VwGH vom 23.11.1992, 91/15/0133
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des E in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 6/121/4-BK/Kr-1991, betreffend Umsatzsteuer 1985 und 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betreibt eine Veranstaltungsagentur. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die bei Diavorträgen und Multimediashows in den Jahren 1985 und 1987 vom Beschwerdeführer erzielten Eintrittsgelder unterlägen nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz nach § 10 Abs. 2 Z. 13 bzw. 16 UStG.
Das Finanzamt nahm die Verfahren betreffend die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Jahre 1985 und 1987 wieder auf und setzte die Umsatzsteuer der Auffassung des Prüfers folgend neu fest.
In der gegen die Sachbescheide erhobenen Berufung vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, es handle sich bei den strittigen Veranstaltungen um Vorführungen, bei denen durch den Einsatz einer umfangreichen Anzahl von Projektoren eine mehr oder minder bewegte Bildfolge entstehe. Der bei der Diaprojektion erreichte technische Standard erlaube es, vor den Augen des Betrachters ebenso bewegte Bilder entstehen zu lassen wie beim "Film". Oft komme es auch zur "Verschmelzung" beider Medien (Film und Diaprojektion) auf einer Leinwand.
Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer auf, betreffend die strittigen Veranstaltungen Informationsmaterial über die Gestaltung und den Ablauf der Vorführungen vorzulegen. Zu seinem Vorbringen, es käme oft zur Verschmelzung der Medien Film und Diaprojektion auf einer Leinwand, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, bekanntzugeben, bei welchen Veranstaltungen dies vorgekommen sei, wie lange jeweils die Dauer der Dia- bzw. Filmvorführung gewesen sei und in welchem Verhältnis die Leinwand für Film- bzw. Diaprojektion verwendet worden sei.
Der Beschwerdeführer gab unter Vorlage von Werbematerial, in dem die strittigen Veranstaltungen als "Diavortrag (Multivision)", "Multivisons-Diashow" und "Multivision auf Superbreitleinwand in Überblendtechnik" bezeichnet werden, im wesentlichen folgenden Sachverhalt bekannt: Bei den von ihm veranstalteten "Diavisionsshows", "Diashows" und "Diavorträgen" würden Großbildleinwände und jeweils mehrere Großbild- bzw. Kleinbildprojektoren verwendet. Zum zweiten Teil des oben wiedergegebenen Vorhaltes führte er aus, es müsse nicht zwangsläufig zur Verschmelzung der Medien Film-, Dia- und Tonprojektion kommen. Selbst wenn dies der Fall sei, sei es unerheblich, welchen Anteil welches Medium habe. Es könne keine Unterschiede in der Beurteilung der Medien Film und Fotografie geben, weil neben der Filmkunst auch eine anerkannte Fotokunst existiere.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat sie die Auffassung, im Beschwerdefall sei keine der Begünstigungsvorschriften des § 10 Abs. 2 UStG, die sich auf Leistungen im Rahmen des Kultur- und Unterhaltungsbereiches bezögen, anzuwenden. Selbst bei extensiver Auslegung könnten die Leistungen des Beschwerdeführers nicht als "Leistungen, die regelmäßig mit dem Betrieb eines Theaters verbunden sind" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 13 lit. a UStG angesehen werden. Auch die Begünstigung für "Filmvorführungen" (§ 10 Abs. 2 Z. 16 UStG) käme nicht in Betracht, weil unter Film nur eine bewegte Bildfolge zu verstehen sei. Dies treffe im Beschwerdefall nicht zu, weil lediglich mehrere feststehende Bilder aneinander bzw. nebeneinander gereiht zur Betrachtung dargeboten würden. Die Verwendung mehrerer Projektoren, wobei Bilder nebeneinander oder übereinander auf die Leinwand projiziert würden, ändere an dieser Beurteilung nichts, weil es sich auch dabei nicht um eine gleich einem Film bewegte Bildfolge, die aus sehr vielen zusammenhängenden Einzelbildern bestehe, handle. Wenngleich der Auffassung des Beschwerdeführers zugestimmt werden könne, daß Filmkunst und Fotokunst als gleichwertig anzusehen seien und die vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltungen mitunter "begünstigungswürdiger" seien als so manche Filmwerke, könne sich die belangte Behörde über den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht hinwegsetzen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 16 UStG ermäßigt sich die Steuer für
die Filmvorführungen auf 10 v.H.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Auslegung des Begriffes "Filmvorführungen" an die urheberrechtliche Rechtslage anzuknüpfen; danach sind unter "Film" im vorliegenden Zusammenhang den Eindruck eines bewegten Bildes vermittelnde Bild- bzw. Bild-Tonfolgen zu verstehen (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 89/15/0080 mwN und vom , Zl. 90/15/0088).
