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VwGH vom 27.02.1995, 94/16/0119

VwGH vom 27.02.1995, 94/16/0119

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

94/16/0220 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der B Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt vom , GZ Jv 184-33/94-7, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Bausparkasse gewährte Bausparern (einem Ehepaar) ein Bauspardarlehen zur Finanzierung der Errichtung eines "Neubaues". Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid die Auffassung, der Beschwerdeführerin stehe hinsichtlich der Einverleibung des Pfandrechtes für die in Rede stehende Darlehensforderung die Gerichtsgebührenbefreiung im Sinne des § 53 Abs. 4 Wohnbauförderungsgesetz (WFG) 1984, nicht zu. Zur Begründung wurde zunächst ausgeführt, der zweite Halbsatz des § 53 Abs. 3 WFG 1984 beziehe sich nicht auf Eigenheime, zumal die Begriffsbestimmungen des WFG 1984 ausdrücklich zwischen Eigenheimen und Wohnungen differenziert hätten. Daraus ergebe sich, daß die grundbücherliche Sicherstellung von Wohnbauförderungsdarlehen bei Eigenheimen auch dann von den Gerichtsgebühren befreit ist, wenn die Nutzfläche des Eigenheimes 150 m2 wesentlich übersteigt. Im Beschwerdefall sei jedoch eine Förderung des Neubaues auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften (im Sinne des § 53 Abs. 3 WFG 1984) nicht gegeben. Das Bausparkassendarlehen sei nicht zur Errichtung einer Wohnung, sondern zur Errichtung eines "Neubaues" gewährt worden.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte

die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem - bis zur B-VG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 685, Bundesrecht darstellenden - § 1 Abs. 1 Wohnbauförderungsgesetz 1984, BGBl. Nr. 482, hatten die Länder auf Grund dieses Bundesgesetzes den Wohnbau zu fördern; geförderte Wohnungen durften nur von begünstigten Personen in Benützung genommen werden. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle umfaßte die Förderung die Errichtung von Wohnungen sowie von Wohnheimen durch Neubau, Zubau, Einbau oder Umbau, weiters unter bestimmten Voraussetzungen den Ersterwerb von Wohnungen.

In § 53 Abs. 3 und 4 WFG 1984 waren in der Stammfassung des Gesetzes Befreiungen von den Gerichtsgebühren im Zusammenhang mit der Finanzierung von nach diesem Bundesgesetz geförderten Bauvorhaben enthalten. Unabhängig von einer Förderung nach dem WFG 1984 enthielt § 53 Abs. 5 WFG 1984, alte Fassung, eine Gebührenbefreiung für Bausparkassendarlehen. In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Wohnbauförderungsgesetz (246 Blg. Nr. 16. GP) ist hiezu ausgeführt:

"Im Bereich der Finanzverwaltung sind die Verträge über Darlehen von Bausparkassen an ihre Mitglieder von den Rechtsgeschäftsgebühren befreit (§ 33 TP 8 Abs. 2 Z. 3 GebührenG. 1957). Im Bereich der Justizverwaltung fehlte eine vergleichbare Gebührenbefreiungsvorschrift. Durch die Gebührenbefreiungsvorschrift wird den Bausparkassen und ihren Mitgliedern (den Bausparern) die Befreiung von den Gerichtsgebühren in den Bereichen gesichert, die einen Vergleich mit den öffentlichen Wohnbaufinanzierungsmaßnahmen rechtfertigen."

Durch Art. II Bundesgesetz, BGBl. Nr. 460/1990, wurde § 53 Abs. 3 WFG 1984 geändert. Danach sind Eingaben, Amtshandlungen und Rechtsgeschäfte, die durch die Finanzierung von Objekten veranlaßt sind, die im Rahmen einer auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften vorgenommenen Wohnbauförderungsmaßnahme gefördert werden, von den Gerichtsgebühren befreit; bei Wohnungen ist zur Inanspruchnahme der Gebührenbefreiung überdies Voraussetzung, daß die Nutzfläche 150 m2 nicht übersteigt.

Abs. 5 des § 53 WFG 1984 erhielt durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 460/1990 die Absatzbezeichnung "(4)".

Abs. 4 des § 53 WFG 1984 wurde schließlich durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 829/1992 neuerlich geändert. Nach dieser auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung gilt die Gebührenbefreiung nach Abs. 3 (des § 53 WFG 1984) ferner für das Bausparkassendarlehen, das eine Bausparkasse einem Bausparer zur Errichtung einer zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Bausparers oder seines Ehegatten, Lebensgefährten sowie seiner Verwandten in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder bestimmten Wohnung in normaler Ausstattung gewährt.

