VwGH 15.03.2000, 97/09/0341
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | ARB1/80 Art6; AuslBG §1 Abs3; |
RS 1 | Türkischen Arbeitnehmern stehen die durch Art 6 Abs 1 Assoziationsratsbeschluss Nr 1/80 verliehenen Rechte unabhängig davon zu, dass die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ein spezielles Verwaltungsdokument wie eine Arbeitserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis ausstellen (Hinweis , Faik Günaydin ua gegen Freistaat Bayern, RNr 49 f). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 2000/02/23 97/09/0097 1 |
Normen | 61993CJ0434 Ahmet Bozkurt VORAB; ARB1/80 Art6 Abs1; |
RS 2 | Auf ein Aufenthaltsrecht gem Art 6 Abs 1 Assoziationsratbeschluss Nr 1/80 EWG-Türkei können sich nur solche türkische Arbeitnehmer berufen, die zunächst während der in dieser Bestimmung angeführten Zeiträume von ein, drei oder vier Jahren auf die dort näher umschriebene Weise ordnungsgemäß beschäftigt waren. Dies setzt - wie der EuGH in seinem Urteil vom in der Rechtssache C 192/89, Sevince, Slg. 1990, I-3461, RdNr. 30, ausgeführt hat - "eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt voraus" (vgl auch das , Bozkurt, Slg. 1995, I-1492, RdNr. 26). Während der in Art 6 Abs 1 legcit genannten Zeiträume muss somit sowohl die Beschäftigung des betroffenen türkischen Arbeitnehmers in Einklang mit den arbeitserlaubnisrechtlichen, als auch sein Aufenthalt im Einklang mit den nicht nur eine vorübergehende Position sichernden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates gestanden haben (Hinweis E , 96/21/0806). Da sich der Fremde zum Zeitpunkt, in dem durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union () der Assoziationsratsbeschluss EWG-Türkei Nr 1/80 für ihn hätte wirksam werden können, nicht in Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften in Österreich aufhielt, war schon aus diesem Grund die Anwendung der genannten Bestimmung ausgeschlossen. Auch die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 1991 kann eine "ordnungsgemäße Beschäftigung" iSd Art 6 Abs 1 des genannten Beschlusses nicht begründen (Hinweis E , 96/21/0806). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1999/06/10 96/21/0382 1
(ohne letzten Satz) |
Normen | 61993CJ0434 Ahmet Bozkurt VORAB; ARB1/80 Art6 Abs1; |
RS 3 | Es ist Rechtsprechung des EuGH zu Art 6 Abs 1 AssozAbk Assozrat Beschluß 1/80 19/09/1980 Türkei und Art 7 Abs 1 AssozAbk Assozrat Beschluß 1/80 19/09/1980 Türkei, daß diese Bestimmung zwar lediglich die beschäftigungsrechtliche und nicht die aufenthaltsrechtliche Stellung der türkischen Arbeitnehmer regelt, daß diese beiden Aspekte der persönlichen Situation türkischer Arbeitnehmer jedoch eng miteinander verknüpft sind. Indem die fraglichen Bestimmungen diesen Arbeitnehmern nach einem bestimmten Zeitraum ordnungsgemäßer Beschäftigung in dem betreffenden Mitgliedstaat das Recht auf Verlängerung einer Arbeitserlaubnis bzw auf Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohnverhältnis oder Gehaltsverhältnis beim gleichen Arbeitgeber, im gleichen Beruf oder auf dem gesamten Arbeitsmarkt gewähren, implizieren sie zwangsläufig, daß den türkischen Arbeitnehmern zumindest zu diesem Zeitpunkt ein Aufenthaltsrecht zusteht; andernfalls wäre das Recht, das sie diesen Arbeitnehmern zuerkennen, völlig wirkungslos (Hinweis , in der Rechtssache Sevince, Slg 1990, I-3461 äRand Nr 8 fü; vom , C-237/91, in der Rechtssache Kus, Slg 1992, I-6781 äRand Nr 29 fü; vom , C-355/93, in der Rechtssache Eroglu, Slg 1994, I-5113 äRand Nr 18 fü; und vom , C-434/93, in der Rechtssache Bozkurt äRand Nr 28ü). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1997/02/19 95/21/0515 2 |
