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VwGH vom 14.11.1996, 94/16/0148

VwGH vom 14.11.1996, 94/16/0148

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

94/16/0147 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des DDr. R in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9-439/1/94, betreffend Stempelgebühren und Gebührenerhöhung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der beschwerdeführende Rechtsanwalt überreichte mit Schriftsatz vom namens der Stadt Wien dem Amt der Niederösterreichischen Landesregierung den Antrag, gemäß § 53 Abs. 10 des Niederösterreichischen Elektrizitätswesengesetzes, LGBl. 7800-0, die Rechtmäßigkeit der Stromerzeugungsanlagen der Stadt Wien im Sinne des § 2 Abs. 2 leg. cit. "insbesondere unter Einschluß der Leitungen" festzustellen.

Mit einem Schreiben der Niederösterreichischen Landesregierung vom wurde die Stadt Wien aufgefordert bekanntzugeben, für welche Stromerzeugungsanlagen, die von der Stadt Wien in Niederösterreich betrieben werden, ein Feststellungsbescheid begehrt wird.

In einer gleichfalls vom Beschwerdeführer namens der Stadt Wien überreichten "Äußerung" vom , wurde vorgebracht, daß sich der Antrag vom auf sämtliche im Land Niederösterreich befindlichen Stromerzeugungsanlagen bezieht. In der Folge wurden drei Wasserkraftwerke und weitere 1984 Stromerzeugungsanlagen, bezeichnet nach ihrer örtlichen Lage und dem jeweiligen Genehmigungsbescheid, angeführt. Schließlich wurde in diesem Schriftsatz vom ausgeführt:

"Da davon ausgegangen wird, daß auch die do Behörde aus eigenem die entsprechenden Bescheide seit Jänner 1991 recherchiert hat und sie ihr ebenso wie allfällige weitere Bescheide bestens bekannt sind, darf nunmehr der Erwartung Ausdruck gegeben werden, daß das nunmehr seit mehr als 8 Monaten anhängige Verwaltungsverfahren in Bälde im Sinne des Antrages vom entschieden wird."

Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien dem Beschwerdeführer "für insgesamt 1984 Ansuchen in einer Eingabe" eine feste Gebühr von S 238.080,-- abzüglich des bereits in Stempelmarken entrichteten Betrages von S 180,-- sowie eine Gebührenerhöhung im Ausmaß von 50 % des Gebührenbetrages vor.

In der Berufung gegen diesen Gebührenbescheid wurde insbesondere vorgebracht, daß der Schriftsatz, dessentwegen das Finanzamt die Gebühren vorschreibe, nur als "Äußerung" bezeichnet worden sei. Er habe keinen Antrag und auch kein Begehren enthalten. Eine Eingabe liege grundsätzlich nicht vor, wenn das Schriftstück über amtlichen Auftrag der Behörde vorgelegt wird. Die Behörde hätte bei pflichtgemäßem Handeln ohne weiteres feststellen können, welche Stromerzeugungsanlagen Gegenstand der Amtshandlung seien. Es sei nur der behördlichen Aufforderung entsprochen worden und damit die Tätigkeit der Behörde erleichtert worden. Zur Ansuchenkumulierung wurde vorgebracht, § 53 Abs. 10 des Niederösterreichischen Elektrizitätswesengesetzes ermögliche bloß Feststellungsbescheide über die Rechtmäßigkeit des Bestandes eines EVU, die Rechtmäßigkeit der Stromerzeugungsanlage sowie die Rechtmäßigkeit in Verwendung stehender allgemeiner Bedingungen. Eine weitere Unterteilung sei nicht vorgesehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde in Abänderung des erstinstanzlichen Gebührenbescheides als "Betreff" angeführt:

"Äußerung an das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom betreffend einen Antrag nach § 53 Abs. 10 LGBl. 7800 vom ."

Die Vorschreibung wurde für nunmehr 1987 "Anträge" auf einen Gebührenbetrag von S 238.440,-- abgeändert. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, die angerufene Behörde sei (auf Grund der Eingabe vom ) nicht in der Lage gewesen, den begehrten Feststellungsbescheid zu erlassen. Nur durch die Beantwortung der behördlichen Anfrage hätten "jene Anlagen in die Beurteilung einbezogen" werden können, deren Rechtmäßigkeit die Antragstellerin festgestellt wissen wollte. Die Gebührenpflicht für die abgegebene Äußerung sei daher grundsätzlich zu bejahen. Für jede einzelne der angeführten Anlagen sei eine rechtmäßige Feststellung zu treffen gewesen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht, "daß die Äußerung an die Niederösterreichische Landesregierung vom nicht einer Eingabengebühr gemäß § 14 TP 6 GebG unterworfen werde, ... daß diese Äußerung nicht zum Anlaß für eine Gebührenkumulierung gemäß § 12 GebG genommen werde, ferner daß eine Gebührenerhöhung für diese Änderung gemäß § 9 GebG nicht vorgenommen werde, sodaß (der Beschwerdeführer) zur Haftung für den vermeintlichen Gebührenschuldner WStW nicht herangezogen werden kann und schließlich in (den) Rechten aus § 198 BAO und § 183 Abs. 4 BAO, bei deren Einhaltung ein anderer Bescheid hätte ergehen müssen" verletzt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift sowie die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG unterliegen Eingaben von Privatpersonen (natürlichen und juristischen Personen) an Organe der Gebietskörperschaften in Angelegenheiten ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises, die die Privatinteressen der Einschreiter betreffen, der festen Gebühr von S 120,--.

Werden in einer Eingabe mehrere Ansuchen gestellt, so ist gemäß § 12 Abs. 1 GebG für jedes Ansuchen die Eingabengebühr zu entrichten.

