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VwGH vom 11.07.2000, 99/16/0528

VwGH vom 11.07.2000, 99/16/0528

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der H in S, vertreten durch Mag. Günter Haslberger, Wirtschaftsprüfer in Grieskirchen, Lanzenberg 17, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. Gem-522447/3-1999-Keh/Pü, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung in einer Getränkesteuerangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Gemeinde St. Willibald, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom betreffend Festsetzung und Rückzahlung der Getränkesteuer fristgerecht Vorstellung und teilte mit, dass der Antrag und die Begründung nachgereicht würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unzulässig zurück. Dies mit der Begründung, eine gegen einen letztinstanzlichen Gemeindebescheid erhobene Vorstellung sei gemäß § 102 Abs. 2 der Oberösterreichischen Gemeindeordnung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides einzubringen und sie habe unter anderem einen begründeten Antrag zu enthalten. Dies bedeute, dass auch der begründete Antrag binnen zwei Wochen einzubringen sei. Im Beschwerdefall sei die Vorstellung zwar innerhalb der Vorstellungsfrist eingebracht worden, der begründete Antrag jedoch außerhalb der Vorstellungsfrist zur Post gegeben worden. Damit sei die Vorstellung unzulässig und zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtzurückweisung der Vorstellung verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 Oberösterreichische Landesabgabenordnung gilt dieses Landesgesetz in Angelegenheiten der nicht bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben des Landes und der Gemeinden, mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben in den Angelegenheiten der Landes- und Gemeindeverwaltung, wenn diese Abgaben und Beiträge von Organen des Landes, der Gemeindeverbände oder der Gemeinden zu verwalten sind.

Gemäß § 109 Abs. 1 Oberösterreichische Gemeindeordnung 1990 sind alle in Handhabung des Aufsichtsrechtes ergehenden Maßnahmen mit Ausnahme jener, die sich gegen Verordnungen der Gemeinde richten, durch Bescheid zu treffen. Soweit in diesem Gesetz (Oberösterreichische Gemeindeordnung 1990) nicht etwas besonderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG anzuwenden.

Auf das Verfahren vor den Gemeindeaufsichtsbehörden im Land Oberösterreich ist im Vorstellungsverfahren auch in Abgabenangelegenheiten das AVG anzuwenden, da § 109 Abs. 1 Oberösterreichische Gemeindeordnung auch die Angelegenheiten der Abgaben miteinschließt und somit im Sinne des Art. II Abs. 5 EGVG ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist (vgl. das zur Rechtslage im Burgenland ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/17/0248).

In ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/17/0096) wurde die Ansicht vertreten, dass im Vorstellungsverfahren nach der Oberösterreichischen Gemeindeordnung nicht die Oberösterreichische Landesabgabenordnung, sondern das AVG anzuwenden ist. Auch die Vorstellungsbehörde ist in den beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gemachten Verfahren stets von der Anwendung des AVG im Vorstellungsverfahren ausgegangen. Dies wurde vom Verwaltungsgerichtshof, abgesehen von einem eine Lustbarkeitsabgabe betreffenden Einzelfall, Zl. 97/15/0083, nicht als rechtswidrig erkannt. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht zu einer Verstärkung veranlasst und geht daher auch im Beschwerdefall - wie die belangte Behörde - davon aus, dass im Vorstellungsverfahren das AVG und nicht die Oberösterreichische Landesabgabenordnung anzuwenden war.

Die belangte Behörde vertritt in der Gegenschrift die Ansicht, bei verfassungskonformer Auslegung könne die in § 109 Abs. 1 letzter Satz Oberösterreichische Gemeindeordnung 1990 enthaltene Verweisung auf das AVG nicht als dynamische, sondern nur als statische Verweisung angesehen werden. Daraus folge, dass die durch die Novelle zum AVG, BGBl. I Nr. 158/1998, geschaffene Neuregelung (Pflicht zur Erteilung eines Verbesserungsauftrages bei Fehlen eines begründeten Antrags) im Vorstellungsverfahren nicht anzuwenden gewesen sei. Die Zurückweisung der Vorstellung sei daher zu Recht erfolgt, weil der begründete Antrag nicht innerhalb der Vorstellungsfrist nachgereicht worden sei.

Gemäß Art. II Abs. 1 EGVG regeln die Verwaltungsverfahrensgesetze das Verfahren der nachstehend bezeichneten Verwaltungsorgane, soweit sie behördliche Aufgaben besorgen und im Folgenden nicht anderes bestimmt ist.

Nach Art. II Abs. 2 Z. 1 EGVG sind von den Verwaltungsverfahrensgesetzen das AVG und das VStG - unbeschadet der lit. F - auf das behördliche Verfahren der Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern anzuwenden.

In den Angelegenheiten der Abgaben (mit Ausnahme der in § 78 AVG vorgesehenen Verwaltungsabgaben) des Bundes, der Länder und der Gemeinden, in den Angelegenheiten der Beiträge, die an sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts, an Anstalten oder Fonds des öffentlichen Rechts zu entrichten sind, soweit sie durch die Bundesfinanzverwaltung eingehoben werden, sowie in den Angelegenheiten des Familienlastenausgleichs, soweit es sich nicht um die Verfolgung und Ahndung von Verwaltungsübertretungen handelt, finden die Verwaltungsverfahrensgesetze gemäß Art. II Abs. 5 erster Satz EGVG keine Anwendung, es sei denn, dass ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.

