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VwGH vom 19.12.2002, 99/16/0342

VwGH vom 19.12.2002, 99/16/0342

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des M in B, vertreten durch Dr. Leopold Specht, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 3B/12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV 128-09/11/99, betreffend Börsenumsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer als Alleingesellschafter der H.-GesmbH (Gesellschaft) trat mit Notariatsakt vom einen Geschäftsanteil im Umfang von 45 % des Stammkapitals der Gesellschaft an eine amerikanische Gesellschaft (im Folgenden: M) ab. Der Übertragungspreis betrug ATS 225.000,--, der laut Punkt 2.2. mit der Unterzeichnung des Vertrages ("Stichtag") zur Zahlung fällig war. Vorgesehen war in diesem Vertragspunkt, dass bei Unterfertigung des Vertrages der Übertragungspreis "in barem oder in Form unbeschränkt übertragbarer Zahlungsfazilitäten (wie Bankgarantien oder andere Zahlungsgarantien)" auf ein Treuhandkonto bei einer bestimmten Bank einzuzahlen war.

Punkt 3. des Vertrages, der mit "Geschäftsgrundlage" überschrieben ist, hat folgenden Wortlaut:

"(M) wird per Stichtag einen Gesellschafterzuschuss im Betrag von USD 11.977.500,-- (in Worten ...) in der in Punkt 2. vorgegebenen Weise als Kapitalanlage an die Gesellschaft leisten (der "Zuschuss"). Der Zuschuss dient nicht dem Zweck der Erhöhung des Stammkapitals der Gesellschaft. Dieser Zuschuss ist auch nicht Teil des Übertragungspreises.

Die Parteien halten jedoch fest, dass (M's) Zuschuss (Kapitaleinlage) Geschäftsgrundlage des in diesem Vertrag geregelten Rechtsverhältnisses ist und dass dieser Gesellschafterzuschuss das Motiv des Verkäufers für die Übertragung des Geschäftsanteiles an (M) darstellt."

Der Vertrag wurde von Seiten des M. durch den nunmehrigen Beschwerdeführervertreter unterfertigt, dessen Vertretungsmacht für M. durch eine vorgelegte Vollmacht vom , unterfertigt von A.U., ausgewiesen war.

Ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von ATS 128,492.047,50 schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien dem Beschwerdeführer für die Veräußerung des gegenständlichen Geschäftsanteiles Börsenumsatzsteuer vor.

In seiner dagegen erstatteten Berufung erklärte der Beschwerdeführer, nach Punkt 3. des Vertrages gelte der Gesellschafterzuschuss in Höhe von US $ 11,977.500,-- nicht als Teil des Übertragungspreises und sei auch nicht dem Beschwerdeführer zugeflossen. Zweck des Zuschusses sei eine Sanierung der Gesellschaft gewesen, der Gesellschafterzuschuss sei nicht Teil des Übertragungspreises, sondern unterliege der Gesellschaftsteuer, wofür allerdings die Gesellschaft steuerpflichtig sei. Der Zuschuss sei nie geleistet worden, weshalb keine Gesellschaftsteuer anfalle. Der vereinbarte Gesellschafterzuschuss stelle kein Entgelt für die Übertragung der Geschäftsanteile dar.

Nach abweisender Berufungsvorentscheidung durch das Finanzamt wies die belangte Behörde diese Berufung mit Bescheid vom als unbegründet ab. Sie verwies auf die ständige Rechtsprechung zur Frage, was unter dem Begriff "vereinbarter Preis" im Sinne des § 21 Z. 1 KVG zu verstehen sei.

Darauf beantragte der Beschwerdeführer mit einem beim Finanzamt am eingelangten Schriftsatz die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO. Er legte ein Schreiben des New Yorker Rechtsanwaltes K. an den Beschwerdeführervertreter vom und ein Protokoll des Obersten Gerichtes des Staates New York vom vor, woraus sich ergebe, dass M. bereits zum Abschluss des Übergabevertrages nicht in der Lage gewesen sei, den vertraglich bedungenen Übertragungspreis zu bezahlen, geschweige den im Punkt 3. des Übergabevertrages angesprochenen Zuschuss zu leisten. Weiters wurde vorgebracht, dass gegen den Geschäftsführer der M., U.A., ein Strafverfahren wegen Betruges anhängig sei. Der Übergabevertrag sei daher gemäß § 870 nichtig, weil der Beschwerdeführer von M. arglistig über die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit dieses Unternehmens getäuscht worden sei. Der Vertrag sei nicht rechtswirksam zu Stande gekommen und ex tunc unwirksam.