Wird eine Eingabe an ein Organ einer Gebietskörperschaft über amtlichen Auftrag, etwa im Zuge einer amtswegigen Sachverhaltsermittlung, überreicht, so ist ein Privatinteresse des Einschreiters insoweit ausgeschlossen, als nicht gleichzeitig neuerliche Anträge gestellt werden oder das ursprüngliche Begehren wiederholt wird (vgl. dazu Frotz/Hügel/Popp, Kommentar zum Gebührengesetz, § 14 TP 6, 20; Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, 2. Teil, § 14 TP 6 GebG, 5; Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1373/56, Slg. Nr. 1857/F).

Soweit sich die Einschreiterin in der beschwerdegegenständlichen Eingabe vom - zunächst - darauf beschränkt, in Erfüllung des behördlichen Auftrages die Stromerzeugungsanlagen einzeln aufzuzählen, auf die sich der ursprüngliche Antrag vom um Feststellung ihrer Rechtmäßigkeit bezogen hat, ging die Eingabe über den behördlichen Auftrag nicht hinaus. Insoweit war somit das Tatbestandsmerkmal des Privatinteresses des Einschreiters hinsichtlich des Schriftsatzes vom nicht erfüllt.

Wenn die belangte Behörde die Gebührenpflicht der letztgenannten Eingabe auf die Überlegung stützt, daß erst durch die Beantwortung der behördlichen Anfrage der angestrebte Feststellungsbescheid erlassen werden konnte, so übersieht sie, daß über amtliche Aufforderung zu einer - nach Auffassung der Verwaltungsbehörde - unklaren Eingabe nachgereichte Schriftstücke zwar auf Art und Umfang des im ursprünglichen Schriftsatz gestellten Ansuchens Einfluß haben; demzufolge wird auch Höhe und Ausmaß der festen Gebühr, der die ursprüngliche Eingabe unterliegt, ungeachtet des im Bereich des II. Abschnitt des Gebührengesetzes herrschenden strengen Urkundenprinzips - ebenso wie bei gleichzeitig vorgelegten Beilagen - anhand der zur ursprünglichen Eingabe nachgereichten Schriftstücke zu beurteilen sein. Das den ursprünglichen Schriftsatz lediglich ergänzende Schreiben selbst erfüllt aber nicht deswegen, weil dadurch die ursprünglich angestrebte Amtshandlung vorgenommen werden kann, den Tatbestand einer Eingabe im Sinne des § 14 TP 6 GebG.

Wie bereits ausgeführt, erfüllt ein über amtlichen Auftrag überreichtes Schriftstück nur insoferne nicht den Tatbestand nach § 14 TP 6 Abs. 1 GebG, als darin nicht ein neuerliches Ansuchen gestellt wird. Gerade ein solches neues Ansuchen ist aber im Schreiben vom enthalten: Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers stellt sich die Wortfolge, es dürfe "der Erwartung Ausdruck gegeben werden, daß das ... Verwaltungsverfahren in Bälde ... entschieden wird", ohne Zweifel als ein in eine Höflichkeitsfloskel gekleidetes Begehren um rasche Beendigung des Verfahrens dar. Ein solches Betreibungsschreiben (Urgenzschreiben) unterliegt aber für sich selbständig der Gebühr (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , Zl. 2689/54, Slg. Nr. 1447/F, und vom , Zlen. 85/15/0324, 85/15/0332, Slg. Nr. 6109/F).

Dabei ist aus der Sicht des Beschwerdefalles jedoch zu bedenken, daß das Ziel eines Schreibens, mit dem die Beendigung eines Verfahrens begehrt wird, grundsätzlich verschieden ist vom Ziel des ursprünglichen - allenfalls einer Gebühr unterliegenden - Ansuchens. Diese Unterscheidung ist nicht allein in den Fällen von Bedeutung, in denen die Eingabe, deren Erledigung urgiert wird, entweder gar keiner oder aber einer erhöhten Gebühr unterliegt (vgl. dazu neuerlich Frotz/Hügel/Popp, a.a.O., 6 f, und Fellner, a.a.O., 12/5). Ungeachtet des Umstandes, daß sich der ursprüngliche Antrag auf die Feststellung der Rechtmäßigkeit von insgesamt 1987 Stromerzeugungsanlagen bezog, wurde im Schriftsatz vom der einheitliche Antrag um Beendigung des anhängigen Verfahrens gestellt. Es kann daher keine Rede davon sein, daß mit dem Urgenzschreiben eine Mehrheit selbständiger Ansuchen im Sinne des § 12 Abs. 1 GebG gestellt worden ist.

Der angefochtene Bescheid, mit dem feste Gebühren im Ausmaß der Anzahl der Stromerzeugungsanlagen, deren Rechtmäßigkeit im ursprünglichen, nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildenden Schriftsatz vom begehrt worden ist, festgesetzt worden ist, entspricht damit nicht dem Gesetz. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei es sich erübrigte, auf die weiteren Beschwerdeausführungen näher einzugehen, zumal in der Begründung der Beschwerde keine Ausführungen zum Beschwerdepunkt betreffend die Heranziehung des Beschwerdeführers zur "Haftung" (richtig: Erlassung eines Gebührenbescheides an den Überreicher der Eingabe als Gesamtschuldner gemäß § 13 Abs. 3 GebG) enthalten sind. Es war damit auch nicht darauf einzugehen, daß die belangte Behörde entgegen der Bestimmung des § 290 Abs. 1 BAO keine einheitliche Entscheidung über die gleichzeitig anhängigen Berufungen des Beschwerdeführers einerseits und der Stadt Wien als primären Gebührenschuldner andererseits getroffen hat.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.