VwGH vom 07.07.1999, 97/09/0340
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des A in Wiener Neustadt, vertreten durch Dr. Günther Romauch und Dr. Thomas Romauch, Rechtsanwälte in Wien III, Landstarßer Hauptstraße 7, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/ABV/13116/762 490/1997, betreffend Versagung einer Arbeitserlaubnis nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der am gestellte Antrag des Beschwerdeführers, ihm eine Arbeitserlaubnis nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) auszustellen, gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 14a Abs. 1 AuslBG abgewiesen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensverlaufes und der maßgebenden Rechtslage in sachverhaltsmäßiger Hinsicht im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei von einem näher bezeichneten Arbeitgeber in Sollenau seit bis laufend als Arbeitnehmer zur Sozialversicherung angemeldet. Dem Beschwerdeführer sei ein Befreiungsschein gemäß § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG mit zeitlicher Geltungsdauer bis ausgestellt worden. Dieser Befreiungsschein sei mit rechtskräftig gewordenen Bescheid des Arbeitsmarktservice Handel-Transport-Verkehr-Landwirtschaft vom widerrufen worden. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom , Zl. 2 C 121/95, sei die vom Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe für nichtig erklärt worden. Dieses Urteil habe diese Ehe rückwirkend vernichtet. Der Befreiungsschein sei für den Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin ausgestellt worden. Da diese Ehe nie bestanden habe, sei zu folgern, daß auch der Befreiungsschein und die damit verbundenen Rechte nie bestanden hätten. Die ab Ausstellung des (widerrufenen) Befreiungsscheines zurückgelegten Beschäftigungszeiten könnten daher nicht als erlaubte rechtmäßige Beschäftigung im Sinn des AuslBG anerkannt werden. Die Voraussetzungen für die Ausstellung der beantragten Arbeitserlaubnis seien daher mangels Vorliegen einer erlaubten Beschäftigung nicht erfüllt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Ausstellung der beantragten Arbeitserlaubnis nach dem AuslBG verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 14a Abs. 1 AuslBG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 78/1998) ist einem Ausländer auf Antrag eine Arbeitserlaubnis auszustellen, wenn der Ausländer in den letzten 14 Monaten insgesamt 52 Wochen im Bundesgebiet im Sinne des § 2 Abs. 2 mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war.
Die Arbeitserlaubnis ist zufolge § 14f Abs. 1 leg. cit. zu widerrufen, wenn unter anderem nach Z. 1 der Ausländer im Antrag auf Ausstellung der Arbeitserlaubnis über wesentliche Tatsachen wissentlich falsche Angaben gemacht hat oder solche Tatsachen verschwiegen hat.
Gemäß § 16 Abs. 1 AuslBG ist der Befreiungsschein zu widerrufen, wenn der Ausländer im Antrag auf Ausstellung eines Befreiungsscheines über wesentliche Tatsachen wissentlich falsche Angaben gemacht oder solche Tatsachen verschwiegen hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 98/09/0144, in einem mit dem vorliegenden vergleichbaren Beschwerdefall dargelegt hat, ist das Rechtsinstitut des Widerrufes im AVG nicht ausdrücklich genannt. Es handelt sich dabei um einen Fall der Durchbrechung der Rechtskraft eines Bescheides durch Aufhebung desselben. Der Widerruf des § 14f AuslBG ist ebenso wie der des § 9 (Widerruf der Beschäftigungsbewilligung) und des § 16 (Widerruf des Befreiungsscheines) AuslBG eine Verwaltungsvorschrift im Sinn des § 68 Abs. 6 AVG, welche die Behörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Zurücknahme rechtskräftig erteilter Bewilligungen bzw. Erlaubnisse ermächtigt. Die von Schnorr, AuslBG4, 1998, Rz 3 zu § 9, vertretene Ansicht, "(D)er vierte Tatbestand des § 68 Abs. 4 AVG, daß ein Gesetz bestimmte Fehler des Bescheides ausdrücklich mit Nichtigkeit bedroht, wird durch § 9 verwirklicht", ist zwar im Hinblick auf den Wortlaut der auf abgeschlossene Geschehnisse bei Erlassung des widerrufenen Bescheides abstellende Sachverhalte in den jeweiligen Abs. 1 der §§ 9, 14f und 16 AuslBG nicht von vornherein von der Hand zu weisen, aber im Hinblick darauf, daß § 68 Abs. 4 AVG die ausdrückliche Bedrohung mit Nichtigkeit verlangt, nicht überzeugend.
