VwGH vom 16.11.1995, 94/16/0057

VwGH vom 16.11.1995, 94/16/0057

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der X-GmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA9-723/92, betreffend Stempelgebühren und Gebührenerhöhungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Vorschreibung von Stempelgebühren und Gebührenerhöhungen für die Eingaben vom und vom betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am richtete die Beschwerdeführerin, die einen Zeitungsverlag betreibt, an die Stadtgemeinde S. eine Eingabe folgenden Inhalts:

"Ansuchen

Sehr geehrter Herr H.,

wie telefonisch besprochen übersenden wir Ihnen komplette Listen mit den Standorten unserer Sonntagsverkaufsgeräte im Gemeindegebiet S.".

Von der Stadtgemeinde S. wurde die Eingabe als Ansuchen um Bewilligung gemäß dem NÖ Gebrauchsabgabegesetz 1973, LGBl. 3700-0, zur Benützung öffentlichen Grundes zur Aufstellung von Zeitungseinrichtungen im Stadtgebiet von S. behandelt. In einer Niederschrift über eine darüber durchgeführte Verhandlung vom wurde festgehalten, daß gegen die Erteilung der Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 und 2 des NÖ Gebrauchsabgabegesetzes 1973 hinsichtlich der regelmäßigen Aufstellung von Zeitungseinrichtungen an 145 genau bezeichneten Standplätzen kein Einwand bestehe. Mit Bescheid vom wurde von der Stadtgemeinde Schwechat die Bewilligung gemäß § 2

NÖ Gebrauchsabgabegesetz 1973 zur Benützung öffentlichen Grundes durch die regelmäßige Aufstellung von Zeitungsverkaufseinrichtungen erteilt und die jährlich zu entrichtende Gebrauchsabgabe mit S 14.500,-- festgesetzt.

Eine weitere Eingabe an die Stadtgemeinde vom hatte folgenden Inhalt:

"Gebrauchsabgabe

Sehr geehrter Herr H.

In der Beilage senden wir Ihnen eine neue Liste mit den Standorten unserer Sonntagsverkaufsgeräte im Gemeindegebiet von S. Wir ersuchen um Änderung der Gebührenvorschrift laut beiliegender Liste."

Schließlich lautete eine Eingabe der Beschwerdeführerin ebenfalls an die Stadtgemeinde S. vom folgendermaßen:

"Gebrauchsabgabe

Sehr geehrter Herr H.,

in der Beilage senden wir Ihnen eine neue Liste mit den Standorten unserer Sonnstagsverkaufsgeräte im Gemeindegebiet S. Wir ersuchen um Änderung der Gebührenvorschrift laut beiliegender Liste."

Mit Gebührenbescheid vom schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien Stempelgebühren im Sinne des § 14 TP 6 GebG u.a. für die angeführten Eingaben jeweils nach der Anzahl der angesprochenen Zeitungseinrichtungen (die Eingabe vom betraf u. a. 145 Standorte, die beiden anderen Eingaben jeweils 111 Standorte) vor.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde zunächst ausgeführt, in keinem der drei Schreiben sei von einem Antrag auf Erteilung einer Gebrauchserlaubnis die Rede. Dies wäre auch unnötig und unverständlich gewesen, da bereits mit Bescheid vom , Zl. Abt. II/2-1440/3428/83E, von der Stadtgemeinde S. eine umfassende Gebrauchserlaubnis erteilt worden sei. Es seien somit nicht Anträge auf Erteilung einer Gebrauchserlaubnis eingebracht, sondern lediglich Listen von Verkaufsständen übermittelt worden. Damit sollte der Behörde eine Grundlage für die richtige Vorschreibung der Gebrauchsabgabe geliefert werden. Ein Antrag um Erteilung einer Gebrauchserlaubnis für ein bestimmtes Stadtgebiet könne ferner nur als einheitlicher Antrag aufgefaßt werden, auf Grund dessen auch nur eine einheitliche Bewilligung erfolgt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung insoweit, als sie die Eingaben vom , vom und vom betraf, als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat in der Begründung die Auffassung, daß es sich hiebei um Eingaben im Sinne des § 14 TP 6 GebG gehandelt habe. Auch Wiederholungen, Einschränkungen, Abänderungen und dgl. von bereits gestellten Anträgen seien selbständig gebührenpflichtig. Die Stempelgebühr komme dabei für jedes einzelne Schreiben nach der Anzahl der Zeitungsverkaufsgeräte zum Tragen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid, die sich erkennbar nur gegen den abweisenden Teil der Berufungsentscheidung richtet, werden dessen inhaltiche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift vor.

Zur Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Befreiungsbestimmung des § 14 TP 6 Abs. 5 Z. 4 GebG zur Anwendung kommen könnte, wurden die Parteien vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 letzter Satz VwGG gehört, worauf beide Parteien Stellungnahmen einbrachten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG unterliegen Eingaben von Privatpersonen (natürlichen und juristischen Personen) an Organe der Gebietskörperschaften in Angelegenheiten ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises, die die Privatinteressen der Einschreiter betreffen, einer festen Gebühr von S 120,--.

