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VwGH vom 14.11.1996, 94/16/0033

VwGH vom 14.11.1996, 94/16/0033

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des R in O, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 6-1/B 57/1/12/1994/Do, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Zollamt S. stellte am für den Beschwerdeführer einen Vormerkschein für Personen mit Doppelwohnsitz für einen in Deutschland zugelassenen Personenkraftwagen aus. Im Zuge eines Ausforschungsverfahrens gab der Beschwerdeführer mit einer am beim Zollamt S. eingelangten Eingabe an, der Vormerkschein sei in Verlust geraten. Der Beschwerdeführer werde sich bemühen, Nachweise dafür zu erbringen, daß sich der Personenkraftwagen seit Ende 1990 in Deutschland befinde und er im Jahre 1991 mit dem Fahrzeug in Österreich nicht gefahren sei.

Mit Bescheid vom wurde vom Zollamt S. festgestellt, daß die für den Personenkraftwagen bedingt entstandene Eingangsabgabenschuld in Höhe von insgesamt S 117.232,-- unbedingt geworden ist.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde geltend gemacht, daß die 90-Tage-Frist im Jahre 1990 nicht überschritten worden sei.

Auf eine entsprechende Anfrage des Hauptzollamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz wurde in einer Eingabe des Fußballklubs V. in Wien vom mitgeteilt, der Beschwerdeführer sei bei diesem Fußballklub vom bis zum als Vertragsspieler tätig gewesen. Vom bis zum sei er Leihspieler in Salzburg gewesen. Dem Beschwerdeführer sei eine Wohnung in Wien, B-Straße, zur Verfügung getellt worden. Das Training sei an sechs Tagen in der Woche (ohne Spiel) betrieben worden.

In einer bei der belangten Behörde am eingelangten Eingabe wurde vom Beschwerdeführer unter anderem ausgeführt, Deutschland sei trotz der Arbeit des Beschwerdeführers in Wien Mittelpunkt seines Lebens.

Eine die Berufung als unbegründet abweisender Bescheid der belangten Behörde vom , Zl. 6-1/B57/1/2/1992/Do, wurde nach dessen Anfechtung mit Verwaltungsgerichtshofbeschwerde (hg. Zl. 92/16/0170) vom Bundesminister für Finanzen gemäß § 299 Abs. 1 lit. c BAO in Ausübung des Aufsichtsrechts aufgehoben.

Nach der am verfügten Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes der fahrlässigen Verkürzung von Eingangsabgaben nach § 36 Abs. 2 FinStrG richtete das Hauptzollamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz ein Rechtshilfeersuchen an das Zollfahndungsamt Hannover.

Nach einem Erhebungsbericht des Zollfahndungsamtes Hannover vom habe Peter S., ein Onkel des Beschwerdeführers, bei einer Befragung am erklärt, er habe dem Beschwerdeführer seit mehreren Jahren in F ein Zimmer unentgeltlich zur Verfügung gestellt, das dieser bei seinen Aufenthalten im Rhein-Main-Gebiet benutze. Während der Zeit vom bis habe der Beschwerdeführer "jede freie Minute" in F verbracht. Seine damalige Verlobte und nunmehrige Ehefrau habe hier nicht gewohnt. Nach den Feststellungen beim Einwohnermeldeamt F sei der Beschwerdeführer in F bis zum mit Nebenwohnsitz gemeldet gewesen. Sein Hauptwohnsitz sei nicht feststellbar gewesen. Vom bis zum habe weder ein Haupt- noch ein Nebenwohnsitz bestanden. Seit dem sei der Beschwerdeführer wieder mit einem Nebenwohnsitz in F gemeldet.

