VwGH vom 26.01.1995, 94/16/0058
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
94/16/0059
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerden des J in W gegen die Bescheide (Berufungsentscheidungen) der Finanzlandesdirektion für Steiermark je vom , GZ. B 9-7/94 und GZ. B 10-7/94, betreffend jeweils Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 25.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten erliegt zunächst eine Kopie eines mit "Aktenvermerk" überschriebenen Schriftstückes vom , dem nicht entnommen werden kann, von wem es ausgestellt wurde bzw. ob es von dem Organ einer Behörde ausgestellt worden ist. Nach diesem "Aktenvermerk" schenkten die Ehegatten Dr. Karl und Hedwig P., G, ihren beiden Enkelkindern W. J. (dem Beschwerdeführer) und S. J. am angeführten Tag "anläßlich eines Besuches in Wien" je S 25.000,--.
Mit einem Schreiben vom teilten die Geschwister W. und S. J. der Abgabenbehörde mit, ihre Großeltern P. hätten ihnen im Verlaufe der letzten fünfzehn Jahre aus ihrem gemeinsamen Vermögen bei verschiedenen Gelegenheiten (Geburtstage, Weihnachten, Schulzeugnisse etc.) jeweils kleinere Beträge von zusammen je S 70.000,-- geschenkt. Anläßlich ihrer Matura hätten sie "unter Bedachtnahme auf die zu erwartende weitere Ausbildung" je S 100.000,-- in Sparbüchern erhalten, und zwar der Beschwerdeführer im Jahre 1984. Von diesen Schenkungen dürften etwa 2/3 vom Großvater und 1/3 von der Großmutter, deren Vermögen von ihrem Mann verwaltet werde, stammen.
Bei einer Vernehmung vor dem Finanzamt erklärte der Beschwerdeführer am , er habe seit dem von seinen Großeltern P. Zuwendungen in Höhe von insgesamt S 120.000,-- erhalten. Hinsichtlich der Aufteilung dieser Zuwendungen verweise er auf das Schreiben vom . Weiters lege er die Zuwendung aus dem Jahre 1982 offen, wozu er auf den Aktenvermerk vom verweise.
Mit einer Abgabenerklärung vom zeigte der Beschwerdeführer zwei Zuwendungen vom Februar 1990
(S 30.000,--) und vom (S 5.200,--) von seiten der Großeltern P. - jeweils 2/3 von Dr. Karl P. und 1/3 von Hedwig P. - an. Als Vorschenkungen wurden außer den Zuwendungen der Jahre 1982 und 1984 Zuwendungen "vom bis Ende 1989" von zusammen S 90.000,-- "in Bargeld oder Schecks" angegeben.
Mit einer weiteren Abgabenerklärung vom zeigte der Beschwerdeführer die Zuwendung eines Schecks in Höhe von S 40.000,-- aus Anlaß des Abschlusses seines Diplomstudiums () sowie eine Zuwendung eines Bargeldbetrages von S 1.000,-- am an.
In einem Schreiben vom gab der Beschwerdeführer Zuwendungen seiner Großeltern in Höhe von S 1.000,-- am und von S 5.000,-- am an.
Am meldete der Beschwerdeführer Zuwendungen seiner Großeltern vom (S 500,--), vom (S 3.000,--), vom (S 30.000,--) und vom (S 1.000,--). Die Zuwendung von S 30.000,-- sei aus Anlaß seines 25. Geburtstages erfolgt.
Schließlich gab der Beschwerdeführer mit einem Schreiben vom Zuwendungen vom (Scheck über S 5.000,-- aus Anlaß von Weihnachten), vom (S 600,-- Bargeld) und vom (S 5.000,-- "als Beitrag zur Renovierung meiner Wohnung") bekannt.
Nunmehr erließ das Finanzamt am gegenüber dem Beschwerdeführer getrennte Schenkungssteuerbescheide je über eine "Schenkung vom ", und zwar hinsichtlich des Geschenkgebers Dr. Karl P. über einen Erwerb von S 236.535,--, und hinsichtlich der Geschenkgeberin Hedwig P. über einen Erwerb von S 130.767,--.
Aus einem Berechnungsblatt ist ersichtlich, daß das Finanzamt dabei folgende Zuwendungen zusammengefaßt der Schenkungssteuer unterzog:
Geschenkgeber: Dr. Karl P. Hedwig P.
1982 S 25.000,-- S 25.000,--
1984 (Matura) " 66.667,-- " 33.333,--
1990 (Februar und 17. 4.) " 23.467,-- " 11.733,--
- Ende 1989 " 60.000,-- " 30.000,--
und " 27.334,-- " 13.667,--
19. 2. und " 4.000,-- " 2.000,--
Meldung vom " 23.000,-- " 11.500,--
Meldung vom " 7.067,-- " 3.534,--
Gegen beide Schenkungssteuerbescheide erhob der
Beschwerdeführer Berufung und beantragte die Aufhebung der
Vorschreibung, da "der von der Behörde angeführte Rechtsvorgang
nicht stattgefunden" habe.