Von diesem Schreiben sei der Beschwerdeführer von dem offensichtlich selbst getäuschten damaligen Vertreter der M. (bzw. nunmehrigen Beschwerdeführervertreter) einige Tage nach dem verständigt worden, sodass die im § 303 Abs. 2 BAO genannte Frist gewahrt sei.

Aus dem genannten Schreiben des Rechtsanwaltes K. vom ergibt sich, dass nach dessen Auffassung M. nicht in der Lage gewesen wäre, im Juni 1996 die vereinbarte Zahlung zu tätigen. Aus den Nachforschungen der Kanzlei des K. gehe hervor, dass M. zu jenem Zeitpunkt keine wesentlichen Vermögenswerte besessen hätte.

Den Bescheid des Finanzamtes, mit welchem dieser Antrag wegen Nichteinhaltung der Frist des § 303 Abs. 2 BAO zurückgewiesen worden war, hob die belangte Behörde mit Bescheid vom auf und sprach aus, dass der Antrag auf Wiederaufnahme rechtzeitig eingebracht worden sei.

In einem weiteren Schriftsatz sprach sich der Beschwerdeführer abermals gegen die Einbeziehung des Gesellschafterzuschusses in die Bemessungsgrundlage aus. Weiters brachte er vor, es sei der Vertrag vom gar nicht zu Stande gekommen, weil es M. an der wahren Einwilligung zum Vertragsabschluss fehlte. Dazu wird auf ein Schreiben von M. vom verwiesen, aus dem hervorgehe, dass M. keine Zahlungsabsicht gehabt habe (das zuletzt genannte Schreiben befindet sich nicht im Akt und es fehlt auch ein Hinweis, dass es vorgelegt worden wäre).

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Wiederaufnahmeantrag ab. Das gegenständliche Rechtsgeschäft sei weder gerichtlich angefochten worden, noch sei im Sinne des Punktes 7.4. des Vertrages eine Anrufung des Schiedsgerichtes der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft erfolgt. Nur eine erfolgreiche Anfechtung sei aber Voraussetzung, dass die Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäftes für die Erhebung von Abgaben von Bedeutung sein könne. Auf Grund der neu hervor gekommenen Tatsachen wäre somit kein im Spruch anders lautender Bescheid ergangen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und legte in der Folge ein amerikanisches Urteil vor, wonach U.A. auch im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Übertragungsvertrag wegen Betruges strafgerichtlich verurteilt worden sei.

Nach abweisender Berufungsvorentscheidung durch das Finanzamt erwiderte der Beschwerdeführer im Vorlageantrag, die Durchführung eines Anfechtungsprozesses ausschließlich zum Zwecke der Beseitigung der "Gebührenpflicht" wäre sinnwidrig und wegen des zwischen den Streitteilen bestehenden Einverständnisses auch prozessual bedenklich. Der Verwaltungsgerichtshof habe zum Gebührenrecht schon ausgesprochen, dass eine Anfechtung auch außergerichtlich vorgenommen werden könne; Beweismittel über eine solche außergerichtliche einvernehmliche Anfechtung würden vorgelegt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der gegenständliche Vertrag sei durch die Unterfertigung eines Notariatsaktes am durch beide Vertragspartner zu Stande gekommen, sodass an der ernstlichen Erklärung der M. nicht gezweifelt werden könne. Eine allfällige Unwirksamkeit des Vertrages müsse im Klagswege geltend gemacht werden, der Beschwerdeführer habe aber nicht auf Unwirksamkeit wegen Täuschung geklagt. Er habe auch nicht nachgewiesen, dass es zu einer einvernehmlichen Aufhebung gekommen sei. Die bloße Anfechtbarkeit sei gemäß § 23 Abs. 4 BAO für die Abgabenerhebung ohne Bedeutung. Die Kenntnis des Umstandes, dass der Beschwerdeführer den Vertrag wegen Täuschung anfechten könnte, reiche nicht aus, um das Verfahren wieder aufzunehmen. Eine Wiederaufnahme hätte nur erfolgen können, wenn in einem Gerichtsurteil die Unwirksamkeit des Vertrages wegen listiger Täuschung ausgesprochen worden wäre.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten

vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Das Abgabenverfahren zur Festsetzung der Börsenumsatzsteuer gegenüber dem Beschwerdeführer wurde mit dem Bescheid der belangten Behörde vom rechtskräftig erledigt, also im Sinne des § 303 Abs. 1 Einleitungssatz BAO "durch Bescheid abgeschlossen" (Stoll, BAO-Kommentar, 2916 f). Gegenstand des seinerzeitigen Berufungsverfahrens war insbesondere die Frage, ob der Gesellschafterzuschuss in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist; diese Frage wurde in der genannten Berufungsentscheidung bejaht.

