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VwGH vom 27.02.1995, 94/16/0074

VwGH vom 27.02.1995, 94/16/0074

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des C in K, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 60.143-6/94, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem Schriftsatz vom bot der Beschwerdeführer der S. AG an, das "1. Obergeschoß im Wohn- und Geschäftshaus" in K. als Käufer um einen Kaufpreis von S 7,000.000,-- zu erwerben. Der Schriftsatz enthält den Vermerk "Annahme genehmigt bei Vst. Sitzung" am .

Mit einem an den Beschwerdeführer gerichteten Schriftsatz der S. AG vom wurde das Anbot ausdrücklich - unter Wiederholung der Bedingungen des Anbots - angenommen.

Der Erwerbsvorgang wurde am mit einer Abgabenerklärung dem zuständigen Finanzamt angezeigt, wobei hinsichtlich des Kaufgegenstandes auf das Erfordernis einer "Parifizierung" hingewiesen wurde.

In der Berufung gegen den hierauf vom Finanzamt erlassenen vorläufigen Grunderwerbsteuerbescheid wurde eingewendet, zwischen dem Beschwerdeführer und der S. AG sei nie ein gültiger Kaufvertrag zustande gekommen. Das schriftliche Anbot sei einvernehmlich dahin abgeändert worden, daß als Käufer die A. GmbH auftrete. Dies sei noch vor der Annahme des Anbotes geschehen. Die Kaufverhandlungen zwischen der S. AG und der A. GmbH stünden kurz vor dem Abschluß. Dies könne auch Rudolf H., Prokurist der S. AG, bestätigen.

Nach Erlassung einer die Berufung abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vom "neu" vorgebracht, zwischen dem Beschwerdeführer und der S. AG sei ausdrücklich die Aufhebung des Rechtsgeschäftes vereinbart worden. Es werde die Nichtfestsetzung der Steuer beantragt. Angeschlossen war eine undatierte Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und der S. AG über die einvernehmliche Auflösung des Kaufvertrages.

Bei einer von der belangten Behörde durchgeführten Vernehmung gab der Beschwerdeführer am an, soweit er sich erinnern könne, sei die "einvernehmliche Rückgängigmachung" ungefähr Mitte Juli 1988 zustande gekommen. Dazu sei es gekommen, weil dem Beschwerdeführer von der Bank eine Kreditzusage verweigert worden war. Der neue Kaufvertrag mit der A. GmbH sei erst einige Monate später abgeschlossen worden. Die S. AG sei völlig ungebunden gewesen; sie habe seines Wissens nach Rückerlangung ihrer freien Verfügungsmacht auch mit anderen Personen Gespräche über den Verkauf der Liegenschaft aufgenommen.

Am schlossen die S. AG und die A. GmbH, an der der Beschwerdeführer, seine Ehegattin und zwei gemeinsame Kinder zu gleichen Teilen beteiligt sind, einen Kaufvertrag über Liegenschaftsanteile der in Rede stehenden Liegenschaft ab, wobei für eine beabsichtigte Nutzwertfeststellung die einzelnen Räumlichkeiten aufgezählt wurden, die dem erworbenen Liegenschaftsanteil entsprechen sollten.

Auf ein umfangreiches Auskunftsersuchen der belangten Behörde gab Rudolf H. in einer Eingabe vom an, er könne zum Sachverhalt keine Stellungnahme abgeben, da er seit vier Jahren nicht mehr in seiner seinerzeitigen Funktion tätig sei und daher darüber keine Unterlagen mehr besitze.

Nach einem entsprechenden Ersuchen der belangten Behörde gab die S. AG mit Schreiben vom bekannt, der Beschwerdeführer habe nach der fristgerechten Annahme seines Anbotes vom in der Folge versucht, diesen Kaufvertrag wieder aufzulösen. Die S. AG sei aber an einer Auflösung des Kaufvertrages nicht interessiert gewesen. Eine Irrtumsanfechtung sei auch dem Beschwerdeführer als aussichtslos erschienen. Als sich die A. GmbH bereit erklärte, den gleichen Kaufpreis wie der Beschwerdeführer zu bezahlen, habe die S. AG der Auflösung des Kaufvertrages zugestimmt.