Normen | |
RS 4 | Das Recht auf Erneuerung der Arbeitserlaubnis und Aufenthaltserlaubnis nach Art 6 Abs 1 erster Gedankenstrich Assozrat Beschluß 1/80 im Aufnahmemitgliedstaat hängt davon ab, daß der türkische Arbeitnehmer ein Jahr ununterbrochen eine ordnungsgemäße Beschäftigung bei ein und demselben Arbeitgeber ausgeübt hat (Hinweis , Süleyman Eker). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1997/12/16 97/09/0099 2 |
Normen | |
RS 5 | Dem türkischen Arbeitnehmer steht unmittelbar aus dem Assoziationsratsbeschluß Nr 1/80 nicht nur ein individuelles Recht auf Beschäftigung zu, vielmehr impliziert die praktische Wirksamkeit dieses Rechts darüber hinaus zwangsläufig ein entsprechendes Aufenthaltsrecht, das ebenfalls auf dem Gemeinschaftsrecht beruht (Hinweis , Ömer Nazli ua gegen Stadt Nürnberg). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 2000/03/15 97/09/0260 5 |
Normen | |
RS 6 | Zwar wird durch den Assoziationsratsbeschluß Nr 1/80 die Befugnis der Mitgliedstaaten, einem türkischen Staatsangehörigen die Einreise in das Hoheitsgebiet und die Ausübung einer ersten unselbständigen Erwerbstätigkeit in ihrem Hoheitsgebiet zu verwehren, nicht berührt und es steht auch grundsätzlich nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, die Bedingungen seiner Beschäftigung bis zum Ablauf des in Art 6 Abs 1 erster Gedankenstrich Assoziationsratsbeschluß Nr 1/80 genannten Jahres zu regeln, jedoch gestattet Art 6 Abs 1 Assoziationsratsbeschluß Nr 1/80 einem Mitgliedstaat nicht, einseitig den Inhalt des Systems der schrittweisen Eingliederung der türkischen Staatsangehörigen in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats zu verändern. Dieser ist deshalb nicht mehr befugt, aufenthaltsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, die die Ausübung der Rechte beeinträchtigen können, die dem Betroffenen, der die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt und daher also bereits ordnungsgemäß in den Aufnahmemitgliedstaat eingegliedert ist, ausdrücklich durch den Assoziationsratsbeschluß Nr 1/80 verliehen werden (Hinweis ,Ömer Nazli ua gegen Stadt Nürnberg). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 2000/03/15 97/09/0260 6 |
Normen | 61995CJ0285 Suat Kol VORAB; ARB1/80 Art14 Abs1; ARB1/80 Art6 Abs1; AuslBG §1 Abs3; FrG 1993 §18 Abs1; FrG 1997 §36 Abs1 impl; |
RS 7 | Beschäftigungszeiten, die der türkische Arbeitnehmer aufgrund einer durch unrichtige Angaben (allenfalls einer Täuschungshandlung) erlangten Einreiseerlaubnis bzw Aufenthaltserlaubnis zurückgelegt hat, sind nicht als ordnungsgemäß anzusehen, lässt doch die Ausübung einer Beschäftigung im Rahmen einer Aufenthaltserlaubnis, die aufgrund einer Täuschung erteilt wurde, keine Rechte für den türkischen Arbeitnehmer entstehen und vermag bei ihm auch kein berechtigtes Vertrauen zu begründen (Hinweis , Suat Kol gegen Land Berlin). |
Normen | 61995CJ0285 Suat Kol VORAB; ARB1/80 Art14 Abs1; ARB1/80 Art6 Abs1; AuslBG §1 Abs3; FrG 1993 §18 Abs1; FrG 1997 §36 Abs1 impl; |
RS 8 | Das auf Gemeinschaftsrecht beruhende Aufenthaltsrecht kann dem türkischen Arbeitnehmer nur dann abgesprochen werden, wenn die Behörde feststellt, dass das persönliche Verhalten des Fremden auf eine konkrete Gefahr weiterer schwerer Störungen der öffentlichen Ordnung in Österreich hindeutet und derart die Voraussetzungen für eine mit Art 14 Abs 1 Assozratsbeschluß Nr 1/80 in Einklang stehenden Ausweisung vorliegen bzw inwieweit eine solche gerechtfertigt wäre (Hinweis , Ömer Nazli ua gegen Stadt Nürnberg; hier: Ungültigerklärung des Sichtvermerks wegen eines Verstoßes gegen das Suchtgiftgesetz). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 2000/03/15 97/09/0260 7 |
