Suchen Hilfe
VwGH vom 25.11.1999, 99/16/0369

VwGH vom 25.11.1999, 99/16/0369

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:

* Ausgesetztes Verfahren:

98/16/0042 B

Siehe:

EuGH 61997CJ0439

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der E AG in W, vertreten durch Dr. Arnold, Rechtsanwalts-Kommandit Partnerschaft in Wien 1, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9 - 186/1/95, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde eine Berufung der Beschwerdeführerin (einer inländischen Darlehensschuldnerin) gegen den erstinstanzlichen Rechtsgebührenbescheid vom als unbegründet abgewiesen und auf der Basis einer so genannten Ersatzbeurkundung die Gebührenpflicht für ein Darlehen bejaht, welches die Beschwerdeführerin in Höhe von ATS 150 Mio. im Jahr 1994 von der Esso Capital B.V. erhalten hat. Über dieses Darlehen war keine Urkunde errichtet worden, die Beschwerdeführerin hatte es jedoch in ihre Bücher aufgenommen.

In der dagegen erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung der Rechtsgebühr verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof richtete mit Beschluss vom gemäß Art. 177 (jetzt Art. 234) EGV an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen zur Vorabentscheidung:

"1) Stehen Art. 73b iVm Art. 73d (insbesondere dessen Abs. 3) EG-Vertrag und Art. 1 Abs. 1 iVm Art. 4 der Kapitalverkehrs-RL, 88/361/EWG, der Beibehaltung jener Bestimmung des § 33 TP 8 Abs. 4, Satz 1 Gebührengesetz 1957 (idF BGBl. 818/1993 entgegen, wonach in Fällen, in denen über das Darlehen eines Darlehensgebers, der im Inland weder einen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt noch seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz hat, keine Urkunde in einer für das Entstehen der Gebührenpflicht maßgeblichen Weise errichtet wurde, die nach den abgabenrechtlichen Vorschriften im Inland zu führenden Bücher und Aufzeichnungen des Darlehensschuldners, in die das Darlehen aufgenommen wurde, als Urkunde gelten?

2) Stellt die Besteuerung von Darlehen (soweit dabei ein Kapitalfluss von einem Mitgliedstaat in den anderen erfolgt) durch § 33 TP 8 Abs. 1 GebG eine willkürliche Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 73b des Vertrages dar?

Mit Urteil vom , C 439/97 erkannte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften über das erwähnte Ersuchen um Vorabentscheidung wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"1.
Artikel 73b Absatz 1 und Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 Absatz 1 EG und 58 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 3 EG) sind so auszulegen, dass sie der Besteuerung von in einem anderen Mitgliedstaat aufgenommenen Darlehen nach einer nationalen Bestimmung wie § 33 Tarifpost 8 Absatz 1 GebG nicht entgegenstehen.
2.
Artikel 73b Absatz 1 und Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages stehen einer nationalen Bestimmung wie § 33 Tarifpost 8 Absatz 4 Satz 1 GebG entgegen."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde zur Besteuerung des Darlehens eines ausländischen Darlehensgebers der Ersatzbeurkundungstatbestand des § 33 TP 8 Abs. 4 Satz 1 GebG idF BGBl. Nr. 818/1993 angewendet. Diese Norm verstößt nach dem oben wiedergegebenen Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften gegen das Gemeinschaftsrecht und ist daher nicht anzuwenden.
Gemäß Art. 40 des EWR-Abkommens unterliegt der Kapitalverkehr in Bezug auf Berechtigte, die in den EG-Mitgliedstaaten oder den EFTA-Staaten ansässig sind, im Rahmen dieses Abkommens keinen Beschränkungen und keiner Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes der Parteien oder des Anlageortes. Die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel sind in Anhang XII enthalten.
Im Anhang XII wird auf die Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom Bezug genommen. Aus den Anpassungsvorschriften des Anhanges XII kann nicht ersehen werden, dass diese Richtlinie im Rahmen des EWR nicht anzuwenden gewesen wäre.
Da das EWR-Abkommen unmittelbar anwendbar war
(vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/16/0182) und die unmittelbar anwendbare Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom der Vorschreibung der Rechtsgebühr nach § 33 Tarifpost 8 Absatz 4 Satz 1 GebG entgegenstand, belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am

Fundstelle(n):
QAAAE-62851