Nach Vorhalt des Erhebungsergebnisses gab der Beschwerdeführer in einer Eingabe vom an, er habe im gesamten Jahre 1990 eine Wohnung in M, S-Straße 74, innegehabt. Trotz seines beruflichen Engagements in Wien sei der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers im Jahre 1990 Deutschland gewesen, weil sich neben der Verlobten des Beschwerdeführers auch sämtliche Freunde und Verwandte dort aufgehalten hätten. Die Spieler des Fußballklubs V. hätten oft schon am Donnerstag nach Hause fahren dürfen und seien erst Montag nachmittag wieder erwartet worden, wenn keine Spiele stattgefunden hätten.

Nach einem weiteren Ersuchen teilte das Zollfahndungsamt Frankfurt am Main am mit, der Beschwerdeführer sei nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes M weder 1989 noch 1990 mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in M gemeldet gewesen. Die Eigentümerin des Anwesens M, S-Straße 74, Gisela H., habe erklärt, daß der Beschwerdeführer vom bis eine möblierte Drei-Zimmer-Wohnung bewohnt habe. Der Beschwerdeführer sei 1990 dort nicht mehr wohnhaft gewesen. Die Wohnung sei zwischenzeitlich an eine andere Person weitervermietet worden.

Das Erhebungsergebnis wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht. In einer Stellungnahme vom führte der Beschwerdeführer aus, er sei am wegen des Verdachtes eines Finanzvergehens nach dem österreichischen Finanzstrafgesetz vernommen worden und er habe dabei die Aussage verweigert. Der Beschwerdeführer beantragte, die belangte Behörde wolle seine Einvernahme im Abgabenverfahren im Rechtshilfeweg vornehmen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers (neuerlich) als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde zog aus dem durchgeführten Beweisverfahren den Schluß, daß der Beschwerdeführer anläßlich des Beginns seiner Tätigkeit als Vertragsspieler in Wien seine beiden Wohnsitze in M und in F aufgegeben habe. Die Behauptung, der Beschwerdeführer habe jede freie Minute in F verbracht, könne nicht als Beweis für einen Wohnsitz angesehen werden. Der Beschwerdeführer habe daher nur einen einzigen Wohnsitz, und zwar in Wien, besessen. Die Voraussetzungen für einen Vormerkverkehr für Personen mit Doppelwohnsitz i.S.d. § 93 Abs. 2 lit. a Z. 2 ZollG seien daher nicht vorgelegen. Da der Vormerkschein auf Grund unrichtiger Angaben des Beschwerdeführers ausgestellt worden sei, sei die bedingte Zollschuld im Zeitpunkt seiner Ausfolgung unbedingt geworden.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, "nicht entgegen § 177 Abs. 3 lit. e i.V.m. § 80 Abs. 1 und 3 Zollgesetz eine bedingte Zollschuld als unbedingt festgestellt zu erhalten".

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 93 Abs. 2 lit. a Z. 2 des auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden ZollG 1988 ist die Eingangsvormerkbehandlung von ausländischen, unverzollten Beförderungsmitteln zum eigenen Gebrauch zulässig, wenn der Halter und der Benützer neben seinem gewöhnlichen Wohnsitz oder seinem Sitz im Zollgebiet auch einen Wohnsitz im Zollausland (Doppelwohnsitz) hat und ein vorgemerktes Beförderungsmittel für die Dauer von höchstens 90 Tagen im Kalenderjahr in das Zollgebiet einbringt. Wenn Waren zum Vormerkverkehr abgefertigt werden oder als vorgemerkt gelten, entsteht für den Vormerknehmer gemäß § 177 Abs. 1 ZollG die Zollschuld bedingt in der Höhe des auf die Vormerkware entfallenden Zolles. Nach Abs. 3 lit. e dieser Gesetzesstelle wird die bedingte Zollschuld unbedingt im Zeitpunkt der Ausfolgung der Waren, wenn die Waren infolge unrichtiger oder unvollständiger Angaben zum Vormerkverkehr zugelassen wurden. Ist die bedingte Zollschuld unbedingt geworden, so hat das Zollamt dies gemäß § 80 Abs. 1 ZollG mit Bescheid festzuhalten (Zollabrechnung).

Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde auf Grund der in einem aufwendigen Ermittlungsverfahren aufgenommenen Beweise zu dem Schluß gekommen, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Ausstellung des Vormerkscheines vom keinen Wohnsitz im Ausland hatte. Nach § 26 Abs. 1 BAO hat jemand seinen Wohnsitz i.S.d. Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Voraussetzung für das Vorhandensein eines Wohnsitzes ist also das Innehaben einer Wohnung, worunter die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, über die Wohnung zu verfügen, zu verstehen ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 91/16/0138).

Nach dem Ergebnis des von den Abgabenbehörden durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde dem Beschwerdeführer bei seinen jeweiligen (nach Anzahl) und Dauer nicht näher bestimmten) Aufenthalten in F von Peter S. ein Zimmer zur Verfügung gestellt. Die aus dem Erhebungsergebnis von der belangten Behörde gezogene Folgerung, der Beschwerdeführer habe in F keinen Wohnsitz innegehabt, entspricht den Denkgesetzen, weil duch die bloße Überlassung eines Zimmers zur vorübergehenden Nutzung nicht eine rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, über eine Wohnung zu verfügen, begründet wird. Bei der dargestellten Sach- und Rechtslage kommt dem Vorbringen, der Beschwerdeführer habe in F "jede freie Minute" verbracht, keine Bedeutung für die Frage eines Wohnsitzes im Zollausland zu. Die von der belangten Behörde vertretene Meinung, bei diesem Vorbringen handle es sich um "reine Schutzbehauptungen", trägt somit auch den angefochtenen Bescheid in keiner Weise, sodaß es sich erübrigt, auf die Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Würdigung der in Rede stehenden Aussagen als "Schutzbehauptung" einzugehen.

Wenn in der Beschwerde mehrmals daran erinnert wird, daß die Rechtshilfeersuchen im Rahmen eines Finanzstrafverfahrens gegen den Beschwerdeführer - und zwar auch vor der formellen Einleitung des Finanzstrafverfahrens - gestellt wurden, so kann daraus für den Beschwerdeführer nichts gewonnen werden. Gemäß § 166 BAO kommt nämlich als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Aus diesem Unbegrenztheitsgrundsatz folgt, daß auch Aussagen aus einem anderen gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren, somit auch aus einem Finanzstrafverfahren als Beweismittel im Abgabenverfahren verwendet und frei gewürdigt werden dürfen. Ein Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme ist dem Abgabenverfahren fremd (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1763). Auch der Umstand, daß das Finanzstrafverfahren erst am eingeleitet worden ist, ist dabei nicht maßgeblich, weil die Finanzstrafbehörde zweifellos bereits vor der formellen Einleitung des Finanzstrafverfahrens Vorerhebungen zur Überprüfung vorhandener Verdachtsmomente anstellen kann.

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer vor den von der Finanzstrafbehörde ersuchten deutschen Zollbehörden die Aussage verweigert hat, keine Schlüsse für die allein entscheidende Frage, ob der Beschwerdeführer eine Wohnung in Deutschland innehatte, gezogen. Dadurch, daß der Beschwerdeführer nicht formell im Abgabenverfahren vernommen worden ist, wurde das Parteiengehör nicht verletzt, hatte der Beschwerdeführer doch im gesamten Abgabenverfahren mehrmals ausreichend Gelegenheit zur Darstellung des Sachverhaltes. Die Erhebungsergebnisse wurden dem Beschwerdeführer jeweils zur Stellungnahme vorgehalten. Bei dieser Sachlage ist eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, ausgeschlossen, zumal in der Beschwerde nicht dargetan wird, welches Vorbringen zum Sachverhalt der Beschwerdeführer bei einer Einvernahme im Abgabenverfahren hätte erstatten wollen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.