Normen | |
RS 9 | Bei der Gefährlichkeitsprognose, die Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist, muss das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht gezogen werden. In dieser Hinsicht kommt nicht nur dem von ihm gesetzten Fehlverhalten entscheidende Bedeutung zu, sondern auch der Dauer seines Wohlverhaltens seit Verwirklichung des Tatbestandes für die Erlassung des gegen ihn verhängten Aufenthaltsverbotes. Je länger die Verwirklichung der den Tatbestand bildenden Tatsachen zurückliegt, desto größeres Gewicht kommt dem Wohlverhalten des Fremden seit diesem Zeitabschnitt zu (Hinweis E , 95/21/1033). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des I C in W, vertreten durch Mag. Martin Spernbauer, Rechtsanwalt in Wien I, Schubertring 8, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 10/13117/750 889, betreffend Feststellung gemäß Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer (ein türkischer Staatsangehöriger) begehrte mit Antrag vom die Erlassung eines Feststellungsbescheides darüber, dass er die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 erfülle.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 keine Folge gegeben und damit die Erlassung des begehrten Feststellungsbescheides abgelehnt.
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne des Art. 6 ARB Nr. 1/80 impliziere, dass der türkische Staatsangehörige über ein gültiges Aufenthaltsrecht für das Bundesgebiet verfüge. Über den Beschwerdeführer sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom ein Aufenthaltsverbot verhängt worden, der dagegen erhobenen Berufung habe die Sicherheitsdirektion für Niederösterreich mit Bescheid vom keine Folge gegeben; gegen diesen Bescheid sei derzeit beim Verwaltungsgerichtshof ein Beschwerdeverfahren anhängig. Mit Beschluss vom habe der Verwaltungsgerichtshof dieser Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. Dadurch werde kein legaler Aufenthalt in Österreich begründet, sondern nur bewirkt, dass über die Ausweisung erst nach Beendigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entschieden werden dürfe. Der Argumentation, der Beschwerdeführer habe vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Voraussetzungen im Sinn seines Feststellungsbegehrens erfüllt, sei zu erwidern, dass der Zeitpunkt der Antragseinbringung bzw. der erstinstanzlichen Entscheidung für die Beurteilung maßgeblich sei und auf "die bestehende Sach- und Rechtslage Bedacht zu nehmen ist". Allfällige "vormalig gegebene Tatbestände" seien nicht zu berücksichtigen. Mangels Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet ab liege ab diesem Zeitpunkt "keine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinn des Assoziationsabkommens" vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid nach seinem gesamten Beschwerdevorbringen in seinem aus Art. 6 Abs 1 dritter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom (ARB 1/80) erfließenden Recht auf freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- und Gehaltsverhältnis in Österreich verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Artikel 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom über die Entwicklung der Assoziation
(ARB Nr. 1/80) hat folgenden Wortlaut:
"Art. 6
(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat
nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung
vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.
2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die auf Grund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.
3) Die Einzelheiten der Durchführung der Abs. 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt."
