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VwGH vom 29.01.1997, 94/16/0051

VwGH vom 29.01.1997, 94/16/0051

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der P-Handelsges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, gegen den Tarifbescheid des Bundesministers für Finanzen vom , Zl. P 1770/4/1-III/7/93, betreffend Tarifierung von "Hifi Mini System SC CH 404", zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH stellte am den Antrag auf Erteilung eines Tarifbescheides hinsichtlich der Ware "Hifi Mini System SC CH 404". Nach dem Antrag ist die Ware aus folgenden Bestandteilen zusammengesetzt:

"1 Stück SE CH 404 Verstärker (4,20 kg)

1 Stück SL 505 CD Player (1,90 kg)

1 Stück ST CH 505 Stereo Klangprozessor Timer Tuner (1,75 kg)

1 Stück RS CH 404 Casettendeck (2,85 kg)

1 Stück Fernbedienung"

Im Antrag war folgende "Funktionsbeschreibung" enthalten:

"Der Verstärker des Set"s arbeitet mit 220 V Stromversorgung und versorgt mittels Niederspannung die Komponenten (CD-Player, Stereo Klangprozessor Timer-Tuner, Cassettendeck). Die Komponenten sind daher ohne den Verstärker nicht funktionsfähig. Weiters erfolgt die Ein/Aus Funktion, die Lautstärkeregelung über den Verstärker der auch einen Mikrofoneingang mit steuerbarer Aufnahmelautstärke sowie einen Kopfhörerausgang besitzt.

Der Verstärker hat wert- und gewichtsmäßig den höchsten Anteil an dem Set. Abgesehen davon ist auch eine Funktion dieses Set"s ohne Verstärker nicht gegeben. Daher sind wir der Ansicht, daß eine Tarifierung nach 8518 richtig ist. Diese Meinung vertritt auch die Europäische Gemeinschaft deren Tarif wir haben. Dort gibt es eine rechtsverbindliche Auskunft wo Hifi Sets nach 8518 zu tarifieren sind."

Mit dem angefochtenen Tarifbescheid stellte die belangte Behörde fest, daß die Ware als "anderes Rundfunkempfangsgerät mit einer Uhr kombiniert" in die Unternummer 8527 32 des Zolltarifs einzureihen sei. In der Begründung des Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß eine handelsübliche Zusammenstellung von Waren vorliege, die in einander ergänzender Weise verwendet würden. Dem zwar wert- und gewichtsmäßig überwiegenden Verstärker komme nur eine unterstützende Funktion dahingehend zu, daß er die von den übrigen Audiogeräten kommenden Tonfrequenzsignale verstärkt. Hinsichtlich der Bedeutung ihrer Verwendung seien jene Geräte, die das Hören von Rundfunksendungen (Tuner), die Aufnahme oder das Abspielen von Cassetten oder das Abspielen von CD"s ermöglichen, als wesensbestimmend anzusehen. Da eine Einreihung nach den Vorschriften der A V 3a und 3b nicht möglich sei, sei die Ware gemäß A V 3c in die der Numerierung nach letzte der gleichermaßen in Betracht kommenden Nummern einzureihen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Verzollung des importierten Hifi Mini Systems SC CH 404 gemäß Waren-Nr. 8518 40 verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte

die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 2 ZTG bildet der im Anhang angeschlossene Zolltarif, der auch die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des Zolltarifs (in der Folge: AV) für seine Auslegung und die Zollbegünstigungsliste umfaßt, einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes.

Auf Grund der AV erfolgt die Einreihung von handelsüblichen Warenzusammenstellungen in den Zolltarif nach den folgenden Grundsätzen:

3 - Kommen für die Einreihung von Waren bei Anwendung der

Vorschrift 2b oder aus einem anderen Grund zwei oder mehr

Nrn in Betracht, so ist wie folgt zu verfahren:

a - die Nr mit der spezifischeren Warenbezeichnung geht

den Nrn mit allgemeiner Warenbezeichnung vor. Die

Warenbezeichnungen von zwei oder mehr Nrn, von denen

sich jede nur auf einzelne Stoffe einer gemischten

oder zusammengesetzten Ware oder nur auf einzelne

Waren einer Warenzusammenstellung in Aufmachung für

den Kleinverkauf bezieht, sind hinsichtlich dieser

Waren als gleich spezifisch anzusehen, auch wenn eine

davon eine vollständigere oder genauere

Warenbezeichnung enthält.