Nach Abs. 5 Z. 4 dieser Gesetzesstelle unterliegen unter anderem Eingaben im Ermittlungs- und Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen vor Finanz- oder Verwaltungsbehörden, wodurch die den Gesetzen entsprechende Festsetzung der öffentlichen Abgaben, eine Überprüfung ihrer Richtigkeit und Rechtmäßigkeit und die Rückerstattung von Überzahlungen herbeigeführt werden soll, nicht der Gebühr.

Werden in einer Eingabe mehrere Ansuchen gestellt, so ist zufolge § 12 Abs. 1 GebG die Eingabengebühr für jedes Ansuchen zu entrichten.

Eine Eingabe im Sinne der oben angeführten Gesetzesstelle ist dabei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein schriftliches Anbringen, wodurch ein bestimmtes Verhalten einer Privatperson zur amtlichen Kenntnis gebracht oder im Interesse einer Privatperson eine Anordnung oder Verfügung der Behörde innerhalb ihres gesetzlichen Wirkungskreises veranlaßt werden soll (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , 90/15/0003, und vom , 91/15/0129). Eine Eingabe kann auch einen Antrag enthalten; das Fehlen eines Antrages nimmt aber der Schrift - bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 14 TP 6 GebG - nicht die Eigenschaft einer Eingabe (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom , 89/15/0033).

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Schrift als Eingabe im Sinne des § 14 TP 6 GebG anzusehen ist, ist davon auszugehen, daß das Urkundenprinzip, von dem das Gebührenrecht beherrscht ist, insbesondere im II. Abschnitt des Gesetzes voll zur Anwendung zu kommen hat (vgl. das Erkenntnis vom , 86/15/0071, Slg. Nr. 6180/F). Für die Bemessung der Stempelgebühr ist somit der Inhalt der Schrift maßgebend; der wahre, allenfalls vom Urkundeninhalt abweichende Wille der Parteien ist demgegenüber nicht zu erforschen (vgl. das Erkenntis vom , 1995/72).

Mit dem in seinem Inhalt nur äußerst knapp gehaltenen Anbringen vom wurde im Zusammenhalt mit der angeschlossenen Liste der Standorte von Zeitungsverkaufseinrichtungen der Gemeindebehörde die Aufstellung dieser Einrichtungen zur amtlichen Kenntnis gebracht, wobei ein solcher Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund und des darüber befindlichen Luftraumes ohne Zweifel eine Gebrauchserlaubnis im Sinne des § 1

NÖ Gebrauchsabgabegesetz 1973, LGBl. 3700-0, voraussetzt. Daß die Behörde dabei zu einer Anordnung oder Verfügung veranlaßt werden sollte, indiziert dabei eindeutig der Gebrauch des Wortes "Ansuchen". Auch die Gemeindebehörde selbst hat dem Anbringen unwidersprochen einen derartigen Inhalt beigemessen und darüber in der Folge eine Verhandlung durchgeführt. In der Beschwerde selbst wird zugestanden, daß Zweck der Eingabe vom die "Erweiterung" der Anzahl der Zeitungseinrichtungen um weitere 35 gewesen ist. Im Zusammenhang ist dabei darauf hinzuweisen, daß das NÖ Gebrauchsabgabegesetz 1973 eine Erweiterung oder Abänderung einer bereits erteilten Gebrauchserlaubnis nicht kennt. Demzufolge hat die Gemeindebehörde bei Vollziehung dieses Gesetzes - nach Abgabe einer Verzichtserklärung im Sinne des § 4 Abs. 3 leg. cit. - eine (neue) Gebrauchserlaubnis bescheidmäßig erteilt. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die bereits im Jahre 1983 erteilte Gebrauchserlaubnis geht damit aber ins Leere. Überdies verkennt sie mit ihrem Vorbringen, daß selbst die bloße Wiederholung eines gleichartigen, bei der Behörde bereits vorliegenden Antrages der Gebührenpflicht unterliegt (vgl. das Erkenntnis vom , 85/15/0324, 0332). Im übrigen unterliegen auch Eingaben, mit denen eine Partei von der ihr von der Behörde eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme zum bisherigen Verfahrensergebnis, zur Rechtsanschauung der Behörde und dgl. Gebrauch macht und der Behörde den Standpunkt der Partei zur Kenntnis bringt, selbst dann der Eingabengebühr, wenn sie keinen (weiteren) Antrag enthalten (vgl. das Erkenntnis vom , 89/15/0033).

Der Inhalt des Schriftstückes vom ist also dahingehend zu verstehen, daß im Interesse der Beschwerdeführerin die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis veranlaßt werden sollte. Damit ist aber der Tatbestand im Sinne des § 14 TP 6 Abs. 1 GebG erfüllt.