Die belangte Behörde gelangte im Beschwerdefall ausschließlich deshalb zur Verneinung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich des ARB Nr. 1/80, weil sie die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zum Arbeitsmarkt aufgrund seiner aufenthaltsrechtlichen Stellung nach Erlassung eines mit Bescheid vom über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes beurteilte und derart die vor Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes vom Beschwerdeführer zurückgelegte Beschäftigung als nicht "ordnungsgemäß" beurteilte. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer - wie er schon in seinem Antrag im Verwaltungsverfahren und neuerlich in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vorbrachte - von Oktober 1990 bis November 1996 bei der Löwa Warenhandelgesellschaft mbH und danach seit November 1996 bei der Billa Dienstleistungsgesellschaft mbH beschäftigt gewesen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (vgl. etwa das , Faik Günaydin u.a. gegen Freistaat Bayern, RNr 49 f) stehen türkischen Arbeitnehmern die durch Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 verliehenen Rechte unabhängig davon zu, dass die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ein spezielles Verwaltungsdokument wie eine Arbeits- oder eine Aufenthaltserlaubnis ausstellen. Die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung im Sinn von Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 setzt eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen aus dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats voraus; sie ist an Hand der Rechtsvorschriften des Aufnahmestaats zu prüfen, die die Voraussetzungen regeln, unter denen der türkische Staatsangehörige in das nationale Hoheitsgebiet gelangt ist und dort eine Beschäftigung ausübt. Liegen diese Voraussetzungen vor, so impliziert Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80, der dem türkischen Arbeitnehmer das Recht verleiht, nach einem bestimmten Zeitraum ordnungsgemäßer Beschäftigung seine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis bei dem gleichen Arbeitgeber oder im gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl weiter auszuüben oder jede Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis seiner Wahl frei aufzunehmen, zwangsläufig, das dem Betroffenen ein Aufenthaltsrecht zusteht, weil sonst das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt und auf Ausübung einer Beschäftigung völlig wirkungslos wäre (vgl. hiezu auch das , Ahmet Bozkurt gegen Staatssecretaris van Justitie, RNr 26 bis 28, und die dort angegebene Judikatur). Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis eines türkischen Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat wird im Sinn des Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich des ARB Nr. 1/80 somit davon abhängig gemacht, dass dieser ein Jahr ununterbrochen eine ordnungsgemäße Beschäftigung bei ein und demselben Arbeitgeber ausgeübt hat (vgl. insoweit das , Süleyman Eker gegen Land Baden-Würtemberg, RNr. 31).
Auch zuletzt in seiner Entscheidung vom (mündlich verkündet in der Rechtssache C-340/97, Ömer Nazli u.a. gegen Stadt Nürnberg) führte der EuGH aus, die unmittelbare Wirkung des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 führe dazu, dass dem türkischen Arbeitnehmer unmittelbar aus dem ARB Nr. 1 /80 nicht nur ein individuelles Recht auf Beschäftigung zustehe, vielmehr impliziere die praktische Wirksamkeit dieses Rechts darüber hinaus zwangsläufig ein entsprechendes Aufenthaltsrecht, das ebenfalls auf dem Gemeinschaftsrecht beruhe. Zwar werde durch den ARB Nr. 1/80 die Befugnis der Mitgliedstaaten, einem türkischen Staatsangehörigen die Einreise in das Hoheitsgebiet und die Ausübung einer ersten unselbständigen Erwerbstätigkeit in ihrem Hoheitsgebiet zu verwehren, nicht berührt und sie stehe auch grundsätzlich nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, die Bedingungen seiner Beschäftigung bis zum Ablauf des in Artikel 6 Absatz 1 erster Gedankenstrich leg. cit. genannten Jahres zu regeln, jedoch gestatte Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1 /80 nach ständiger Rechtsprechung einem Mitgliedstaat nicht, einseitig den Inhalt des Systems der schrittweisen Eingliederung der türkischen Staatsangehörigen in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats zu verändern. Dieser sei deshalb nicht mehr befugt, aufenthaltsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, die die Ausübung der Rechte beeinträchtigen können, die dem Betroffenen, der die entsprechenden Voraussetzungen erfülle und daher also bereits ordnungsgemäß in den Aufnahmemitgliedstaat eingegliedert sei, ausdrücklich durch den ARB Nr. 1/80 verliehen werden (vgl. das genannte RNr. 28,29,30).
Die belangte Behörde hat, indem sie die Beschäftigung und den Aufenthalt des Beschwerdeführers ausschließlich deshalb als "nicht ordnungsgemäß" beurteilte, weil mit Bescheid vom über den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot verhängt worden war, die Rechtslage verkannt.