Da der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens5, Seite 646 wiedergegebene hg. Rechtsprechung) auch im Fall der Nichtigerklärung eines Bescheides gemäß § 68 Abs. 4 AVG - entgegen der Absicht des historischen Gesetzgebers - davon ausgeht, diese bewirke, daß der Bescheid für die Zukunft nicht mehr besteht (ex nunc-Wirkung; anderer Ansicht etwa Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht6, Rz 664 mwN.), ist es für die Betrachtung der Folgen im Ergebnis ohne entscheidende Bedeutung, ob es sich bei der Aufhebungsform des Widerrufes der Arbeitserlaubnis um einen Fall der Nichtigerklärung oder einer sonstigen Zurücknahme einer Berechtigung außerhalb des Berufungsverfahrens handelt. Denn auch bei dem im Beschwerdefall in Frage kommenden anderen Fall der Aufhebung eines rechtskräftigen Bescheides handelt es sich um einen solchen der Vernichtbarkeit eines rechtskräftigen Bescheides (vgl. Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 1996, S. 565). Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 1376/51 = Slg. Nr. 2441/A, ausgesprochen, daß die Nichtigerklärung nur einen Spezialfall der Aufhebung darstellt. Bei dem im Beschwerdefall zu beurteilenden Fall der Aufhebung einer Berechtigung ist jedenfalls die Unwiderrufbarkeit des rechtskräftigen Bescheides durchbrochen, der zurückgenommene (= widerrufene) Bescheid kann für die Zukunft keine Rechtswirkungen mehr entfalten (im übrigen wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des genannten Erkenntnisses Zl. 98/09/0144, verwiesen).
Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis ist unter anderem die Voraussetzung einer erlaubten Vorbeschäftigung.
Die rechtsgestaltende Wirkung des für den Beschwerdeführer ausgestellten Befreiungsscheines lag darin, daß dieser zur Aufnahme einer Beschäftigung berechtigt war. Dem mit rechtskräftigen Bescheid vom erfolgten Widerruf seines Befreiungsscheines kommt keine rückwirkende Kraft dergestalt zu, daß der Befreiungsschein als von Anfang an nicht erteilt anzusehen wäre (daher ist schon aus diesem Gesichtspunkt keine Rückabwicklung des Dienstvertrages nötig, vgl. darüber hinaus § 16 Abs. 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 8 AuslBG), jedoch gilt der ausgestellte Befreiungsschein ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Widerrufsbescheides als nicht mehr existent. Da die während der letzten 14 Monate vor Antragstellung auf Ausstellung einer Arbeitserlaubnis zurückgelegten erlaubten Beschäftigungszeiten in der Dauer von 52 Wochen eine Tatbestandsvoraussetzung für die zukünftige Erteilung der Arbeitserlaubnis bilden, sind die bis zur Rechtskraft des Widerrufsbescheides auf der Grundlage des widerrufenen Befreiungsscheines zurückgelegten Beschäftigungszeiten aufgrund des Wegfalles der rechtsgestaltenden Wirkung des vormals ausgestellten Befreiungsscheines als nicht erlaubte Beschäftigungszeiten im Sinne des AuslBG anzusehen. Die gegenteilige Auffassung würde zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, daß der Widerruf eines Befreiungsscheines in der vorliegenden Konstellation nicht wirksam würde, weil umgehend beruhend auf Vorbeschäftigungszeiten ein Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis bestünde.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß sein Befreiungsschein mit dem rechtskräftig gewordenen Bescheid vom widerrufen wurde. Insoweit in der Beschwerde die bei Ausstellung dieses widerrufenen Befreiungsscheines gegebene Sachlage bzw. zur Nichtigerklärung der Ehe führende Gründe näher dargelegt werden, wird übersehen, daß diese Umstände an dem für die Anerkennung erlaubter Vorbeschäftigungszeiten maßgebenden rechtskräftigen Widerruf des Befreiungsscheines nichts zu ändern vermögen. Diese nunmehr in der Beschwerde vorgebrachten Argumente wurden im übrigen ohnedies in dem rechtskräftig abgeschlossenen gerichtlichen Ehenichtigkeitsverfahren behandelt bzw. hätten allenfalls gegen einen Widerruf des Befreiungsscheines sprechende Umstände im Widerrufsverfahren geltend gemacht werden müssen.
Ausgehend von dem rechtskräftigen Widerruf des Befreiungsscheines war von der belangten Behörde nicht zu untersuchen, ob die Nichtigerklärung der Ehe oder die Ausstellung des Befreiungsscheines rechtmäßig waren. Es ist daher auch vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall zu dem Ergebnis gelangte, daß der Beschwerdeführer im Hinblick auf den Widerruf seines Befreiungsscheines keine erlaubte Vorbeschäftigung aufzuweisen habe und daher die Voraussetzungen im Sinn des § 14a AuslBG nicht erfüllt waren.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am