Eine sogenannte "Tonbildschau" bzw. "Diashow" oder ein "Diavortrag" fallen in urheberrechtlicher Sicht nicht unter den Begriff "Film", weil sie zwar Bildfolgen enthalten, der Eindruck des bewegten Bildes dabei aber regelmäßig nicht entsteht (vgl. z.B. Schricker, Urheberrecht Kommentar vor § 88 Rz 45; Fromm-Nordemann-Hertin, Urheberrecht Kommentar vor § 88, Rz 1). Schon daraus folgt, daß die umsatzsteuerliche Begünstigung von "Filmvorführungen" nach § 10 Abs. 2 Z. 16 UStG sich nicht auf "Diavorträge", "Diashows" oder "Tonbildschauen", bei denen nicht der Eindruck eines bewegten Bildes wie beim "Film" vermittelt wird, erstreckt (vgl. Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zum Umsasteuergesetz § 10 Rz 292; zur insoweit gleichlautenden Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 7b des deutschen UStG vgl. Widmann in Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz § 12 Abs. 2 Rz 1044; Husmann in Rau-Dürrwächter-Flick-Geist, Umsatzsteuergesetz § 12 Abs. 2 Nr. 7b Rz 8).
Die Darlegungen der Beschwerde, auch bei "Filmvorführungen" handle es sich technisch um die Projektion von Einzelbildern, die nur durch die kurze Zeitdauer der Aufeinanderfolge den Eindruck eines bewegten Bildes ergäben; der Stand der Technik lasse es zu, einzelne Diabilder in schnellerer zeitlicher Abfolge zu projizieren als dies beim "Film" erfolge, verkennen, daß es für die Anwendbarkeit der Begünstigungsvorschrift nicht auf die technisch bei der Projektion von Dias erzielbare Folgegeschwindigkeit ankommt, sondern auf die typische Erscheinungsform, der "Filmvorführungen" einerseits und "Diashows" (und dergleichen) andererseits zuzuordnen sind. Auch die zuletzt wiedergegebenen Ausführungen vermögen nichts daran zu ändern, daß für "Filmvorführungen" der Eindruck eines bewegten Bildes, das heißt von Bildabfolgen, die den Eindruck von Bewegungsabläufen wiedergeben, typisch ist, für die Vorführung von Dias (die sich auch in der Herstellungsart wesentlich vom "Film" im Sinne des im vorliegenden Zusammenhang wesentlichen Begriffes unterscheiden) hingegen typischerweise die Betrachtung "unbewegter" Bilder; letzteres ungeachtet der modernen Projektionstechnik, weil auch diese nicht darauf gerichtet ist, den Eindruck durchgehender Wiedergabe von Bewegungsabläufen wie beim "Film" zu vermitteln.
Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters bereits ausgesprochen, daß das Gesetz nicht auf das bei der Bild- bzw. Bild-Tonaufzeichnung verwendete Trägermaterial abstellt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 89/15/0080); auch die Darlegungen der Beschwerde, sowohl "Filme" im oben dargelegten Sinn als auch "Dias" würden auf Trägermaterial hergestellt, das als "Film" bezeichnet werde, sind somit schon deshalb im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend.