Ob dieses Aufenthaltsverbot dem Beschwerdeführer dahingehend entgegengehalten werden kann, dass deshalb seine Beschäftigungszeiten ganz oder teilweise als nicht ordnungsgemäß angesehen werden müssen, kann ohne ergänzende Sachverhaltsfeststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Die belangte Behörde hat in Verkennung der Rechtslage den Sachverhalt, der zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes führte, nicht festgestellt. Sie wird danach in Betracht zu ziehen haben, ob sich der Beschwerdeführer die Einreise in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates Österreich durch unrichtige Angaben verschaffte, bzw. ob er aufgrund unrichtiger Angaben (allenfalls einer Täuschungshandlung) seine Aufenthaltsbewilligung (seinen Sichtvermerk) erlangte. Beschäftigungszeiten, die der Beschwerdeführer aufgrund einer unter solchen Umständen erlangten Einreise- bzw. Aufenthaltserlaubnis zurückgelegt hätte, wären nämlich nicht als ordnungsgemäß anzusehen, lässt doch die Ausübung einer Beschäftigung im Rahmen einer Aufenthaltserlaubnis, die aufgrund einer Täuschung erteilt wurde, keine Rechte für den türkischen Arbeitnehmer entstehen und vermag bei ihm auch kein berechtigtes Vertrauen zu begründen (vgl. insoweit das , Suat Kol gegen Land Berlin).
Dass dem Beschwerdeführer unrichtige Angaben (bzw. sogar eine Täuschungshandlung) im dargelegten Sinn vorzuwerfen wäre, oder sein persönliches Verhalten auf eine konkrete Gefahr schwerer Störungen der öffentlichen Ordnung in Österreich hindeute und derart im Beschwerdefall eine mit Art. 14 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 in Einklang stehende Ausweisung des Beschwerdeführers gerechtfertigt wäre, hat die belangte Behörde nicht festgestellt (vgl. in dieser Hinsicht nochmals das genannte RNr. 50 ff, Vorlagefrage 2). Auch bei der Gefährlichkeitsprognose, die Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist, muss das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht gezogen werden. In dieser Hinsicht kommt nicht nur dem von ihm gesetzten Fehlverhalten entscheidende Bedeutung zu, sondern auch der Dauer seines Wohlverhaltens seit Verwirklichung des Tatbestandes für die Erlassung des gegen ihn verhängten Aufenthaltsverbotes. Je länger die Verwirklichung der den Tatbestand bildenden Tatsachen zurückliegt, desto größeres Gewicht kommt dem Wohlverhalten des Fremden seit diesem Zeitabschnitt zu (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/21/1033, und die darin angegebene Judikatur). In diesem Zusammenhang wird die belangte Behörde sich insbesondere auch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander zu setzen haben, wonach seine Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin schon mit Urteil vom für nichtig erklärt worden sei, aber auch nach diesem Zeitpunkt ihm am ein bis gültiger Wiedereinreisevermerk ausgestellt worden sei, hätte der Beschwerdeführer sich bei Erlangung des Sichtvermerkes im Jahr 1993
bei Zutreffen seiner Behauptungen - doch keinesfalls auf eine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin berufen können.
Sollte das fortgesetzte Verfahren ergeben, dass der Beschwerdeführer Beschäftigungszeiten in der Dauer eines Jahres im Sinn des Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 zurückgelegt hat, die nach der dargelegten Prüfung als ordnungsgemäß angesehen werden müssen, dann müsste das nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften über den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot im vorliegenden Administrativverfahren
sollte das Aufenthaltsverbot dem ARB Nr. 1/80 widersprechen - unangewendet bleiben (vgl. in dieser Hinsicht das , Erich Ciola gegen Land Vorarlberg, Vorlagefrage 2).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am
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Normen | 61993CJ0434 Ahmet Bozkurt VORAB; 61995CJ0285 Suat Kol VORAB; 61995CJ0386 Süleyman Eker VORAB; 61997CJ0340 Ömer Nazli VORAB; ARB1/80 Art14 Abs1; ARB1/80 Art6 Abs1; ARB1/80 Art6; AuslBG §1 Abs3; FrG 1993 §18 Abs1; FrG 1997 §36 Abs1 impl; FrG 1997 §36 Abs1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2000:1997090341.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAE-62944