VwGH vom 25.06.1992, 91/16/0030
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der X-Bau-Wohn- und Siedlungsgenossenschaft reg. Gen.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 11 - 1637/90, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob die Beschwerdeführerin (ein gemeinnütziger Bauträger im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955 - in der Folge: GrEStG) für den Kaufvertrag vom 27.(/31.) Juli 1979, auf Grund dessen sie den Anspruch auf Übereignung eines bestimmten Grundstückes in Wien - in der Absicht, Kleinwohnungen darauf zu errichten - erworben hatte, (im Sinne der angefochtenen Berufungsentscheidung) Grunderwerbsteuer zu entrichten hat,
weil sie - ohne die erwähnte Absicht verwirklicht zu haben - dieses Grundstück mit Kaufvertrag vom an einen anderen gemeinnützigen Bauträger weiterveräußert und dieser zwar Kleinwohnungen auf diesem Grundstück (nach den ungeprüft gebliebenen - in Übereinstimmung mit den Angaben des anderen gemeinnützigen Bauträgers stehenden - Behauptungen der Beschwerdeführerin im Abgabenverfahren noch vor Ablauf des Jahres 1983) errichtet hatte, aber der diese Wohnungen betreffende Wohnungseigentumsvertrag von den Miteigentümern des Grundstückes erst in der Zeit vom 18. September bis unterfertigt worden war,
oder (wie die Beschwerdeführerin vermeint) nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG ist jedes Erkenntnis zu begründen. Soweit die Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung klargestellt ist, genügt es, diese anzuführen.
Nach § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. a GrEStG, das im vorliegenden Fall auf Grund des § 12 Abs. 2 erster Satz GrEStG 1987 noch anzuwenden ist, ist beim Kleinwohnungsbau im Sinne der Vorschriften über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Kleinwohnungen durch ein Unternehmen, das als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen oder als Organ der staatlichen Wohnungspolitik anerkannt ist (gemeinnütziger Bauträger), von der Besteuerung ausgenommen.
Gemäß § 4 Abs. 2 erster Satz GrEStG idF vor der Novellierung durch das AbgÄG 1985, BGBl. Nr. 557, - nach Abschnitt VIII Art. II Z. 1 dieses Abgabenänderungsgesetzes ist Art. I Z. 1 bis 4 auf alle Vorgänge anzuwenden, die nach dem verwirklicht werden (der hier in Rede stehende Erwerbsvorgang wurde am verwirklicht) - unterliegen u.a. die im Abs. 1 Z. 1 lit. a bezeichneten Erwerbsvorgänge mit dem Ablauf von acht Jahren der Steuer, wenn das Grundstück vom Erwerber nicht innerhalb dieses Zeitraumes zu dem begünstigten Zweck verwendet worden ist.
Gemäß § 4 Abs. 2 zweiter Satz GrEStG, der durch das Abgabenänderungsgesetz 1985 unberührt blieb, GILT EIN GRUNDSTÜCK AUCH DANN von einem gemeinnützigen Bauträger ZU DEM ZWECK DES ABS. 1 Z. 1 LIT. A oder von einer Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum zu DEM ZWECK DES ABS. 1 Z. 2 LIT. A, ALS VERWENDET, WENN es vom Bauträger oder von der Vereinigung vor Ablauf von acht Jahren veräußert wurde UND NOCH INNERHALB DIESES ZEITRAUMES auf dem Grundstück Kleinwohnungen oder Arbeiterwohnstätten IM WOHNUNGSEIGENTUM errichtet werden.
Der Beschwerdeführerin, die aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dessen Erkenntnisse vom , Zl. 197/67, vom , Zl. 1502/68, und vom , Zlen. 81/16/0239, 0241, in der Beschwerde zitiert, behauptet, der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner späteren Judikatur das Erkenntnis vom immer nur wiederholt.
Zunächst ist zu bemerken, daß das (z.B. in der ÖStZB 1516/1967, S. 126, veröffentlichte) Erkenntnis vom zwar einen Erwerbsvorgang der Beschwerdeführerin betroffen hat, jedoch keinen Fall des § 4 Abs. 2 zweiter Satz GrEStG, der - und das scheint die Beschwerdeführerin vor allem zu übersehen - auf die GrEStG-Novelle 1962, BGBl. Nr. 225, zurückgeht, die unter anderem auch den Zweck verfolgte, die Schaffung von Wohnungeigentum steuerlich in erhöhtem Ausmaß zu begünstigen. Deshalb wurde im § 4 Abs. 2 GrEStG im bestimmten Umfang auch auf die nachträgliche Vorschreibung der Grunderwerbsteuer verzichtet, wenn der Erwerber eines Grundstückes nicht selbst den begünstigten Zweck erfüllt, sondern solche Kleinwohnungen durch einen anderen gemeinnützigen Bauträger innerhalb eines Zeitraumes von acht Jahren, gerechnet vom ersten Erwerb, errichtet werden (siehe das - z.B. in der Slg. Nr. 3930/F veröffentlichte - Erkenntnis vom , das entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung keineswegs das einzige ausführlich begründete Erkenntnis im Zusammenhang mit § 4 Abs. 2 zweiter Satz GrEStG geblieben ist).