In einer Stellungnahme zu diesem Schreiben der S. AG gab der Vertreter des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom an, dieser habe die Liegenschaft nie übergeben erhalten. Es sei von jeher das Bestreben des Beschwerdeführers gewesen, diesen Vertrag entweder anzufechten oder auf einvernehmlichem Wege zur Auflösung zu bringen, wobei es ihm gleichgültig gewesen sei, wer die Liegenschaft erwerben sollte. Die Rückgängigmachung des ursprünglichen Erwerbsvorganges sei vom Beschwerdeführer immer ernstlich betrieben worden. Die S. AG sei nicht verpflichtet gewesen, die Liegenschaft anstatt an den Beschwerdeführer an die A. GmbH zu verkaufen. Sie hätte vielmehr an jeden beliebigen Käufer veräußern können. Diesbezüglich werde die Einvernahme des Dkfm. W. von der S. AG als Zeugen beantragt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde billigte dabei den Angaben der Verkäuferin mehr Glaubwürdigkeit als jenen des Beschwerdeführers zu. Die Auflösung des ersten Vertrages sei erst zustande gekommen, als der Abschluß des weiteren Kaufvertrages gesichert war. Die belangte Behörde verwies dazu insbesondere auf den Umstand, daß der Beschwerdeführer geschäftsführender Gesellschafter der A. GmbH ist. Außerdem sei die Verkäuferin nur bereit gewesen, zu denselben Bedingungen (Kaufpreis) mit einem anderen Käufer abzuschließen. Die Verkäuferin habe ihre ursprüngliche Rechtsstellung nicht wiedererlangt. Der als Zeuge namhaft gemachte Dkfm. W. habe das Schreiben der S. AG vom verfaßt, sodaß von einer nochmaligen Befragung abzusehen sei.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift sowie die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 682/1994 wird die Steuer auf Antrag nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechts rückgängig gemacht wird.

Entscheidend für die Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges ist es, daß sich die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bedingungen entlassen, daß die Möglichkeit der Verfügung über das betroffene Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Stellung wiedererlangt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 94/16/0139, mit weiteren Hinweisen).

Die belangte Behörde hat aufgrund des von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens in freier Beweiswürdigung (§ 167 Abs. 2 BAO) entsprechend den Angaben der Verkäuferin angenommen, daß die Auflösungsvereinbarung - die darüber errichtete Urkunde ist nicht datiert - erst in dem Zeitpunkt zustande gekommen ist, in dem der Kaufvertrag mit der A. GmbH abgeschlossen worden ist. Diese Sachverhaltsannahme der belangten Behörde erscheint schlüssig, wobei sie zu Recht darauf hingewiesen hat, daß der Beschwerdeführer geschäftsführender Gesellschafter der A. GmbH ist, deren Anteile sich in den Händen des Beschwerdeführers bzw. seiner Familienmitglieder befinden. Überdies ist Betriebsgegenstand dieser GmbH ein Gaststättenunternehmen; Absicht des Beschwerdeführers war schon nach seinem Anbot, das im Kaufobjekt bestehende Restaurant fortzuführen. Die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, es sei dem Beschwerdeführer gleichgültig gewesen, wer an seiner Stelle die Liegenschaft erwirbt, ist mit dieser Sachlage nicht in Einklang zu bringen.

Da die Verkäuferin nach den schlüssigen Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde erst in dem Zeitpunkt zur Auflösung des ursprünglichen Kaufvertrages bereit war, als die vom Beschwerdeführer beherrschte A. GmbH als Käuferin des Kaufgegenstandes zu unveränderten Bedingungen auftrat, wurde der erste Kaufvertrag durch den Auflösungsvertrag nicht mit der Wirkung rückgängig gemacht, daß dadurch die S. AG ihre freie Verfügungsmacht über den Liegenschaftsanteil wiedererlangt hätte.

Der vom Beschwerdeführer hervorgehobene Umstand, daß der Liegenschaftsanteil an den Beschwerdeführer nicht "übergeben" worden sei, ist dabei deshalb nicht maßgeblich, weil der Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 bereits durch das Verpflichtungsgeschäft, nicht aber durch das Erfüllungsgeschäft verwirklicht wird.

Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift wurde im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht, daß um eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung nicht angesucht bzw. eine solche nicht erteilt worden ist. Abgesehen davon, daß es sich bei diesem Vorbringen um eine vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung handelt, hat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift dem zutreffend entgegengehalten, daß das gegenständliche Rechtsgeschäft nach dem im Beschwerdefall anzuwendenden Tiroler Grundverkehrsgesetz, LBGl. Nr. 69/1983, keiner Genehmigung bedurfte.

Soweit der Beschwerdeführer die Unterlassung der (förmlichen) Einvernahme des Dkfm. W. als Zeugen als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, ist ihm entgegenzuhalten, daß in dem im Verwaltungsverfahren eingebrachten Beweisantrag als Thema der Einvernahme ausdrücklich die Beantwortung der Frage angegeben war, ob die S. AG verpflichtet gewesen sei, den Kaufgegenstand an die A. GmbH zu veräußern oder ob die S. AG an jeden beliebigen Käufer hätte veräußern können. Für den Beschwerdefall war demgegenüber von wesentlicher Bedeutung, daß die S. AG zu einer Auflösung erst Zug um Zug mit dem zweiten Kaufvertrag bereit gewesen war und deswegen tatsächlich ihre Verfügungsmacht nicht wiedererlangt hatte. Das im Verwaltungsverfahren bezeichnete Beweisthema war jedoch für die Beurteilung des Streitfalles unerheblich, sodaß die Behörde von der Aufnahme des beantragten Beweises abzusehen hatte (vgl. § 183 Abs. 3 BAO).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.