zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 26.05.1999, 97/09/0262

VwGH vom 26.05.1999, 97/09/0262

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

99/09/0160 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde der D K in Ü (Bundesrepublik Deutschland), vertreten durch Dr. Otmar Simma, Dr. Alfons Simma und Dr. Ekkehard Bechtold, Rechtsanwälte in Dornbirn, Marktplatz 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. 1-0196/97/K3, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe als handelsrechtliche Geschäftsführerin der protokollierten Firma T Gesellschaft mbH zu verantworten, dass

diese Gesellschaft mit dem Sitz in M in der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitgeberin am um 13.45 Uhr den türkischen Staatsangehörigen K D im mittleren Bauwerk Seniorenresidenz in A beschäftigt habe, obwohl für diesen Ausländer weder eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt noch eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden seien. Wegen dieser als Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) qualifizierten Tat wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) und ein erstinstanzlicher Kostenbeitrag von S 1.500,-- verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass es "in der Tatbildumschreibung statt 'oder Entsendebewilligung erteilt noch' nunmehr 'erteilt noch eine Anzeigebestätigung oder' zu lauten hat".

In der Begründung dieser Entscheidung wurde im Wesentlichen ausgeführt, im vorliegenden Fall sei lediglich auf die subjektive Tatseite einzugehen, da die Verwirklichung des Tatbildes nicht bestritten werde. Das Vorbringen, die Einteilung der Arbeitnehmer auf den einzelnen Baustellen sei Sache des technischen Betriebsleiters gewesen, könne die Beschwerdeführerin nicht entschuldigen, wäre sie doch gehalten gewesen, für geeignete Kontrolle des Betriebsleiters Vorsorge zu treffen. Von einer rechtswirksamen Bestellung des technischen Betriebsleiters zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG könne schon deshalb nicht ausgegangen werden, da eine diesbezügliche Meldung beim Arbeitsinspektorat nicht erfolgt sei (die weitere Bescheidbegründung betrifft die Strafbemessung).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, nicht der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nach dem AuslBG schuldig erkannt und dafür bestraft zu werden. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das AuslBG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 anzuwenden.

Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, sie habe ausreichend glaubhaft gemacht, dass sie an der vorgeworfenen Verletzung der Verwaltungsvorschriften aus den in der Beschwerde näher dargelegten Umständen kein Verschulden treffe.

Die in der Beschwerde und im angefochtenen Bescheid erörterte Frage der subjektiven Tatseite setzt voraus, dass die Beschwerdeführerin den objektiven Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes gesetzt hat und dies feststeht. Nach dem aus den vorgelegten Verwaltungsstrafakten entnehmbaren Sachverhaltsgrundlagen und vor dem Hintergrund, dass die von der Beschwerdeführerin vertretene Arbeitgeberin ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (hier: Bundesrepublik Deutschland) hat, steht im vorliegenden Fall jedoch noch nicht abschließend fest, ob ein bzw. welches Ungehorsamsdelikt gesetzt wurde, das von der Beschwerdeführerin zu verantworten ist. Aus dem Akt der Strafbehörde erster Instanz ergibt sich unter anderem, dass der anlässlich der Kontrolle arbeitend angetroffene türkische Staatsangehörige bei der von der Beschwerdeführerin vertretenen Gesellschaft beschäftigt ist, mit einem Stundenlohn in der Höhe von DM 19,-- in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (Bundesrepublik Deutschland) entlohnt wurde, und die von dieser Arbeitgeberin eingesetzten Arbeitskräfte täglich nach Dienstende in diesen Mitgliedstaat (Bundesrepublik Deutschland) zurückkehrten. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin - nach der Begründung im angefochtenen Bescheid - die Verwirklichung "des Tatbildes" nicht bestritten habe, hat die von Amts wegen gebotene Auseinandersetzung mit der Rechtsfrage, ob der am erfolgte Einsatz dieses türkischen Staatsangehörigen in Österreich nach dem AuslBG bewilligungspflichtig war, nicht entbehrlich gemacht. Diese Rechtsfrage kann auf Grund der den vorgelegten Verwaltungsstrafakten entnehmbaren Sachverhaltsgrundlage aus folgenden Erwägungen noch nicht abschließend beantwortet werden:

Die unter dem Kapitel 3 über Dienstleistungen enthaltenen

Artikel 49 und Artikel 50 der konsolidierten Fassung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (vgl. die Kundmachung des Bundeskanzlers, BGBl. III, Nr. 86/1999) lauten:

ARTIKEL 49 (ex-Artikel 59)

"Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.

Der Rat kann mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission beschließen, daß dieses Kapitel auch auf Erbringer von Dienstleistungen Anwendung findet, welche die Staatsangehörigkeit eines dritten Landes besitzen und innerhalb der Gemeinschaft ansässig sind.

ARTIKEL 50 (ex-Artikel 60)

Dienstleistungen im Sinne dieses Vertrags sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.

