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VwGH vom 23.06.1993, 91/15/0155

VwGH vom 23.06.1993, 91/15/0155

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl MD-VfR-H 34/91/Str, betreffend Verwaltungsübertretung nach dem Wiener Dienstgeberabgabegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien (Land) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe die Dienstgeberabgabe für die in ihrem Betrieb beschäftigten Dienstnehmer für die Monate Jänner bis Dezember 1987 bis zum weder bezahlt noch erklärt und hiedurch die Dienstgeberabgabe um den Betrag von S 32.990,-- fahrlässig verkürzt. Sie habe damit gegen § 8 Abs 1 des (Wiener) Dienstgeberabgabegesetzes, LGBl Nr 17/1970, idgF verstoßen. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über die Beschwerdeführerin gemäß der eben zitierten Gesetzesstelle eine Geldstrafe von S 65.000,-- (Ersatzarreststrafe: 6 Wochen) verhängt. Die dem genannten Verkürzungsbetrag entsprechende Abgabennachforderung war bereits in der die abgabenbehördliche Nachschau im Betrieb der Beschwerdeführerin betreffenden Niederschrift vom durch den steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin anerkannt worden. In der Begründung des Straferkenntnisses führte die belangte Behörde zum Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom , die im Rahmen der Steuerprüfung erfolgte Schätzung der Steuerschuld sei zu Unrecht erfolgt und hätte von ihrem Bevollmächtigten nicht anerkannt werden dürfen, weil korrekte Lohnaufzeichnungen vorhanden (gewesen) seien, sinngemäß aus, das Vorhandensein der von der Abgabenbehörde vermißten Unterlagen könne nicht angenommen werden, weil die Beschwerdeführerin diese Unterlagen trotz hiefür eingeräumter Gelegenheit nicht vorgelegt habe. Die Verwaltungsübertretung sei somit als erwiesen anzusehen. Bei der Strafzumessung wurden die bisherigen Vorstrafen der Beschwerdeführerin "in einschlägigen Delikten" als erschwerend, hingegen kein Umstand als mildernd gewertet.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, die verhängte Geldstrafe erscheine im Hinblick auf den verkürzten Betrag und den Umstand, daß die Beschwerdeführerin "schon seit mehreren Jahren nicht mehr aktiv ist und die Firma nicht mehr existiert", unangemessen hoch. Der Beschwerdeführerin seien im Jahr vor dem Tatzeitraum zwei Drittel der Bauchspeicheldrüse entfernt worden und sei sie nach dieser Operation völlig apathisch und gehörlos gewesen. Sie sei daher nicht imstande gewesen, ihre laufenden Agenden wahrzunehmen und ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Ihre Verhandlungsunfähigkeit sei auch durch ein Gutachten eines Sachverständigen der Gerichtsmedizin erweisbar.

Die belangte Behörde forderte daraufhin die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf ihre im Verwaltungsstrafverfahren bestehende Mitwirkungspflicht auf, binnen zwei Wochen darzutun, wann die angeführte Operation genau gewesen sei und wie lange der Aufenthalt im Krankenhaus gedauert habe. Sofern die Beschwerdeführerin eine gänzliche Dispositionsunfähigkeit behaupte, möge sie konkret die Dauer derselben angeben und Beweismittel hiefür vorlegen bzw. namhaft machen und darlegen, wie bei fehlender Dispositionsfähigkeit ihr Betrieb geführt worden sei.

Die Beschwerdeführerin legte hierauf dem Magistrat der Stadt Wien ein Konvolut von Arztbefunden vor, die zwar gewisse Leiden der Beschwerdeführerin aufzeigen, allesamt aber keinen Hinweis auf die von ihr behauptete Dispositionsunfähigkeit enthalten.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, nach der Aktenlage am zugestellten Bescheid bestätigte die belangte Behörde das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß im Spruch das Wort "Jänner" durch das Wort "März" ersetzt und als Übertretungsnorm § 8 Abs 1 (Wiener) Dienstgeberabgabegesetz, LGBl Nr 17/1970, angeführt wurde. Die Strafe wurde in Anwendung des § 51 Abs 4 VStG auf S 20.000,-- (Ersatzarreststrafe: 12 Tage) herabgesetzt. In der Begründung dieses Bescheides erwähnte die belangte Behörde nochmals, daß die im Ausmaß der Abgabennachforderung bestehende Abgabenverkürzung von S 32.990,-- lediglich den Zeitraum von März bis Dezember 1987 betreffe. Die Abgabenverkürzung sei "auf Grund der bei der anerkannten Steuerprüfung vom getroffenen Feststellungen erwiesen". Auch stehe fest, daß die Beschwerdeführerin die sie objektiv treffende Verpflichtung, die Dienstgeberabgabe rechtzeitig abzurechnen und zu entrichten, nicht erfüllt habe. Nach der Aktenlage sei es der Beschwerdeführerin auch subjektiv möglich gewesen, ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Die von ihr angeführte gesundheitliche Beeinträchtigung erweise noch keine Dispositionsunfähigkeit, "zumal selbst der angeführte stationäre Aufenthalt nicht die Tatzeit" betreffe. Die verhängte Geldstrafe von S 20.000,-- mache weniger als zwei Drittel des verkürzten Abgabenbetrages aus und berücksichtige die durch die Krankheit der Beschwerdeführerin gegebenen Erschwernisse. Sie nehme ferner auf die durch die Krankheit bedingte Beendigung der betrieblichen Tätigkeit und der damit verbundenen ungünstigen Einkommens- und Vermögenslage bedacht. Ein Anhaltspunkt für Sorgepflichten der Beschwerdeführerin bestehe nicht. Eine weitere Strafherabsetzung erscheine deswegen nicht gerechtfertigt, "da auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Verwaltungsstrafen" vorlägen. Dazu komme, daß das Interesse, dem die Strafdrohung diene (die fristgerechte und ordnungsgemäße Steuereinbringung), erheblich gefährdet worden sei, zumal eine weitere Säumnis nur durch die Tätigkeit der Abgabenbehörde hintangehalten worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür nicht, hilfsweise nicht in der genannten Höhe, bestraft zu werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 (Wiener) Dienstgeberabgabegesetz hat der Dienstgeber für das Bestehen eines Dienstverhältnisses in Wien eine Abgabe nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu entrichten. Gemäß § 6 Abs 1 leg cit hat der Abgabepflichtige bis zum 10. Tag jedes Monates die im Vormonat entstandene Abgabenschuld zu entrichten. Gemäß dem ersten Satz des Abs 2 dieser Gesetzesstelle hat der Abgabepflichtige jeweils bis zum 10. Feber die im vorangegangenen Kalenderjahr entstandene Abgabenschuld beim Magistrat schriftlich zu erklären.