Der Beschwerdeführer hat sich im Wiederaufnahmeantrag auf neu hervor gekommene Tatsachen und Beweismittel gestützt, wonach ein Anschaffungsgeschäft überhaupt nicht zu Stande gekommen sei. Wenn er nunmehr im Punkt C.1.1. seiner Beschwerde - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seine Berufung vom - abermals die Frage der Bemessungsgrundlage anspricht und durch seine rechtlichen Ausführungen zum Ergebnis gelangt, der Gesellschafterzuschuss sei kein Teil des Übertragungspreises gewesen, will er damit bloß die rechtliche Beurteilung des Bescheides vom bekämpfen. Die neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel des Wiederaufnahmeantrages haben aber mit der als fehlerhaft gerügten Auslegung bestimmter Teile des Übertragungsvertrages vom nichts zu tun. Die neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel sind jedenfalls nicht geeignet, in Bezug auf die Ermittlung der Bemessungsgrundlage einen neuen, im Spruch anders lautenden Bescheid herbei zu führen. Insoferne wurde der Beschwerdeführer durch die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages in seinen Rechten nicht verletzt.

Aus den neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel soll sich nach dem Beschwerdevorbringen ergeben, dass das Anschaffungsgeschäft vom gar nicht zu Stande gekommen sei, weil es dem Vertragspartner des Beschwerdeführers an der wahren Einwilligung zum Vertragsabschluss gefehlt habe. Der Beschwerdeführer beruft sich diesbezüglich auf § 869 ABGB, wonach die Einwilligung in einen Vertrag frei, ernstlich, bestimmt und verständlich erklärt werden muss; ist die Erklärung unverständlich, ganz unbestimmt oder erfolgte die Annahme unter anderen Bestimmungen, als unter welchen das Versprechen geschehen ist, so entsteht kein Vertrag.

Der Beschwerdeführer will aus einem Schreiben der M. vom entnehmen, dass M. den Vertragsabschluss nie intendiert habe und dass insbesondere die Auftrags- bzw. Vollmachtserteilung an den Vertragserrichter eine Scheinhandlung im Sinne des § 869 ABGB gewesen sei. Mit seinen Ausführungen verkennt der Beschwerdeführer, dass sich die Frage der Ernstlichkeit einer Erklärung primär aus der Sicht des redlichen Empfängers ergibt, also nach der objektiven Bedeutung der Erklärung (Rummel in Rummel3, § 869 Rz. 4). Ein Scheingeschäft im Sinne des § 916 ABGB liegt hier nicht vor, weil der Beschwerdeführer behauptet, erst im Zusammenhang mit dem Wiederaufnahmeantrag von den wahren Umständen Kenntnis erlangt zu haben. Ein geheimer Vorbehalt wird aber für wirkungslos gehalten, wenn er nicht durchschaut wird (Rummel a.a.O.). Dass schon der in Form des Notariatsaktes abgeschlossene Übertragsvertrag selbst oder die dem Beschwerdeführervertreter erteilte Vollmacht vom bei objektiver Betrachtung an der Ernstlichkeit des Willens des Vertragspartners M. zu Zweifeln Anlass gegeben hätten, behauptet aber auch der Beschwerdeführer nicht.

Aus den neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismitteln geht daher nicht hervor, dass der Übertragungsvertrag überhaupt nicht zu Stande gekommen ist. Sie sind somit auch insofern nicht geeignet, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbei zu führen.

Das Hauptargument des Beschwerdeführers im Wiederaufnahmeverfahren, dass Anschaffungsgeschäft sei wegen arglistiger Täuschung nicht rechtsgültig zu Stande gekommen, wird in der Beschwerde nicht mehr aufrecht erhalten, zumal der Beschwerdeführer sich weder auf eine erfolgreiche gerichtliche Anfechtung berufen konnte, noch auch eine einvernehmliche Rückgängigmachung zufolge rechtlicher Anfechtbarkeit (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/16/0188, VwSlg. 6.942/F) nachweisen konnte.

Als Verfahrensmangel macht der Beschwerdeführer geltend, die Behörde hätte die Gründe dafür ermitteln müssen, warum M. keinerlei Zahlungen auf Grund des Übertragungsvertrages leistete. Zu solchen Ermittlungen bestand aber kein Anlass, weil allein der Abschluss des Anschaffungsgeschäftes die Steuerpflicht nach § 17 Abs. 1 KVG auslöst, nicht aber die Erfüllung der aus diesem Geschäft resultierenden Pflichten. Die Rüge, die Behörde hätte den Inhalt der Abrede bezüglich des Gesellschafterzuschusses ermitteln sollen, läuft auf ein unzulässiges Neuaufrollen der bereits rechtskräftig entschiedenen Frage der Bemessungsgrundlage hinaus.

Damit erwies sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am