Strittig ist im Beschwerdefall, ob unter dem - bereits in der Stammfassung des WFG 1984 enthaltenen - Begriff der Wohnung im Sinne des nunmehrigen § 53 Abs. 4 WFG 1984 auch eine Wohnung in einem nur ein einziges solches Objekt aufweisenden Wohnhaus (Einfamilienhaus) verstanden werden kann oder nicht. Wenn auch die im Beschwerdefall anzuwendende Gebührenbefreiungsbestimmung nicht an eine Wohnbauförderungsmaßnahme (nunmehr im Sinne der jeweiligen landesgesetzlichen Vorschriften) anknüpft, so ergibt sich doch durch den Hinweis auf § 53 Abs. 3 WFG 1984 sowie durch die den Zweck der Bestimmung darlegenden Erläuterungen zur Stammfassung der Vorschrift, daß der gerichtsgebührenrechtliche Tatbestand des § 53 Abs. 4 WFG 1984 nach dem Bedeutungszusammenhang und seiner Zweckbestimmung im Sinne der historischen Stammfassung des Wohnbauförderungsgesetzes 1984 auszulegen ist. Gegenstand des Wohnbauförderungsgesetzes 1984 waren nach der Grundsatzbestimmung des § 1 Abs. 2 WFG 1984 einerseits Wohnungen und anderseits - was für den Beschwerdefall nicht weiter von Bedeutung ist - Wohnheime. Hingegen ist § 1 Abs. 2 WFG 1984 keine Differenzierung danach zu entnehmen, ob die Wohnungen in einem Einfamilienhaus, Mehrfamilienhaus und in welchem baulichen Zusammenhang sonst errichtet werden. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann aus dem Umstand, daß in dem mit "Begriffsbestimmungen" überschriebenen § 2 WFG 1984 sowohl Begriffsbestimmungen von Eigenheimen als auch von Wohnungen enthalten sind, nichts für ihren Standpunkt gewonnen werden. Aus § 2 Z. 1 WFG 1984, wonach als Eigenheim in offener oder geschlossener Bauweise errichtete Gebäude mit höchstens zwei Wohnungen zu verstehen sind, geht vielmehr hervor, daß ein Eigenheim auch ein Gebäude mit nur einer Wohnung sein kann - was überdies nach den Erfahrungen des Lebens der Regelfall ist ("Einfamilienhaus"). Im Sinne des § 2 Z. 3 WFG 1984 wird unter einer Wohnung eine zur ganzjährigen Benützung geeignete, baulich in sich abgeschlossene Wohnung bestimmter Größe verstanden. Daß der Begriff der Wohnung davon abhängig ist, ob das Gebäude eine oder mehrere Wohnungen enthält, kann auch § 2 Z. 3 erster Halbsatz nicht entnommen werden, zumal im zweiten Halbsatz für bäuerliche Wohnhäuser sehr wohl eine Sonderregelung getroffen ist. Unter Bedachtnahme auf die grundsätzliche Bestimmung des § 1 Abs. 2 WFG 1984 und die Begriffsbestimmungen des § 2 WFG 1984, welche Bestimmungen für die Auslegung des § 53 Abs. 4 WFG in der anzuwendenden Fassung von ausschlaggebender Bedeutung erscheinen, ist somit davon auszugehen, daß unter einer solchen Wohnung im Sinne der letztgenannten Vorschrift jede für sich abgeschlossene Wohnung anzusehen ist, gleichgültig, ob sie sich in einem Gebäude mit nur einer Wohnung oder in einem solchen mit einer Mehrzahl oder einer Vielzahl von Wohnungen befindet.

Selbst wenn die - anders als Abs. 4 nur für nach landesgesetzlichen Vorschriften geförderte Objekte in Betracht kommende - Bestimmung des § 53 Abs. 3 WFG 1984 zur Auslegung des Abs. 4 herangezogen werden könnte, so wird auch dadurch der Standpunkt der belangten Behörde nicht gestützt: Nach Abs. 3 sind Vorgänge im Zusammenhang mit der Finanzierung von OBJEKTEN gebührenbefreit; dabei ist die Befreiung hinsichtlich Wohnungen davon abhängig, daß die Nutzfläche 150 m2 nicht übersteigt. Dieser zweite Halbsatz bedeutet einerseits, daß bei Wohnungen zusätzlich zu sonstigen geförderten Objekten - darunter fallen insbesondere Wohnheime und Geschäftsräumlichkeiten - eine weitere Voraussetzung (nämlich eine Begrenzung der Nutzfläche) gefordert ist. Andererseits kommt dem zweiten Halbsatz des § 53 Abs. 3 WFG 1984 die Bedeutung zu, daß im Bereich dieser Bestimmung der Nutzflächenbegrenzung im Sinne des § 2 Z. 3 WFG (allgemein 130 m2, bei mehr als fünf im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen 150 m2) derogiert wird. Daß unter Wohnungen im Sinne des § 53 Abs. 3 zweiter Halbsatz WFG 1984 nicht auch solche in einem nur diese eine Wohnung aufweisenden Gebäude zu verstehen sind, kann auch dieser Bestimmung nicht entnommen werden.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der in dieser Verordnung vorgesehene pauschalierte Schriftsatzaufwand enthält dabei bereits die Umsatzsteuer. Einer Beschwerde ist der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung anzuschließen, sodaß der Ersatz der Beilagengebühr nur S 60,-- beträgt.