Nach Art. II Abs. 5 EGVG ist eine Ausnahme für die Anwendung des AVG in Angelegenheiten der Gemeindeabgaben normiert. In diesen Fällen sind für die Erhebung solcher Abgaben die jeweiligen Abgabenordnungen der Länder anzuwenden. Dies aber nur dann, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.

Nach § 109 Abs. 1 Oberösterreichische Gemeindeordnung wird ausdrücklich für das Vorstellungsverfahren die Anwendung des AVG bestimmt; und zwar unterschiedslos, ob es sich um Abgaben- oder andere Angelegenheiten handelt. In den Angelegenheiten, in denen die Behörde der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern ohnehin das AVG anzuwenden hat, erscheint diese Doppelregelung entbehrlich. Es hätte nämlich genügt, wenn für das AVG nur in den Fällen die Anwendung bestimmt wird, in denen nicht schon auf Grund des Art. II Abs. 2 EGVG die Anwendung des AVG normiert ist. Dadurch, dass nach § 109 Abs. 1 Oberösterreichische Gemeindeordnung das AVG unterschiedslos im Vorstellungsverfahren Anwendung zu finden hat, wollte der Gesetzgeber offenkundig eine Gleichbehandlung bei den Verfahrensbestimmungen im Vorstellungsverfahren. Es kann dem Landesgesetzgeber nämlich nicht zugesonnen werden, dass er bei einer solchen Regelung, in Abgabensachen das AVG in der im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gemeindeordnung geltenden Fassung - wie dies die belangte Behörde vertritt - und in anderen Angelegenheiten in der letztgültigen Fassung angewendet wissen wollte. Eine solche unterschiedliche Rechtslage in den Verfahrensbestimmungen würde dem Ziel der Anwendung einheitlicher Verfahrensvorschriften zuwider laufen. Insbesondere würde dies für den Rechtsanwender zu unmutbaren Nachforschungen über die jeweils geltende Fassung in den Verfahrensbestimmungen, die sonst stets in der letztgültigen Fassung anzuwenden sind, führen. Die Bestimmung der Anwendung des AVG in der Oberösterreichischen Gemeindeordnung ohne weitere Differenzierung spricht für die Anwendung des AVG in einer einheitlichen Fassung in allen Vorstellungsverfahren.

Durch die Ausnahmeregelung des Art. II Abs. 5 EGVG in Abgabenangelegenheiten hat der Bundesgesetzgeber, der nach Art. 11 Abs. 2 B-VG die Kompetenz hat, das Verwaltungsverfahren einheitlich zu regeln, wenn ein solches Bedürfnis nach einheitlicher Regelung besteht, es unter anderem dem Landesgesetzgeber auch überlassen, ob die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern im Vorstellungsverfahren über die Angelegenheiten der Abgaben die Abgabenverfahrensgesetze oder durch eine ausdrückliche Regelung das AVG anzuwenden haben. Die Länder könnten abweichende Vorschriften nur erlassen, wenn solche zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind (vgl. Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht8, Rz 250). Von der Oberösterreichischen Landesregierung wurde keine gesonderte abweichende Vorschrift für das Vorstellungsverfahren in Abgabensachen erlassen.

Bei der Regelung des § 109 Abs. 1 Oberösterreichische Gemeindeordnung handelt es sich somit um keine verfassungsrechtlich bedenkliche dynamische Verweisung des Landesgesetzgebers auf ein Bundesgesetz, sondern um die vom Bundesgesetzgeber dem Landesgesetzgeber eingeräumte Ermächtigung, sich für ein bestimmtes Verfahren im Vorstellungsverfahren betreffend Abgabenangelegenheiten zu entscheiden. Der Landesgesetzgeber hat dabei nur die Wahl zwischen der Anwendung der in Abgabenangelegenheiten anzuwendenden Landesabgabenordnung oder des AVG. Entscheidet sich der Landesgesetzgeber für die Anwendung des AVG in Vorstellungsverfahren, dann hat die Vorstellungsbehörde als eine Behörde der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern in dieser Abgabenangelegenheit das AVG so anzuwenden, wie sie es auch in den anderen Verfahren auf Grund des Art. II Abs. 2 Z. 1 EGVG anzuwenden hat.

Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Vorstellungsbehörde im Beschwerdefall das AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Nach § 13 Abs. 3 AVG ist ein Mängelbehebungsverfahren für die Fälle vorgesehen, in denen eine Berufung oder Vorstellung bestimmte inhaltliche Mängel aufweist. Dieser Mangel des Fehlens eines begründeten Vorstellungsantrages ist nach dieser Regelung verbesserungsfähig. Wenn der begründete Vorstellungsantrag im Rahmen des Mängelbehebungsverfahrens oder noch vor Ergehen des Mängelbehebungsauftrages nachgebracht wird, dann besteht keine Berechtigung zur Zurückweisung der Vorstellung durch die Behörde.

Da die belangte Behörde dies verkannte und die Vorstellung trotz nachgeholten begründeten Berufungsantrages zurückgewiesen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am