VwGH 19.11.2004, 2004/02/0219
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Für die Tauglichkeit einer Verfolgungshandlung ist noch nicht zu fordern, dass dem individuell bestimmten Beschuldigten allenfalls auch vorgeworfen werden muss, er habe die Tat als zur Vertretung nach außen Berufener iSd § 9 VStG zu verantworten; Dies bedeutet nicht, dass etwa eine Verfolgungshandlung im Zusammenhang mit einer Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG 1967 nicht den Vorwurf an den Beschuldigten umfassen muss, diese Übertretung in seiner Eigenschaft als Zulassungsbesitzer des Kfz verantworten zu müssen, weil es sich dabei nicht um ein Merkmal der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit iSd § 9 VStG, sondern um ein Tatbestandsmerkmal der verletzten Verwaltungsvorschrift handelt (Hinweis E VS , 86/18/0073, VwSlg 12375 A/1987). Auch nach dem BauKG 1999 ist es in diesem Sinne jeweils (wesentliches) Tatbestandselement - und damit notwendiger Inhalt einer Verfolgungshandlung -, ob der Täter bestimmte Pflichten als Bauherr, Projektleiter, Planungskoordinator oder Baustellenkoordinator verletzt hat (vgl. § 10 BauKG 1999). |
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RS 2 | Eine Verletzung der Pflicht gemäß § 5 Abs. 3 Z. 3 BauKG 1999 kann gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 BauKG 1999 nur der Baustellenkoordinator begehen. (Hier: Die Beh zitierte diese gesetzlichen Bestimmungen (§ 10 Abs. 1 Z. 4 und § 5 Abs. 3 Z. 3 BauKG 1999). Damit kann die Tatumschreibung sinnvoll nur so verstanden werden (Hinweis E , 92/18/0083), dass dem Mitbeteiligten (als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen der GmbH) die Verletzung einer dieser GmbH als Baustellenkoordinator obliegenden Verpflichtung angelastet wurde. Das Fehlen der Worte "als Baustellenkoordinator" ändert daher nichts an der rechtlichen Qualifikation der Aufforderung zur Rechtfertigung als taugliche Verfolgungshandlung.) |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2004/02/0218 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 07/S/4/7451/2003/13, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheit Bestrafung nach dem Bauarbeitenkoordinationsgesetz (mitbeteiligte Partei: FK in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Ebner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 10), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Behörde erster Instanz wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der K & S GmbH mit Sitz in W zu verantworten, dass diese Gesellschaft auf der Baustelle in 1060 W, am die Anpassung des Sicherheits- und Gesundheitsplanes und der Unterlagen unter Berücksichtigung des Fortschritts der Arbeiten nicht vorgenommen habe (§ 5 Abs. 3 Z. 3 des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes (BauKG), BGBl. I. Nr. 37/1999), denn in dem auf der Baustelle aufliegenden Sicherheits- und Gesundheitsplan sei vermerkt gewesen, dass für den Zeitraum April bis September 2002 ein Fassadengerüst mit Personenschutztunnel zu errichten sei, dennoch seien im Oktober 2002 Arbeiten im Bereich der Fassade trotz Fehlens dieses Gerüstes durchgeführt worden.
Der Mitbeteiligte habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 10 Abs. 1 Z. 4 iVm § 5 Abs. 3 Z. 3 BauKG begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG ein.
