe der §§ 93 und 95. Gemäß § 93 Abs. 2 lit. a Z. 1 ZollG war die Eingangsvormerkbehandlung von ausländischen unverzollten Beförderungsmitteln zum eigenen Gebrauch zulässig, wenn der Halter und der Benützer des Beförderungsmittels seinen gewöhnlichen Wohnsitz oder seinen Sitz im Zollausland hatte.
Diese Eingangsvormerkbehandlung hat der Beschwerdeführer in Anspruch genommen, es wurde ihm ein Vormerkschein im Sinne des § 73 Abs. 5 ZollG erteilt, nachdem er die Sicherheitsleistung gemäß § 76 ZollG erlegt hatte. Nach Auffassung der Verwaltungsbehörden wurde die Eingangsvormerkbehandlung allerdings in der Folge unzulässig, weil der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Wohnsitz im Zollgebiet begründete.
Die diesbezügliche Bestimmung des § 93 Abs. 10 ZollG lautet:
"10) Die Überlassung eines vorgemerkten oder als vorgemerkt geltenden Beförderungsmittels an eine nicht begünstigte Person oder dessen Benützung durch eine solche Person ist nur zulässig, wenn das Beförderungsmittel vorher einem Zollamt zur Durchführung des entsprechenden Zollverfahrens gestellt wurde. Ist die weitere Benützung eines solchen Beförderungsmittels nur deshalb unzulässig geworden, weil der bisherige Benützer durch die Begründung eines gewöhnlichen Wohnsitzes im Zollgebiet nicht mehr zu den begünstigten Personen gehört, so genügt es, dass die Stellung spätestens innerhalb von zwei Monaten nach dem Wegfall der Voraussetzungen erfolgt. Ein als vorgemerkt geltendes Beförderungsmittel ist überdies dann zu stellen, wenn es über die vorgesehene Rückbringungsfrist hinaus im Zollgebiet verbleiben oder ein inländisches behördliches Kennzeichen erhalten soll."
Die Verwaltungsbehörden nahmen den Wegfall der Voraussetzung des gewöhnlichen Wohnsitzes im Zollausland deshalb an, weil am auch die Kinder des Beschwerdeführers nach Österreich übersiedelt sind. Dies bestreitet der Beschwerdeführer ebenso wenig wie den Umstand, dass er sich damals einmal pro Monat für zwei Tage in Wien aufgehalten hat, um seinen beruflichen Verpflichtungen nachzukommen und seine Familie zu besuchen. Er verweist aber auf den Umstand, dass auch seine Frau regelmäßig nach Moskau gereist sei, dass die Familie dort über eine voll eingerichtete Wohnung verfügt habe und dort ein gemeinsamer Haushalt geführt worden sei.
Der "gewöhnliche Wohnsitz" wird in § 93 Abs. 4 ZollG wie folgt definiert:
"4) Unter mehreren Wohnsitzen einer Person ist als gewöhnlicher Wohnsitz derjenige anzusehen, zu dem sie die stärksten persönlichen Beziehungen hat. Bei Personen, deren berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem ihrer familiären Bindungen liegen, gilt der Wohnsitz am Ort ihrer familiären Bindungen (Familienwohnsitz) als gewöhnlicher Wohnsitz, sofern sie regelmäßig und in kurzen Zeitabständen, im Allgemeinen wenigstens einmal im Monat, dorthin zurückkehren. Hat eine Person keinen Familienwohnsitz, so gilt als gewöhnlicher Wohnsitz derjenige, an dessen Ort sie während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr und demgemäß gewöhnlich wohnt. Der Aufenthalt zum Besuch einer Universität ..."
Der zweite Satz der zitierten Bestimmung stellt auf den so genannten Familienwohnsitz ab und nimmt eine Wertung dahingehend vor, dass dann, wenn Berufswohnsitz und Familienwohnsitz nicht am selben Ort bestehen, unter der Voraussetzung der regelmäßigen Rückkehr der Familienwohnsitz als gewöhnlicher Wohnsitz anzusehen ist.
Im vorliegenden Fall kann die Frage auf sich beruhen, ob der Beschwerdeführer mit seiner Frau auch in Moskau einen gemeinsamen Haushalt geführt hat, weil dann, wenn zu einer Familie auch Kinder gehören, der (gemeinsame) Familienwohnsitz nur dort bestehen kann, wo die Familie, also die Eltern mit den Kindern, den gemeinsamen Haushalt führen. Seit war dies in Wien der Fall; dass auch die Kinder immer wieder nach Moskau gereist wären, wurde nicht behauptet.
Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 97/16/0333, dartun will, dass es (gemeint wohl: allein) auf den Aufenthalt der Eheleute ankomme, ist ihm einerseits zu erwidern, dass jenem Erkenntnis ein Sachverhalt zugrundelag, der sich vor Inkrafttreten der ZollG-Novelle 1992 ereignet hatte, und dass andererseits jenem Fall ein Aufenthalt der Ehegatten am Berufswohnsitz nicht zu Grunde lag.
Da somit nur jener Wohnsitz, an dem sich die Ehefrau und die Kinder befinden, als gemeinsamer Familienwohnsitz anzusehen ist, waren weitere Feststellungen dahingehend, wie oft und für welche Zeiträume die Ehefrau des Beschwerdeführers nach Moskau gereist ist, nicht erforderlich. Auf Grund der Wertung des Gesetzes kommt es auf die Intensität der wirtschaftlichen Beziehung zu Moskau - abgesehen davon, dass eine solche Beziehung auch zu Wien besteht -
nicht an.
Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am
Fundstelle(n):
FAAAE-63079