Hinsichtlich der Anwendung der Befreiungsbestimmung nach § 14 TP 6 Abs. 5 Z. 4 GebG ist davon auszugehen, daß das § 14 GebG beherrschende strenge Urkundenprinzip auch auf die jeweiligen Befreiungsbestimmungen für bestimmte Schriften anzuwenden ist. Somit müssen auch die für eine Gebührenbegünstigung oder Gebührenbefreiung maßgebenden Umstände aus der Schrift selbst ersichtlich sein. Da die gebührenrechtliche Beurteilung auch nicht von einer bestimmten Art der Tätigkeit der angerufenen Behörde abhängig gemacht ist (vgl. das Erkenntnis vom , 91/15/0129), kommt es im Beschwerdefall dabei nicht darauf an, daß die Behörde die Eingabe vom zum Anlaß genommen hat, auch über eine Gebrauchsabgabe im Sinne des II. Abschnittes des NÖ Gebrauchsabgabegesetzes (§§ 9 ff) zu entscheiden. Ebensowenig kommt es aber auch darauf an, daß die Gemeindebehörde über die Eingabe vom dahingehend entschieden hat, daß eine - einen entsprechenden Antrag voraussetzende - Gebrauchserlaubnis nach § 2 NÖ Gebrauchsabgabegesetz 1973 erteilt wurde, obgleich eine solche nach dem Wortlaut der Eingabe gar nicht begehrt worden war.

Der Eingabe vom kann keinerlei Hinweis auf eine Abgabenfestsetzung entnommen werden, sodaß hinsichtlich dieser Eingabe die Anwendung des § 14 TP 6 Abs. 5 Z. 4 GebG nicht in Betracht kommt. Hingegen haben die beiden im wesentlichen gleichlautenden Eingaben vom und vom entsprechend dem angeführten Betreff "Gebrauchsabgabe" und dem Ausdruck "Änderung der Gebührenvorschrift" ausschließlich die Festsetzung der Gebrauchsabgabe nach dem NÖ Gebrauchsabgabegesetz 1973, einer Abgabe im Sinne der Bestimmung des § 14 TP 6 Abs. 5 Z. 4 GebG, zum Inhalt. Entgegen der von der belangten Behörde in ihrer nach § 41 Abs. 2 VwGG erstatteten Stellungnahme vertretenen Auffassung kommt es im Hinblick auf den Wortlaut der Eingaben nicht darauf an, daß bei Einreichung dieser Eingaben auch beabsichtigt gewesen sein könnte, eine (neue) Gebrauchserlaubnis zu erlangen.

Soweit mit dem angefochtenen Bescheid die Vorschreibung von Stempelgebühren sowie von Gebührenerhöhungen auf Grund der Eingaben vom und vom bestätigt worden ist, entsprach er somit nicht dem Gesetz.

Gegen die Vorschreibung der Stempelgebühr nach der Anzahl der Zeitungseinrichtungen, hinsichtlich welcher die Gebrauchserlaubnis erteilt worden ist, wird von der Beschwerdeführerin die Meinung vertreten, es liege nur ein einheitlicher Antrag für ein bestimmtes Stadtgebiet vor. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, daß mehrere gebührenpflichtige Ansuchen gemäß § 12 Abs. 1 GebG dann vorliegen, wenn in einem Schriftsatz mehrere selbständige Amtshandlungen begehrt werden. Trotz Vorliegens mehrerer Ansuchen in einem Schriftsatz ist dabei die Gebühr jedoch nur einmal zu entrichten, wenn die mehreren Ansuchen untereinander in einem Zusammenhang stehen (vgl. das Erkenntnis vom , 86/15/0122, 0123).

Die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis ist nach § 2 Abs. 2 NÖ Gebrauchsabgabegesetz 1973 zu versagen, wenn dem Gebrauch öffentlicher Rücksichten, wie Umstände sanitärer oder hygienischer Art, Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, städtebauliche Interessen, Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes oder Umstände des Natur-, Denkmal- oder Bodenschutzes entgegenstehen. Jede solche Erlaubnis ist damit schon begrifflich nur im Zusammenhang mit einem bestimmten Standort denkbar und hat keinen Einfluß auf andere, für andere Standorte angestrebten Bewilligungen. Es besteht somit keinerlei sachlicher oder rechtlicher Zusammenhang zwischen den begehrten Bewilligungen für die einzelnen Standorte der Zeitungsverkaufseinrichtungen (vgl. in diesem Sinne das Erkenntnis vom , 87/15/0106). Mangels einen solchen inneren Zusammenhanges zwischen den begehrten Bewilligungen lagen somit so viele Ansuchen vor, als einzelne Standorte für den Gebrauch von Zeitungsverkaufseinrichtungen begehrt wurden.

Die Beschwerde war somit, soweit sie sich gegen die im Instanzenzug ergangene Gebührenvorschreibung für die Eingabe vom richtete, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Ansonsten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. In dem nach dieser Verordnung pauschalierten Schriftsatzaufwand ist dabei Umsatzsteuer bereits enthalten. Der Beschwerde ist zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung lediglich der angefochtene Bescheid in einfacher Ausfertigung anzuschließen. Der Ersatz an Beilagengebühr beträgt daher nur S 30,--.