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VwGH vom 21.10.1993, 91/15/0132

VwGH vom 21.10.1993, 91/15/0132

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde der X-G m.b.H. in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 8-1168/13-1991, betreffend Grundsteuermeßbetrag und Antrag auf Fortschreibungsveranlagung zum , zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit über den Antrag auf Fortschreibungsveranlagung zum entschieden wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, im übrigen aber wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsätzen vom und stellte die Beschwerdeführerin u.a. als Eigentümerin von zum Hafen Z gehörigen Grundstücken beim zuständigen Finanzamt den Antrag auf Grundsteuerbefreiung gemäß § 2 Z. 9 lit. a Grundsteuergesetz 1955 - GrStG. Diesem Antrag gab das Finanzamt in den sodann erlassenen Bescheiden (Grundsteuermeßbescheid zum und zum ) nur insoweit Folge, als die Hafenwasserfläche im Ausmaß von 72.350 m2 "nicht in die Bewertung einbezogen" bzw. als grundsteuerbefreit behandelt wurde.

In der dagegen erhobenen Berufung verlangte die Beschwerdeführerin die Gewährung der Grundsteuerbefreiung für ihren gesamten Grundbesitz und führte im besonderen aus, daß die auf diesen Grundstücken vorhandenen "Speicher I-V und das Waaghaus" ebenso wie die nicht bebauten Flächen Einrichtungen für den Güterumschlag, die Lagerung und Manipulation darstellten und das Hafenverwaltungsgebäude seiner Funktion wegen ebenfalls zum grundsteuerbefreiten Hafen gehöre. Die Beschwerdeführerin stellte überdies für die wirtschaftliche Einheit des Hafens Z den Antrag auf Fortschreibungsveranlagung zum gemäß § 21 Abs. 2 GrStG, zog aber die gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes erhobene Berufung später zurück, worauf die Berufung mit Bescheid vom als gegenstandslos erklärt und das Berufungsverfahren eingestellt wurde.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nur insofern Folge, als der Grundsteuermeßbetrag auf den mit S 45.838,-- und ab mit S 51.574,-- festgestellt wurde. Der Antrag auf Fortschreibungsveranlagung auf den wurde abgewiesen. Dies im wesentlichen nach Darstellung des Sachverhaltes und der maßgebenden Rechtsvorschriften hinsichtlich der beantragten Grundsteuerbefreiung mit der Begründung, bei systematischer Interpretation des § 2 Z. 9 lit. a GrStG sei mit dem Begriff "Hafen" nur jene Fläche befreit, auf der Schiffe verkehren könnten bzw. verankert seien, somit also Wasserflächen, die dem Schiffsverkehr dienten; dazu kämen lediglich Flächen, wie sie beim Schiffsverkehr den ausdrücklich aufgezählten "Seitengräben, Böschungen, Schutzstreifen, Schneedämmen und der zwischen den Gleisen der Fahrbahnen liegenden Geländestreifen" entsprächen. Insbesondere seien Speicherhäuser, Hafenverwaltungsgebäude und Lagerhäuser vom Begriff "Häfen" in § 2 Z. 9 lit. a GrStG ebensowenig erfaßt wie nach den besonderen, den Schiffsverkehr betreffenden Vorschriften (Hafeneinrichtungs-Förderungsgesetz, BGBl. Nr. 160/1955, Schiffahrtspolizeigesetz, BGBl. Nr. 91/1971, und Schiffahrtsanlagengesetz in der Fassung BGBl. Nr. 12/1973). Für diese Auslegung spräche abgesehen von dem Grundsatz, daß Befreiungsbestimmungen restriktiv anzuwenden seien, auch § 6 Abs. 4 GrStG, weil diese Bestimmung hinsichtlich des dort erwähnten öffentlichen Hafenbetriebes entbehrlich wäre, wenn die Befreiungsbestimmung des § 2 Z. 9 lit. a leg. cit. die den HafenBETRIEB betreffenden Grundstücke allesamt umfaßte. Im Umkehrschluß sei aus § 6 Abs. 4 GrStG zu folgern, daß der Gesetzgeber die Grundsteuerpflicht für andere Personen als die dort genannten Gebietskörperschaften voraussetze, wenn ihr Grundbesitz dem öffentlichen HafenBETRIEB diene. Aus § 2 Z. 9 lit. b GrStG sei dagegen schon wegen des anderen, weiter gefaßten Tatbestandes für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen. Für eine Fortschreibungsveranlagung zum fehle es an der hiefür erforderlichen Änderung des maßgebenden Sachverhaltes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich nicht durch die unter einem ergangenen Einheitswertbescheide, sondern nur in ihrem "Recht auf Grundsteuerbefreiung nach § 2 Ziff. 9 lit. a Grunderwerbsteuergesetz (richtig: Grundsteuergesetz) 1955, sowie auf Neuveranlagung (Fortschreibungsveranlagung) zum nach § 21 Abs. 2 leg. cit." verletzt. Anfechtungsobjekt vor dem Verwaltungsgerichtshof ist sohin nur der die Grundsteuermeßbeträge zum und zum sowie der den Antrag auf Fortschreibungsveranlagung zum betreffende Abspruch.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bedachtnahme auf die von der Beschwerdeführerin erstattete Replik erwogen:

Soweit die belangte Behörde über den Antrag auf Wertfortschreibung zum abgesprochen hat, lag dem jedenfalls keine offene Berufung der Beschwerdeführerin zugrunde, zumal die letztere, wie bereits erwähnt, ihre Berufung gegen die bescheidmäßige Abweisung dieses Antrages zurückgezogen und das Finanzamt anschließend die Berufung als gegenstandslos erklärt und das Berufungsverfahren eingestellt hatte. Der belangten Behörde mangelte daher in diesem Umfang die sachliche Zuständigkeit; insoweit war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Hinsichtlich der strittigen Grundsteuerbefreiung ist folgendes zu sagen:

Die im Beschwerdefall bedeutsamen Bestimmungen des Grundsteuergesetzes 1955 lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 2.

Befreiungen

Keine Grundsteuer ist zu entrichten für:

1. Grundbesitz

a) des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes, wenn der Grundbesitz vom Eigentümer für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt wird (§ 6),

...

9.

a) die dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen, Wege, Plätze, Brücken, künstlichen Wasserläufe, Häfen und Schienenwege, einschließlich der Seitengräben, Böschungen, Schutzstreifen, Schneedämme und der zwischen den Gleisen oder Fahrbahnen liegenden Geländestreifen,

b) den dem Betrieb eines Flughafens des allgemeinen Verkehrs dienenden sowie den für den Flugsicherungsdienst benutzten Grundbesitz,

...

§ 4.

Unmittelbare Benutzung des Steuergegenstandes

als Voraussetzung für die Steuerbefreiung.

(1)Die Befreiung tritt nur ein, wenn der Steuergegenstand für die in den §§ 2 und 3 bezeichneten Zwecke unmittelbar benutzt wird.

(2) Dient der Steuergegenstand auch anderen Zwecken und wird für die steuerbegünstigten Zwecke ein räumlich abgegrenzter Teil des Steuergegenstandes benutzt, so ist nur dieser Teil befreit.

(3) Dient der Steuergegenstand oder ein Teil des Steuergegenstandes sowohl steuerbegünstigten als auch anderen Zwecken, ohne daß eine räumliche Abgrenzung für die verschiedenen Zwecke möglich ist, so ist der Steuergegenstand oder der Teil nur befreit, wenn die steuerbegünstigten Zwecke überwiegen.

...

§ 6.

Öffentlicher Dienst oder Gebrauch

(1) Öffentlicher Dienst oder Gebrauch im Sinne des § 2 Z. 1 lit. a ist die Ausübung der öffentlichen Gewalt oder der Gebrauch durch die Allgemeinheit.

...

(4) Öffentlicher Dienst oder Gebrauch ist nicht anzunehmen bei Betrieben, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem öffentlichen Hafenbetrieb dienen."

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nicht strittig, daß der in Rede stehende Hafen dem öffentlichen Verkehr dient. Strittig ist dagegegen, ob sich die Grundsteuerbefreiung nur auf die schiffbaren Wasserflächen einschließlich von Molen (Hafendämmen, Wellenbrechern) und von Kaimauern (Ufermauern und Bollwerken) erstreckt (so die belangte Behörde) oder darüber hinaus - außer auf für den Schiffsverkehr unerläßliche Hafeneinrichtungen - auch auf "Umschlags- und Lagereinrichtungen" sowie auf damit zusammenhängende Flächen (so die Beschwerdeführerin). Letztere meint, daß es sich bei dem Begriff "Häfen" im Sinne des § 2 Z. 9 lit. a GrStG um einen "Komplettbegriff" handle, der in seiner allgemeinen Bedeutung wie auch nach der Verkehrsauffassung (Ö-NORM B 4920) und nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise die genannten Einrichtungen mitumfasse. Die Beschwerdeführerin verweist auf die in den Wörterbüchern gegebene Definition des Begriffes "Hafen", aus der entnehmbar sei, daß Häfen auch dem Laden und Löschen (Entladen) der Schiffsfrachten und dem Güterumschlag mit Kränen oder Leichtern dienten und daß dazu auch Einrichtungen für den Versorgungs- und Reparaturdienst gehörten, die das Ein- und Auslaufen und Festmachen der Schiffe, den Güterumschlag, die Lagerung, die Manipulation, die Lieferkontrolle und die Zollabfertigung ermöglichten. Ein Hafen sei nicht ein Ort, an welchem Schiffe passiv in Ruhestellung verharrten, sondern ein Ort, in dem essentiell Aktivitäten gesetzt würden, zumindest die Aufnahme und Freisetzung von Fracht oder Passagieren. Besonders sei es in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht denkbar, ein Gebilde ohne derartige Einrichtungen als Hafen anzusehen. Spezialgesetzliche Vorschriften, auf die sich die Beschwerdeführerin ursprünglich im Verwaltungsverfahren gestützt hatte, seien dagegen nicht ausschlaggebend, wenn dabei der Regelungsbereich dieser Gesetze außer Betracht gelassen würde. Der Hafen erfülle eine "Schaltstellenfunktion zwischen Wasser- und Landverkehr". Die "Umfrachtung der Güter vom Wasser auf den Landtransport" bzw. umgekehrt sei Teil eines (übergeordneten) Verkehrsvorganges, der im Hinblick auf die allgemeine Zugänglichkeit auch öffentlichen Charakter habe. Die dafür unerläßlichen Umschlags- und Lagereinrichtungen dienten dementsprechend auch unmittelbar dem öffentlichen Verkehr. Die einen anderen Befreiungstatbestand betreffende Regelung des § 6 Abs. 4 GrStG könne sich nicht auf den im § 2 Z. 9 lit. a leg. cit. verwendeten Begriff "Häfen" auswirken; die erstzitierte Gesetzesstelle nehme der letztzitierten Gesetzesstelle auch deswegen keinesfalls ihren Anwendungsbereich, weil Unternehmen dem öffentlichen Hafenbetrieb auch dann dienen könnten, wenn sie nicht zum Hafen gehörten. Dagegen sei aus sachlichen Gründen eine am Inhalt des § 2 Z. 9 lit. b GrStG orientierte Auslegung durchaus erlaubt bzw. geboten. Zu bedenken sei schließlich, daß der Gesetzgeber in der anzuwendenden Gesetzesstelle nicht von "Hafenbecken", sondern von "Häfen" gesprochen habe; diese beiden Begriffe seien so unterschiedlich, daß es nicht Sache der Interpretation sein könne, den einen Begriff durch den anderen zu ersetzen.