Gemäß § 8 Abs 1 Dienstgeberabgabegesetz in der Stammfassung sind Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geld bis zum Zehnfachen des Verkürzungsbetrages zu bestrafen. Im Falle der Uneinbringlichkeit tritt an Stelle der Geldstrafe Arrest bis zu drei Monaten.

Diese Vorschrift erhielt zuletzt durch Art IV der Novelle LGBl für Wien Nr 73/1990 folgende Fassung:

"Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Abgabe verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis S 300.000,-- zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen."

Gemäß § 1 Abs 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Fällung des Bescheides erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Becheid zutreffend erkannt hat, betrifft die letztangeführte Fassung lediglich die Strafsanktionsnorm (§ 44a lit c VStG), nicht jedoch die Verbotsnorm (§ 44a lit b VStG). Im Beschwerdefall ist daher im Hinblick auf den von der belangten Behörde festgestellten Verkürzungsbetrag davon auszugehen, daß als Übertretungsnorm § 8 Abs 1 Dienstgeberabgabegesetz in der Stammfassung und als Strafsanktionsnorm diese Gesetzesstelle in der Fassung der Novelle LGBl für Wien Nr 73/1990 heranzuziehen ist.

Die Beschwerdeführerin macht STRAFBARKEITSVERJÄHRUNG geltend, weil gemäß § 31 Abs 3 VStG ein Strafbescheid nach Ablauf von drei Jahren nicht mehr erlassen werden dürfe.

Nach dem ersten Satz des § 31 Abs 3 VStG darf ein Straferkenntnis - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch eine Berufungsentscheidung (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2912/80) - nicht mehr gefällt werden, wenn seit dem im Abs 2 leg cit bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen sind. Nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle ist die Frist von dem Zeitpunkt zu berechnen ist, "an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist ODER DAS STRAFBARE VERHALTEN AUFGEHÖRT HAT".

Da das strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin im Beschwerdefall darin zu erblicken ist, es unterlassen zu haben, die für die Monate März bis Dezember 1987 in Höhe des von der belangten Behörde festgestellten Verkürzungsbetrages nicht entrichtete Dienstgeberabgabe in ihre dieses Jahr betreffende Abgabenerklärung aufzunehmen oder zumindest nachträglich eine solche richtige Selbstbemessung zu erstatten, endete das strafbare Verhalten jedenfalls nicht vor der bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung, die die Selbstbemessung ersetzte. Die von diesem Ereignis zu berechnende Dreijahresfrist war daher im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am noch nicht abgelaufen. Der von der Beschwerdeführerin erhobene Vorwurf der Entscheidung trotz eingetretener Strafbarkeitsverjährung besteht daher nicht zu Recht.

Daß nicht die Beschwerdeführerin, sondern die "S GmbH" Dienstnehmer beschäftigt habe und daher dienstgeberabgabepflichtig gewesen sei, stellt ein erstmaliges Sachvorbringen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dar und unterliegt daher dem in diesem Verfahren geltenden Neuerungsverbot.

Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß den von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsstrafverfahren vorgelegten Urkunden etwas für die von ihr behauptete Dispositionsunfähigkeit entnommen werden könnte. Die Beschwerdeführerin hat übrigens der ausdrücklichen Aufforderung der belangten Behörde, zur Frage der Dispositionsfähigkeit und ihrer Dauer konkret Stellung zu nehmen, nicht entsprochen.

Dem Verwaltungsstrafverfahren haftet kein wesentlicher Mangel an. Feststellungen der belangten Behörde darüber, wieviele Dienstnehmer die Beschwerdeführerin im maßgebenden Zeitraum beschäftigt hat, waren schon angesichts der diesen Punkt nicht umfassenden Berufungsausführungen nicht erforderlich.

Soweit die Beschwerdeführerin schließlich unter Hinweis auf ihre körperliche und geistige Behinderung bemängelt, daß die über sie verhängte Geldstrafe in Relation zur Abgabenverkürzung und im Hinblick auf den gesetzlichen Strafrahmen überhöht sei, übersieht sie, daß die belangte Behörde gerade diesen persönlichen Umständen der Beschwerdeführerin durch eine Herabsetzung der von der Behörde erster Rechtsstufe festgesetzten Strafe ausreichend Rechnung getragen hat.

Im Hinblick auf das Gesagte mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr 104/1991.