Die Tatbestandsvoraussetzungen der Begünstigung nach § 10 Abs. 2 Z. 16 UStG sind im Beschwerdefall somit nicht verwirklicht. Das vom Beschwerdeführer angestrebte Ergebnis kann auch nicht durch "verfassungskonforme Interpretation" erreicht werden, weil ein "Diavortrag" auch bei einer die äußersten Grenzen des Wortsinnes erreichenden Interpretation nicht als "Filmvorführung" anzusehen ist. Bedenken gegen die Sachlichkeit einer Regelung, die Filmvorführungen begünstigt, Diavorträge hingegen nicht, sind im Hinblick auf die Unterschiede im Sachlichen, die sowohl bei der Herstellung des jeweils verwendeten Mediums als auch bei dessen Verwertung in den typischen Erscheinungsformen bestehen, nicht entstanden.
Der vorliegende Sachverhalt kann - anders als dies der Beschwerdeführer sieht - auch nicht als "Veranstaltung von Theateraufführungen" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 13 UStG qualifiziert werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit dem Umfang des Begriffes "Theater" im erwähnten Zusammenhang in seinem Erkenntnis vom , Zlen. 91/15/0069, 0070, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, eingehend auseinandergesetzt. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß der vorliegende Sachverhalt unter keine der Erscheinungsformen von "Theater" im Sinne der dort dargelegten Begriffsbestimmung subsumiert werden kann. Auch die Begünstigung nach § 10 Abs. 2 Z. 13 lit. a UStG kommt im Beschwerdefall daher nicht in Betracht.
Auch die vom Beschwerdeführer hilfsweise vertretene Auffassung, die strittigen Umsätze könnten auch nach der bis in Geltung stehenden Vorschrift des § 10 Abs. 2 Z. 7 lit. b UStG als Umsätze eines Bildberichterstatters begünstigt sein, kann mangels jeglichen Anhaltspunktes dafür, daß der Beschwerdeführer im Sinne der zitierten Vorschrift als "Bildberichterstatter" tätig geworden wäre, nicht geteilt werden; zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens besteht Übereinstimmung darüber, daß die strittigen Umsätze beim Betrieb einer Veranstaltungsagentur aus der Veranstaltung von "Diavorträgen" u.dgl. erzielt wurden.
Der Beschwerdeführer verkennt auch die Rechtslage, soweit er die - nicht näher begründete - Auffassung vertritt, die von ihm ausgeübte Tätigkeit könne nicht schon deshalb, weil kein Begünstigungstatbestand vollständig verwirklicht werde, "zwischen den verschiedenen Begünstigungen durch den Rost fallen". Bei seiner Tätigkeit würden einzelne Tatbestandsmerkmale verschiedener Begünstigungsvorschriften verwirklicht; die Tätigkeit müsse daher einer dieser Begünstigungsvorschriften "endgültig zugeordnet" werden.
Diese Auffassung kann keinesfalls geteilt werden. Der jeweilige Regelungsbereich der in § 10 Abs. 2 UStG normierten Ausnahmetatbestände umfaßt jene Sachverhalte, auf die sämtliche Tatbestandsmerkmale der jeweils in Betracht kommenden Vorschrift zutreffen; es kann nicht davon die Rede sein, daß der Anwendungsbereich der Ausnahmevorschriften auch auf Sachverhalte auszudehnen wäre, die mangels Erfüllung eines der einschränkenden Tatbestandsmerkmale unter keine der begünstigenden Vorschriften subsumiert werden können.
Die Ausführungen der Beschwerde, die belangte Behörde hätte "einen Sachverhalt feststellen müssen, wonach die Tätigkeit des Beschwerdeführers jedenfalls einem der begünstigten Tatbestände des § 10 Abs. 2 UStG zu unterwerfen gewesen wäre", zeigen schon deshalb keinen relevanten Begründungsmangel auf, weil die Beschwerde nicht darlegt, welche konkreten Sachverhaltsfeststellungen, die zur Anwendung einer bestimmten Begünstigungsvorschrift geführt hätten, die belangte Behörde hätte treffen müssen. Den Akten des Verwaltungsverfahrens läßt sich ebenfalls kein hinreichender Anhaltspunkt für einen Sachverhalt entnehmen, der sämtliche Tatbestandsmerkmale einer der in § 10 Abs. 2 UStG normierten Begünstigungsvorschriften aufweist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.