Die belangte Behörde gesteht in ihrer Gegenschrift ausdrücklich zu, "daß der Wortsinn des zum allgemeinen Sprachgebrauch gehörenden Wortes "Häfen" auch Betriebseinrichtungen für den Güterumschlag, die Lagerung usw. umfaßt." Sie meint indes, aus der Gesetzessystematik - insbesondere aus dem Regelungszusammenhang bzw. aus dem aus der Gesamtschau der Bestimmungen der §§ 2 und 6 GrStG ableitbaren Grundsatz, vorwiegend zu gewerblichen Zwecken benützter Grundbesitz sei nicht von der Grundsteuer befreit - und aus der bei steuerlichen Begünstigungsbestimmungen gebotenen restriktiven Auslegung schließen zu müssen, daß sich die in Rede stehende Grundsteuerbefreiung nicht auch auf Einrichtungen für Umschlags- und Lagerzwecke von Waren erstrecken könne, zumal hinsichtlich der Umschlagstätigkeit nicht von einem öffentlichen Verkehr im Sinne des Gesetzes gesprochen werden dürfe. "Öffentlicher Verkehr" umfasse zwar "sowohl die technische Fortbewegung von Straßenfahrzeugen, Eisenbahnen sowie Schiffen" als auch den "ruhenden Verkehr", "öffentlich" sei der Verkehr aber nur dann, wenn die Benützung von der Allgemeinheit ausgeübt werde oder die Verkehrsmittel der Allgemeinheit zur Verfügung stünden. Das könne aber nur dort sein, "wo sich Schiffe fortbewegen können oder dort, wo sie anliegen können".

Die im Beschwerdefall anzuwendende Gesetzesstelle befreit die dem öffentlichem Verkehr (unmittelbar) dienenden Verkehrswege von der Grundsteuer. Der maßgebende Begriff "Häfen" umfaßt nach der zur rechtsähnlichen Bestimmung des § 4 Z. 3 lit. a d GrStG vertretenen Lehre (s. Troll, GrStG6, 166 f) die mit Wasser bedeckten Flächen, die Böschungen sowie die Grundflächen der Kaimauern und die anderen zur Benutzung von Häfen erforderlichen Einrichtungen. Lagergebäude und andere Gebäude, die dem Hafenverkehr dienen, unterliegen dagegen der Grundsteuer; dies gilt auch für Hafengrundstücke, die der Umschlagslagerei dienen (vgl. hiezu auch das Urteil des BFH vom , II R 115/88, BStBl. II S. 302).

Der Verwaltungsgerichtshof hält diese Auslegung auch auf dem Boden der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtsvorschrift des § 2 Z. 9 lit. a GrStG - für den darin enthaltenen Begriff "Häfen" ist aus der lit. b dieser Gesetzesstelle betreffend Grundsteuerbefreiung für den dem Betrieb eines "Flughafens" dienenden Grundbesitz nichts zu gewinnen - für zutreffend. Ausgehend davon hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid dadurch mit der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, daß sie ohne nähere Prüfung, ob und gegebenenfalls auf welchen Grundflächen im Hafen Z andere als in Warenlagern bestehende, für den Hafenbetrieb unerläßliche Betriebseinrichtungen, wie insbesondere Verladeeinrichtungen, zu den Feststellungszeitpunkten vorhanden waren und im Sinne des § 4 GrStG zumindest überwiegend dem steuerbegünstigten Zweck gedient haben, der Beschwerdeführerin die Grundsteuerbefreiung nur für Wasserflächen (einschließlich der Molen und Kaimauern) gewährt hat. Der Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.