Mit den beiden in Beschwerde gezogenen, im wesentlichen gleichlautenden Berufungsentscheidungen wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die Anzeigen bzw. Abgabenerkärungen des Beschwerdeführers vom , , , , und , wonach ihm von Dr. Karl P. zusammen S 236.533,-- und von Hedwig P. zusammen S 130.765,-- zugewendet worden seien. In rechtlicher Hinsicht vertrat die Behörde - neben einem Hinweis auf die Zusammenrechnungsbestimmung des § 11 ErbStG - die Auffassung, die Steuerfreiheit der in Rede stehenden Zuwendungen nach § 15 Abs. 1 Z. 11 ErbStG stehe nicht zu, weil unter üblichen Gelegenheitsgeschenken im Sinne dieser Gesetzesstelle im allgemeinen nicht Geldzuwendungen verstanden werden können. Das Fehlen eines Zusammenhanges zwischen den Zuwendungen und ihrem Anlaß werde im Streitfall deutlich, weil die Geschenkgeber durch ihre Geldzuwendungen keinen Erinnerungszweck erreichten. Die üblichen Gelegenheitsgeschenke dürfen ein nach Herkommen und Sitte gewöhnliches Ausmaß der Höhe nach nicht überschreiten. Im Streitfall sei nur für einen kleineren Teil der Zuwendungen ein besonderer Anlaß geltend gemacht worden.
In den Beschwerden gegen diese Bescheide werden deren inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Bundesminister für Finanzen legte je eine Gegenschrift der belangten Behörde sowie die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die im Hinblick auf den persönlichen und sachlichen Zusammenhang zur gemeinsamen Beschlußfassung verbundenen Beschwerden erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 ErbStG gilt als Schenkung im Sinne des Gesetzes jede Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts. Nach Z. 2 dieser Gesetzesstelle gilt darüberhinaus als Schenkung jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.
Mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile werden gemäß § 11 Abs. 1 ErbStG in der Weise zusammengerechnet, daß dem letzten Erwerbe die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Werte zugerechnet werden und von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abgezogen wird, welche für die früheren Erwerbe zur Zeit des letzten zu erheben gewesen wäre.
Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 9 ErbStG bleiben bei der Berechnung der Steuer Zuwendungen unter Lebenden zur Ausbildung des Bedachten steuerfrei. Nach Z. 11 dieser Gesetzesstelle sind die üblichen Gelegenheitsgeschenke steuerfrei.
Jeder einzelne, einen Tatbestand im Sinne des ErbStG erfüllende Erwerb unterliegt als selbständiger Vorgang für sich der Steuer; die Steuer entsteht für jeden einheitlichen Rechtsvorgang jeweils mit der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes. Daran ändert auch nichts die Zusammenrechnungsvorschrift des § 11 ErbStG, da diese Bestimmung lediglich der Berechnung der Steuer dient, über den Steuertatbestand aber keine Aussage trifft. Daraus folgt, daß bei der Beurteilung einer Mehrzahl von Besteuerungsvorgängen auch die Frage der Steuerfreiheit für jeden einzelnen Erwerbsvorgang gesondert geprüft werden muß.
In den Beschwerdefällen hat die Abgabenbehörde - wie aus dem Zusammenhalt mit dem in den Akten erliegenden Berechnungsbogen ersichtlich ist - offenkundig irrtümlich als der Besteuerung unterliegenden Vorgang jeweils eine "Schenkung vom " angeführt. Zu Recht hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung im Hinblick auf eine allfällige Rechtskraftwirkung der angefochtenen Bescheide eingewendet, daß an diesem Tag tatsächlich keine Schenkung seitens seiner Großeltern erfolgt ist. Die vom Beschwerdeführer dazu vertretene Auffassung, die Behörde hätte auf Grund der unrichtigen Bezeichnung des Erwerbsvorganges den erstinstanzlichen Bescheid aufheben müssen, trifft zwar nicht zu. Vielmehr ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 289 Abs. 2 BAO berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen. Die Grenze dieser Abänderungsbefugnis der Berufungsbehörde liegt allerdings dort, wo die Berufungsbehörde überhaupt den Gegenstand der Besteuerung auswechselt. In einem solchen Fall wird von der Berufungsbehörde eine sachliche Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zusteht. Davon, daß die belangte Behörde nicht in der Angelegenheit entschieden hat, die den Inhalt des Spruches der Behörde erster Instanz gebildet hat, kann in den Beschwerdefällen aber keine Rede sein. Vielmehr hat die Abgabenbehörde erster Instanz lediglich den Gedanken, den sie offenbar aussprechen wollte, unrichtig wiedergegeben. Zur Berichtigung eines derartigen Fehlers - der an sich auch den Berichtigungstatbestand im Sinne des § 293 BAO erfüllt - ist die Berufungsbehörde jedenfalls berechtigt. Dabei kann in den Beschwerdefällen - insbesondere unter Bedachtnahme darauf, daß Spruch und Begründung eines Bescheides als Einheit zu betrachten sind - davon ausgegangen werden, daß die Berufungsbehörde durch Anführung der einzelnen Anmeldungen und Abgabenerklärungen gerade noch deutlich gemacht hat, welche Erwerbsvorgänge im einzelnen besteuert wurden. Allerdings hat die belangte Behörde dabei nicht beachtet, daß bei einer - an sich zulässigen - formularmäßigen Zusammenfassung mehrerer der Besteuerung unterliegender Vorgänge die essentiellen Spruchbestandteile (vgl. § 198 Abs. 2 BAO) für sich gesondert angeführt werden müssen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 93/16/0093).