In der Begründung führte die belangte Behörde - zusammengefasst - aus, dem Spruch des Straferkenntnisses sei "nicht zu entnehmen, ob der Mitbeteiligte in seiner Funktion als Baustellenkoordinator zur Verantwortung gezogen" werde. Dabei handle es sich um ein wesentliches Tatbestandselement nach § 44a (Z. 1) VStG. Aus dem Akteninhalt ergebe sich, dass im Verwaltungsstrafverfahren innerhalb der Frist des § 31 Abs. 1 VStG als Verfolgungshandlung nur die Aufforderung zur Rechtfertigung vom gesetzt worden sei, die jedoch eine in derselben Weise fehlerhafte Tatumschreibung enthalte wie das später ergangene Straferkenntnis. Es sei daher nicht geeignet gewesen, die Verfolgungsverjährungsfrist zu unterbrechen. Die diesbezügliche vollständige Anzeige des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten sei dem Mitbeteiligten aber erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist zur Kenntnis gebracht worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes (ArbIG) gestützte Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 97/02/0450, vom , Zl. 90/19/0527, und vom , Zl. 95/11/0087) sei der Umstand, ob ein Beschuldigter die Tat in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber, als zur Vertretung nach außen Berufener, als gewerberechtlicher Geschäftsführer, als verantwortlicher Beauftragter oder als Bevollmächtigter eines Arbeitgebers zu verantworten habe, nicht als Sachverhaltselement der angelasteten Tat zu werten, sondern stelle ein die Frage der Verantwortlichkeit der von Anfang an als Beschuldigter angesprochenen Person betreffendes Merkmal dar, das auf die Tauglichkeit und Vollständigkeit einer Verfolgungshandlung ohne Einfluss sei. Gleiches müsse gelten, wenn - wie im gegenständlichen Fall - Normadressat der übertretenen Norm nicht der Arbeitgeber, sondern der Baustellenkoordinator sei.
Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Denn es geht hier nicht um die Frage, in welcher Form der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 VStG die mitbeteiligte Partei die Tat begangen hat, sondern darum, in welcher Eigenschaft sie überhaupt strafbar ist. Die belangte Behörde hat zur Lösung dieser Frage zu Recht die das KFG betreffende hg. Rechtsprechung als Vergleich herangezogen. Insoweit wurde im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , VwSlg. Nr. 12.375/A, ausgesprochen, dass für die Tauglichkeit einer Verfolgungshandlung noch nicht zu fordern ist, dass dem individuell bestimmten Beschuldigten allenfalls auch vorgeworfen werden muss, er habe die Tat als zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 VStG zu verantworten; gleichzeitig wurde aber in diesem Erkenntnis klar gestellt, dies bedeute nicht, dass etwa eine Verfolgungshandlung im Zusammenhang mit einer Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG nicht den Vorwurf an den Beschuldigten umfassen müsste, diese Übertretung in seiner Eigenschaft als Zulassungsbesitzer des Kfz verantworten zu müssen, weil es sich dabei nicht um ein Merkmal der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 VStG, sondern um ein Tatbestandsmerkmal der verletzten Verwaltungsvorschrift handle. Auch nach dem BauKG ist es in diesem Sinne jeweils (wesentliches) Tatbestandselement - und damit notwendiger Inhalt einer Verfolgungshandlung -, ob der Täter bestimmte Pflichten als Bauherr, Projektleiter, Planungskoordinator oder Baustellenkoordinator verletzt hat (vgl. § 10 BauKG).
Dennoch erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Denn die im gegenständlichen Fall in der verbalen Tatumschreibung der Aufforderung zur Rechtfertigung vom - als rechtzeitige Verfolgungshandlung - beschriebene Pflicht ist ausschließlich dem Baustellenkoordinator gemäß § 5 Abs. 3 Z. 3 BauKG auferlegt, eine Verletzung dieser Pflicht kann gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 BauKG nur der Baustellenkoordinator begehen. Die Behörde erster Instanz zitierte diese gesetzlichen Bestimmungen (§ 10 Abs. 1 Z. 4 und § 5 Abs. 3 Z. 3 BauKG). Damit kann die Tatumschreibung sinnvoll nur so verstanden werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0083), dass dem Mitbeteiligten (als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen der K & S GmbH) die Verletzung einer dieser GmbH als Baustellenkoordinator obliegenden Verpflichtung angelastet wurde. Das Fehlen der Worte "als Baustellenkoordinator" ändert daher nichts an der rechtlichen Qualifikation der Aufforderung zur Rechtfertigung als taugliche Verfolgungshandlung. Die belangte Behörde hat somit insoweit die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BauKG 1999 §10 Abs1 Z4; BauKG 1999 §5 Abs3 Z3; KFG 1967 §103 Abs2; VStG §32 Abs2; VStG §32 Abs3; VStG §9; VwGG §42 Abs2 Z1; |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2004:2004020219.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAE-62824