Als Dienstleistungen gelten insbesondere:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
gewerbliche Tätigkeiten,
b)
kaufmännische Tätigkeiten,
c)
handwerkliche Tätigkeiten,
d)
freiberufliche Tätigkeiten.
Unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit kann der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Staat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt."
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat seit seinem Urteil "van Binsbergen", Rechtssache 33/74, Slg. 1974,1299, in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die die Dienstleistungsfreiheit regelnden Artikel 49 (ex-Artikel 59) und 50 (ex-Artikel 60) EWG-Vertrag unmittelbar verbindlich sind und - ungeachtet entgegenstehenden nationalen Rechts - direkte Rechtsansprüche erzeugen.
In seinem Urteil vom , Rush Portuguesa Lda gegen Office national d'immigration (Rechtssache C-113/89, Slg. 1989, I-1417) hat der EuGH ausgeführt, der in Art. 59 EWG-Vertrag (nunmehr Artikel 49) vorgesehene freie Dienstleistungsverkehr bedeute nach dem Wortlaut des Artikels 60 EWG-Vertrag (nunmehr Artikel 50), dass der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Staat ausüben könne, in dem die Leistung erbracht werde, und zwar "unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt". Infolgedessen würden die Art. 59 und 60 EWG-Vertrag einen Mitgliedstaat daran hindern, es einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Erbringer von Dienstleistungen zu verbieten, mit seinem gesamten Personal frei in das Gebiet des erstgenannten Staates einzureisen, oder die Einreise des betreffenden Personals von einschränkenden Bedingungen wie der Bedingung der Einstellung von Personal an Ort und Stelle oder der Pflicht zur Einholung einer Arbeitserlaubnis abhängig zu machen. Durch die Auferlegung solcher Bedingungen werde nämlich der Leistungserbringer aus einem anderen Mitgliedstaat gegenüber seinen im Aufnahmeland ansässigen Konkurrenten, die sich ihres eigenen Personals ungehindert bedienen könnten, diskriminiert und seine Fähigkeit, die Leistung zu erbringen, beeinträchtigt (vgl. die Randnummern 11 und 12 des genannten Urteils).
In seinem Urteil vom , Raymond Vander Elst gegen Office des migrations internationales (Rechtssache C 43/93, Slg. 1994, I-3803) beantwortet der EuGH ein zu den Artikeln 59 und 60 des EWG-Vertrages gestelltes Ersuchen um Vorabentscheidung dahingehend, es laufe den Artikeln 59 und 60 EWG-Vertrag zuwider, dass ein Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmen, die zur Erbringung von Dienstleistungen auf seinem Gebiet tätig werden und die Angehörige von Drittstaaten ordnungsgemäß und dauerhaft beschäftigen, unter Androhung einer Geldbuße dazu verpflichte, für diese Arbeitnehmer bei einer nationalen Einwanderungsbehörde eine Arbeitserlaubnis einzuholen und die damit verbundenen Kosten zu tragen. Die Arbeitnehmer, die von einem in einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen beschäftigt und vorübergehend zur Erbringung einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden, würden keinen Zutritt zum Arbeitsmarkt dieses zweiten Staates verlangen, da sie nach Erfüllung ihrer Aufgabe in ihr Herkunfts- oder Wohnsitzland zurückkehrten (vgl. Randnummer 21 des genannten Urteils).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund wird im Beschwerdefall zunächst zu prüfen sein, ob der von der Beschwerdeführerin vertretene Arbeitgeber mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (Bundesrepublik Deutschland) am zur bzw. im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung im Mitgliedstaat Österreich einen Drittstaatsangehörigen verwendet hat, der in diesem Mitgliedstaat und nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Bedingungen ordnungsgemäß und dauerhaft beschäftigt gewesen ist, könnte doch diesfalls eine Bestrafung der Beschwerdeführerin wegen Übertretung des AuslBG mit Rücksicht auf die derart zu beachtende gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung Österreichs, den freien Dienstleistungsverkehr auch für drittstaatsangehörige Arbeitnehmer eines entsendenden Arbeitgebers zu gewährleisten, nicht in Betracht kommen (vgl. auch die Erörterung dieser Rechtsfragen in der Literatur: Walter Schrammel in ecolex 1997, Seite 724f, Wilhelm in ecolex 1996, Seite 149f, Risak in ecolex 1997, Seite 375f und Binder in DRdA 1999, Heft 1, Seite 1ff, sowie auch das in den verbundenen Rechtssachen Seco und Desquenne und Giral gegen Etablissement d'Assurance contre La Vieillesse et l'Invalidite, Slg. 1982,Seite 0223). Ob (theoretisch) eine Bestrafung gemäß der ab in Geltung stehenden Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 5 lit. a AuslBG - eingeführt mit der Novelle BGBl. I Nr. 78/1997 - mit den im genannten Urteil "Vander Elst" enthaltenen Grundsätzen in Einklang zu bringen wäre, braucht vorläufig nicht beantwortet zu werden, weil diese Bestimmung auch unter Bedachtnahme auf § 1 Abs. 2 VStG im Beschwerdefall nicht anzuwenden ist.
Es steht im Beschwerdefall nicht abschließend fest, ob eine nach dem AuslBG bewilligungspflichtige Beschäftigung oder eine Übertretung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AuslBG vorgelegen bzw. von der Beschwerdeführerin zu verantworten ist.
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage im dargelegten Sinn verkannte und derart aus dem Gesichtspunkt des Gemeinschaftsrechts relevante Ermittlungen bzw. Feststellungen unterlassen hat, die eine abschließende Beurteilung hinderten, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft überhöht verzeichneten Stempelgebührenaufwand für der Beschwerde tatsächlich nicht angeschlossen gewesene Beilagen.
Wien, am