Überdies hat die belangte Behörde trotz der Bezeichnung der einzelnen besteuerten Anmeldungen und Abgabenerklärungen die angefochtenen Berufungsentscheidungen mit einer maßgeblichen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet: Der Beschwerdeführer hat in seinen Erklärungen und Anmeldungen zum Teil durch ausdrückliche Anführung der Bestimmung des § 15 Abs. 1 Z. 11 ErbStG, zum Teil implizit die Steuerfreiheit von einzelnen der beschwerdegegenständlichen Zuwendungen geltend gemacht. Andererseits war er offenkundig der Meinung, es genüge für die Bekämpfung der erstinstanzlichen Bescheide der Hinweis darauf, daß am kein Erwerbsvorgang erfolgt sei. Bei dieser Sachlage war die belangte Behörde gemäß § 115 Abs. 2 BAO verpflichtet, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Geltendmachung seiner Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Da die belangte Behörde die nur implizit erfolgte Berichtigung der erstinstanzlichen Bescheide hinsichtlich der besteuerten Erwerbsvorgänge vorgenommen hat, ohne dem Beschwerdeführer eine derartige Erledigung in Aussicht zu stellen, hat sie ihn in seinen Rechtsverfolgungsmöglichkeiten beeinträchtigt. Damit hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Aus verfahrensökonomischen Gründen ist darüberhinaus festzustellen, daß die belangte Behörde es verabsäumt hat, hinsichtlich jedes einzelnen der besteuerten Erwerbsvorgänge zu begründen, warum die vom Beschwerdeführer begehrte Steuerfreiheit nicht besteht. Insbesondere im Hinblick auf die völlig unterschiedliche Höhe der Zuwendungen und die unterschiedlichen Anlässe ihrer Hingabe wäre die belangte Behörde zu einer detaillierten Begründung ihrer Auffassung verpflichtet gewesen. Überdies enthalten die angefochtenen Entscheidungen keine Ausführungen der Behörde, aus welchen Gründen die Steuerfreiheit nach § 15 Abs. 1 Z. 9 ErbStG hinsichtlich der Zuwendung des Jahres 1984 nicht zustand. Auch mit diesen Begründungsmängeln hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderslautenden Bescheid hätte gelangen können.
Wenn die belangte Behörde ihre Bescheide tragend darauf stützt, Geldzuwendungen seien im allgemeinen keine Gelegenheitsgeschenke, so ist darauf zu verweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 1593/67, ausgesprochen hat, daß es schon im Zeitpunkt der damaligen Beschlußfassung nicht selten vorkam, daß anstelle von Sachzuwendungen Bargeld zugewendet wurde und daß daher auch Barzuwendungen als Gelegenheitsgeschenke Anerkennung finden konnten. In Fällen, in denen anstelle der Zuwendung einer Sache Bargeld gegeben wird, müsse hiefür ein besonderer Anlaß vorhanden sein. Gerade solche Anlässe wurden aber in den Beschwerdefällen hinsichtlich einer beträchtlichen Anzahl der Zuwendungen behauptet. Überdies werden sich die Abgabenbehörden damit auseinanderzusetzen haben, inwieweit seit dem Ergehen der von der belangten Behörde angeführten Judikatur zu § 15 Abs. 1 Z. 11 ErbStG (zuletzt aus 1968) weitreichende Veränderungen der Gesellschaftsstruktur dazu geführt haben, daß Barzuwendungen aus besonderen Anlässen in weiten Bevölkerungsschichten durchaus üblich geworden sind. Insbesondere mag bei Zuwendungen wie in den Beschwerdefällen an die zweitfolgende Generation die Hingabe von Barzuwendungen aus bestimmten Anlässen vom Gedanken getragen sein, daß der älteren Generation der Überblick über die Bedürfnisse der Enkel oftmals fehlen wird.
Die angefochtenen Bescheide waren somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.