Die Beschwerdeführerin dürfte auch übersehen, daß der Verwaltungsgerichtshof in dem zuletzt angeführten Erkenntnis u. a. dargetan hat, daß der GESETZGEBER in der zuletzt zitierten Gesetzesstelle EINE UNTERSCHIEDLICHE BEHANDLUNG der Schaffung von Kleinwohnungen einerseits und von Arbeiterwohnstätten andererseits NICHT WOLLTE, weshalb die Freiheit von der Grunderwerbsteuer nach § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. a GrEStG nicht gewährt werden kann, wenn auf einem von einem gemeinnützigen Bauträger veräußerten Grundstück vom anderen, zweiterwerbenden gemeinnützigen Bauträger innerhalb der vom ersten Erwerb an zu rechnenden achtjährigen Frist Kleinwohnungen allein und nicht im Wohnungseigentum errichtet wurden.
Nun hat der Verwaltungsgerichtshof z.B. in seinem Erkenntnis vom , Zl. 16/0125/80, ÖStZB 12/1982, S. 182, worauf er z.B. in seinem - diesbezüglich in der ÖStZB 9/1986, S. 147, nicht veröffentlichten - Erkenntnis vom , Zl. 84/16/0027 (s.S. 4 Abs. 3 der Erkenntnisausfertigung), nachdrücklich verwiesen hat, mit ausführlichen Judikatur- und Literaturzitaten dargetan, daß ganz abgesehen von den anderen Voraussetzungen der Anwendbarkeit des eine lex specialis darstellenden § 4 Abs. 2 zweiter Satz GrEStG auf dem erworbenen Grundstück nach seiner Veräußerung durch den Ersterwerber NOCH INNERHALB DER ACHTJÄHRIGEN FRIST Kleinwohnungen oder Arbeiterwohnstätten IM WOHNUNGSEIGENTUM errichtet werden müssen.
Im übrigen hat der Verfassungsgerichtshof - allgemeiner als in dem in dem angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom behandelten Erkenntnis vom , B 60/74, Slg. Nr. 7359, - in seinem Erkenntnis vom , B 81/88, Slg. Nr. 11900, im Zusammenhang mit der Schaffung von Wohnungseigentum durch einen gemeinnützigen Bauträger u.a. dargetan, daß eine Frist von acht Jahren bei gebotener Durchschnittsbetrachtung jedenfalls geeignet ist, die Fälle einer gerechtfertigten Begünstigung von Fällen abzugrenzen, in denen nach den rechtspolitischen Vorstellungen des Gesetzgebers, gegen deren Sachlichkeit an sich weder Bedenken vorgebracht wurden noch bestehen, eine Begünstigung nicht (mehr) gewährt werden soll.
Diese Auffassung deckt sich mit der des Verwaltungsgerichtshofes, der im vorliegenden Fall weder einen Anlaß für eine Antragstellung im Sinne des Art. 140 Abs. 1 erster Satz B-VG noch für ein Abgehen von seiner ständigen gefestigten Rechtsprechung zu § 4 Abs. 2 zweiter Satz GrEStG findet.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist auch die mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 167/86, u.a., Slg. Nr. 11190, erfolgte Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG auf den vorliegenden Fall ohne Einfluß geblieben. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof - von den Anlaßfällen des damaligen Gesetzesprüfungsverfahrens abgesehen - nämlich nur jene Rechtssachen, in denen am ein Berufungsverfahren anhängig war, sowie jene, in denen vor dem , 10.30 Uhr, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde, von der weiteren Anwendung der aufgehobenen Gesetzesbestimmung ausgeschlossen. Letztere war daher gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG auf die vor der Aufhebung (das ist vor dem ) verwirklichten Tatbestände weiterhin anzuwenden, zu denen auch der vorliegende Fall zählt. Aus welchen Gründen der vorliegende Fall nicht unter die Anlaßfälle jenes Gesetzesprüfungsverfahrens fiel, ist ohne rechtliche Bedeutung (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 89/16/0218, mit weiterem Hinweis).
Die vorliegende Beschwerde ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof kann ungeachtet des Antrages der Beschwerdeführerin auf Grund des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von einer Verhandlung absehen.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Fundstelle(n):
UAAAE-62935