VwGH vom 27.01.2000, 99/16/0452
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Berufung der Versicherungs-AG in W, vertreten durch Dr. Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, Bahnhofstraße 16, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Feldkirch vom , Zl. Jv 3602-33/99, betreffend Gerichtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde, der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und dem Mängelbehebungsvorbringen ergibt sich folgender unstrittige Sachverhalt:
Gegen die Beschwerdeführerin als beklagte Partei war zu 7 Cg 26/99i des Landesgerichtes Feldkirch Klage auf Zahlung von S 138.000,-- erhoben worden, wofür der klagenden Partei mit Wirkung vom Tag der Klagseinbringung Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs. 1 Z. 1 bis 3 ZPO bewilligt worden war.
Während der Klage in erster Instanz voll stattgegeben (und zwar betreffend S 53.000,-- mit Teilanerkenntnisurteil vom und hinsichtlich des Restes von S 85.000,-- mit Endurteil vom ) und die Beschwerdeführerin zum Kostenersatz verpflichtet wurde, änderte das OLG Innsbruck auf Grund der von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung das Ersturteil dahin ab, dass der klagenden Partei nur S 93.000,-- zugesprochen, das Mehrbegehren von S 45.000,-- hingegen abgewiesen wurde. Allerdings wurde die Beschwerdeführerin auch vom Berufungsgericht zum Kostenersatz verpflichtet, und zwar in Anwendung des § 43 Abs. 2 ZPO.
Daraufhin schrieb die Kostenbeamtin des Landesgerichtes Feldkirch der Beschwerdeführerin für das erstinstanzliche Verfahren ausgehend vom Streitwert S 138.000,-- gemäß TP 1 GGG Pauschalgebühr in Höhe von S 6.890,-- zuzüglich einer Einhebungsgebühr von S 100,-- (gemäß § 6 GEG) vor.
Dagegen stellte die Beschwerdeführerin einen Berichtigungsantrag mit dem Begehren, die Pauschalgebühr nur ausgehend von dem von der klagenden Partei letztlich ersiegten Betrag von S 93.000,-- und daher mit S 2.910,-- zu berechnen.
Die belangte Behörde gab diesem Berichtigungsantrag keine Folge, wobei sie die Auffassung vertrat, es sei der gesamte Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens als Bemessungsgrundlage heranzuziehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, den S 2.910,-- übersteigenden Betrag von S 3.980,-- nicht bezahlen zu müssen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß TP 1 GGG beträgt die Pauschalgebühr in zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz bei einem Wert des Streitgegenstandes über S 100.000,-- bis S 500.000,-- S 6.890,--.
Nach Anm. 5 zu TP 1 GGG wird die Pflicht zur Entrichtung dieser Pauschalgebühr dadurch nicht berührt, dass eine im Verfahren erster Instanz ergangene Entscheidung aufgehoben oder abgeändert wird.
Gemäß § 70 ZPO sind die im § 64 Abs. 1 Z. 1 ZPO genannten Beträge, von deren Bestreitung die Verfahrenshilfe genießende Partei einstweilen befreit ist, unmittelbar beim Gegner einzuheben, soweit diesem die Kosten des Rechtsstreites auferlegt worden sind oder er sie in einem Vergleich übernommen hat.
Betreffend den Prozesskostenersatz gegenüber dem Gegner enthält § 43 Abs. 1 ZPO die Grundsatzbestimmung, dass bei teilweisem Obsiegen und teilweisem Unterliegen die Kosten gegenseitig aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen sind. Als Ausnahme davon enthält § 43 Abs. 2 ZPO folgende Bestimmung:
"Das Gericht kann jedoch auch bei solchem Ausgange des Rechtsstreites der einen Partei den Ersatz der gesamten, dem Gegner und dessen Nebenintervenienten entstandenen Kosten auferlegen, wenn der Gegner nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Anspruchs, dessen Geltendmachung überdies besondere Kosten nicht veranlasst hat, unterlegen ist, oder wenn der Betrag der von ihm erhobenen Forderung von der Feststellung durch richterliches Ermessen, von der Ausmittlung durch Sachverständige, oder von einer gegenseiten Abrechnung abhängig war."
Gestützt auf zivilgerichtliche Judikatur zur Berechnung des Kostenersatzes gemäß § 43 Abs. 2 ZPO (vgl. dazu insbesondere auch die unter E 37 zu § 43 ZPO in Stohanzl, MGA JN-ZPO14 referierten Entscheidungen), die im Bereich der Berechnung der Gerichtsgebühren unmaßgeblich ist, strebt die Beschwerdeführerin auch betreffend die Berechnung der sie gemäß § 20 GGG iVm § 70 ZPO treffenden Gerichtsgebühr die Anwendung des von ihrer Prozessgegnerin letztlich ersiegten Betrages von S 93.000,-- als Bemessungsgrundlage an.
Dabei übersieht die Beschwerdeführerin grundlegend, dass die Berechnung der Pauschalgebühr nach TP 1 GGG der Höhe nach anders zu erfolgen hat, als die Berechnung des Prozesskostenersatzes gegenüber dem Prozessgegner gemäß § 43 Abs. 2 ZPO. Die letztgenannte Bestimmung spielt im Gerichtsgebührenrecht (und damit auch konkret im Beschwerdefall) nur insoweit eine Rolle, als auf ihrer Grundlage die Beschwerdeführerin gegenüber der klagenden Partei ungeachtet deren nur teilweisen Obsiegens zum vollen Kostenersatz verpflichtet wurde. Damit ist aber die Beschwerdeführerin gemäß § 20 GGG in Anwendung des § 70 ZPO auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung zur Zahlung derjenigen Pauschalgebühr verpflichtet, die die Kraft Verfahrenshilfe gebührenbefreite Klägerin für das erstinstanzliche Verfahren zu entrichten gehabt hätte. Das aber wäre gemäß TP 1 GGG der Betrag von S 6.890,-- gewesen, weil der Streitwert in erster Instanz insgesamt S 138.000,-- betragen hat. An diesem für die Berechnung der Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG maßgeblichen Streitwert ändert zufolge der Bestimmung des Anm. 5 zu TP 1 GGG auch der Umstand nichts, dass im Wege eines teilweise abändernden Berufungsurteiles ein Teilbetrag des ursprünglichen Klagebegehrens abgewiesen wurde. Auch die klagende Partei hätte ohne Gebührenbefreiung auf Grund der Verfahrenshilfe für das erstinstanzliche Verfahren die Pauschalgebühr ausgehend vom Gesamtstreitwert S 138.000,-- und daher in Höhe von S 6.890,-- zu entrichten gehabt.
Dass die zivilgerichtliche Judikatur die nach Billigkeitsgrundsätzen vorzunehmende Kostenentscheidung gemäß § 43 Abs. 2 ZPO so trifft, dass die "gesamten Kosten", nur ausgehend von dem jeweils ersiegten Betrag berechnet werden, kann im Bereich der Gerichtsgebühren, wo an formale äußere Tatbestände anzuknüpfen ist (hier an die Tatsache, dass der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens zur Gänze auferlegt wurden) schon deshalb keine Rolle spielen, weil die ausdrückliche Bestimmung der Anm. 5 zu TP 1 GGG jede Billigkeitsübung ausschließt (vgl. dazu auch die bei Tschugguel/Pötscher, MGA Gerichtsgebühren6 unter BE 2 zu § 20 GGG angeführte, zur älteren Rechtslage ergangene hg. Rechtsprechung).
Da sich sohin schon aus dem Inhalt der Beschwerde ergibt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am