VwGH vom 25.11.1999, 99/16/0365

VwGH vom 25.11.1999, 99/16/0365

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:

* Vorabentscheidungsantrag:

96/16/0256 B

* EuGH-Entscheidung:

EuGH 61997CJ0439

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Dr. Wilfried Seist und Dr. Peter Csoklich, Rechtsanwälte in Wien IX, Währingerstraße 2-4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9-200/96, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde eine Berufung der Beschwerdeführerin (einer inländischen Darlehensschuldnerin) gegen den erstinstanzlichen Rechtsgebührenbescheid vom als unbegründet abgewiesen und auf der Basis einer sogenannten Ersatzbeurkundung die Gebührenpflicht für ein Darlehen bejaht, welches der Beschwerdeführerin in Höhe von ATS 220 Mio von der Sandoz Management Services SA Brüssel am zugezählt worden war. Über dieses Darlehen war keine Urkunde errichtet worden, die Beschwerdeführerin hatte es jedoch in ihre Bücher aufgenommen.

In der dagegen erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin u.a. in ihrem subjektiven öffentlichen Recht auf "Festsetzung von Gebühren und Abgaben nur in Übereinstimmung mit dem EU-Recht, insbesondere in ihrem Recht auf Unterlassung der Festsetzung von Gebühren und Abgaben, die der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG und/oder Art. 73b Abs. 1 EGV widersprechen" verletzt.

Die Beschwerdeführerin erachtet die von der belangten Behörde angewendete Bestimmung als eine Benachteiligung des Kapitalverkehrs zwischen einem ausländischen Darlehensgeber und einem inländischen Darlehensnehmer und als geeignet, einen inländischen Darlehensnehmer abzuschrecken, sich an einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Darlehensgeber zu wenden. Es liege somit ein Hindernis für den Verkehr von Kapital vor.

Der Verwaltungsgerichtshof richtete mit Beschluss vom gemäß Art. 177 (jetzt Art. 234) EGV an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen zur Vorabentscheidung:

"1) Stehen Art. 73b iVm Art. 73d (insbesondere dessen Abs. 3) EG-Vertrag und Art. 1 Abs. 1 iVm Art. 4 der Kapitalverkehrs-RL, 88/361/EWG, der Beibehaltung jener Bestimmung des § 33 TP 8 Abs. 4, Satz 1 Gebührengesetz 1957 (idF BGBl. 818/1993 entgegen, wonach in Fällen, in denen über das Darlehen eines Darlehensgebers, der im Inland weder einen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt noch seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz hat, keine Urkunde in einer für das Entstehen der Gebührenpflicht maßgeblichen Weise errichtet wurde, die nach den abgabenrechtlichen Vorschriften im Inland zu führenden Bücher und Aufzeichnungen des Darlehensschuldners, in die das Darlehen aufgenommen wurde, als Urkunde gelten?

2) Stellt die Besteuerung von Darlehen (soweit dabei ein Kapitalfluß von einem Mitgliedstaat in den anderen erfolgt) durch § 33 TP 8 Abs. 1 GebG eine willkürliche Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 73b des Vertrages dar?

Mit Urteil vom , C 439/97 erkannte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften über das erwähnte Ersuchen um Vorabentscheidung wie folgt:


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"1.
Artikel 73b Absatz 1 und Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 Absatz 1 EG und 58 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 3 EG) sind so auszulegen, daß sie der Besteuerung von in einem anderen Mitgliedstaat aufgenommenen Darlehen nach einer nationalen Bestimmung wie § 33 Tarifpost 8 Absatz 1 GebG nicht entgegenstehen.
2.
Artikel 73b Absatz 1 und Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages stehen einer nationalen Bestimmung wie § 33 Tarifpost 8 Absatz 4 Satz 1 GebG entgegen."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Da der angefochtene Bescheid betreffend die Besteuerung des Darlehens eines ausländischen Darlehensgebers den Ersatzbeurkundungstatbestand des § 33 TP 8 Abs. 4 Satz 1 GebG idF BGBl. Nr. 818/1993 angewendet hat, diese Norm aber wegen des vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem oben wiedergegebenen Urteil ausgesprochenen Verstosses gegen das Gemeinschaftsrecht nicht anzuwenden ist, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft den von der Beschwerdeführerin für die Teilnahme am Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften geltend gemachten Betrag, für dessen Zuspruch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keinerlei Rechtsgrundlage besteht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/10/0069, 0070).
Wien, am