b - Gemische oder Waren, die aus verschiedenen Stoffen

oder Bestandteilen bestehen, sowie handelsübliche

Zusammenstellungen von Waren, die in einer gemeinsamen

Aufmachung für den Kleinverkauf vorliegen und die in

einander ergänzender Weise verwendet werden, um eine

bestimmte Tätigkeit oder die Deckung eines bestimmten

Bedarfs zu ermöglichen, sind, wenn ihre Einreihung

nicht nach der Vorschrift 3a erfolgen kann, so

einzureihen, als würden sie zur Gänze aus jener

Komponente (Stoff, Bestandteil oder Ware) bestehen,

die ihr Wesen bestimmt, sofern diese Feststellung

getroffen werden kann.

c - ist die Einreihung nach den Vorschriften 3 a und 3 b

nicht möglich, so ist die Ware in die der Numerierung

nach letzte der gleichermaßen in Betracht kommenden

Nrn einzureihen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, daß die in Rede stehende Ware "Hifi Mini System SC CH 404" in die Unternummer 8527 32 des Zolltarifs einzureihen ist. Diese Position lautet:

" - andere Rundfunkempfangsgeräte einschließlich solcher, die

auch für den Funktelephonie- und Funktelegraphieempfang geeignet, nicht mit einem Tonaufnahme- oder Tonwiedergabegerät, aber mit einer Uhr kombiniert"

Die Beschwerdeführerin hingegen ist der Auffassung, die Ware sei unter die Waren-Nummer 8518 40 - elektrische Tonfrequenzverstärker - einzureihen. Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen dabei davon aus, daß es sich bei der Ware um eine handelsübliche Warenzusammenstellung im Sinne der tariflichen Terminologie handelt, die für den Einzelverkauf aufgemacht ist. Weil keine der in Frage kommenden Unternummern eine spezifische Warenbezeichnung (A V 3a) enthält, ist daher die A V 3b anzuwenden. Das nach A V 3b maßgebliche Kriterium des Wesens der Ware kann sich aus der Beschaffenheit der Komponente, durch ihren Umfang, ihre Menge, ihr Gewicht, ihren Wert oder auch durch die Bedeutung einer Komponente hinsichtlich der Verwendung der Ware bestimmt werden (vgl. die Teilziffer 20 der Erläuterungen zum Österreichischen Zolltarif zur A V 3b). Dabei ist diese Aufzählung nicht erschöpfend. Welches dieser Merkmale im Einzelfall zu berücksichtigen ist, hängt von der Art der Ware ab (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0178).

Im Beschwerdefall vertrat die belangte Behörde hinsichtlich des als "Verstärker" bezeichneten Bestandteils der streitgegenständlichen Ware die Auffassung, dieser Teil überwiege zwar wert- und gewichtsmäßig, nach der Bedeutung hinsichtlich seiner Verwendung komme ihm aber insoferne nur unterstützende Funktion zu, als er die von den übrigen Audiogeräten kommenden Tonfrequenzsignale verstärke. Demgegenüber hat die Beschwerdeführerin bereits in ihrer "Funktionsbeschreibung" darauf hingewiesen, daß dem in Rede stehenden Bestandteil neben der Verstärkung der Tonfrequenzsignale weitere Funktionen, nämlich Stromversorgung, Ein-Aus/Funktion, Lautstärkeregelung, Mikrophoneingang und Kopfhörerausgang zukommen. Es ist somit davon auszugehen, daß dem als "Verstärker" bezeichneten Bestandteil innerhalb der Gesamtzusammenstellung eine zentrale Steuerungsfunktion zukommt und daher ohne ihn keines der angeschlossenen Audiogeräte bestimmungsgemäß in Betrieb genommen werden kann. Eine solche Steuerungsfunktion stellt aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht eine bloß dienende Funktion dar, sondern prägt vielmehr als leitendes Element die Gesamtheit der Ware. Als wesensbestimmende Komponente der in Rede stehenden Ware ist somit der als "Verstärker" bezeichnete Bestandteil anzusehen, zumal dieser Teil nach den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde auch wertmäßig überwiegt. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da die Beschwerde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen ist, war der Ersatz der die Eingabengebühr nur mit dem Betrag von S 240,-- festzusetzen. Der Ersatz der Beilagengebühr war nur im Betrag von S 30,-- zuzusprechen, da der angefochtene Bescheid nur in einer Ausfertigung vorzulegen ist (§ 28 Abs. 5 VwGG). Desgleichen war die Vorlage des Antrages auf Erteilung eines Tarifbescheides nicht erforderlich.