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VwGH vom 14.10.1999, 99/16/0288

VwGH vom 14.10.1999, 99/16/0288

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

99/16/0289

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerden der S GmbH & Co in E, vertreten durch Dr. Christian Hopp, Rechtsanwalt in Feldkirch, Johannitergasse 6/II, gegen die Bescheide der Vorarlberger Landesregierung 1) vom , Zl. IIIa-230/212 und 2) vom , Zl. IIIa-230/206, je betreffend die Aussetzung eines Verfahrens in einer Getränkesteuerangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 30.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den Beschwerden, den ihnen angeschlossenen Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide und einer gemäß § 35 Abs. 2 VwGG eingeholten Stellungnahme der belangten Behörde ergibt sich Folgendes:

Die Beschwerdeführerin erklärte gegenüber der Marktgemeinde Lustenau und der Gemeinde Hittisau für das Jahr 1997 die Getränkesteuer jeweils mit S 0,-- und beantragte die Rückzahlung der zu hoch entrichteten Getränkesteuerbeträge.

Entgegen diesen Anträgen wurde mit Bescheiden der Bürgermeister der genannten Gemeinden die Getränkesteuer mit S 1,065.642,-- bzw. S 441.425,-- festgesetzt, wogegen die Beschwerdeführerin berief.

Bereits in der gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Lustenau erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin in Darlegung ihrer gegen eine Aussetzung des Berufungsverfahrens bestehenden Interessen geltend, sie beabsichtige, die Verfassungswidrigkeit der Getränkesteuer beim Verfassungsgerichtshof geltend zu machen, wobei im Falle einer Aussetzung die Gefahr bestünde, um die Ergreiferprämie zu kommen.

Die Berufungen wurden mit Bescheiden der genannten Gemeinden jeweils als unbegründet abgewiesen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin jeweils Vorstellung an die belangte Behörde, wobei sie in der gegen den Berufungsbescheid der Gemeinde Hittisau erhobenen Vorstellung ankündigte, die Verfassungswidrigkeit der Getränkesteuer beim Verfassungsgerichtshof geltend machen zu wollen, um in den Genuss der Ergreiferprämie zu kommen.

Die belangte Behörde setze daraufhin je das Verfahren über die erhobenen Vorstellungen gemäß § 92 Abs. 4 des Vorarlberger Gemeindegesetzes, LGBl. 40/1985 iVm § 38 AVG bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in der Rechtssache C-437/97 aus, und zwar mit der Begründung, die dem EuGH vom Verwaltungsgerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegten Rechtsfragen seien iS des § 38 AVG präjudiziell. Auf die angekündigte Absicht der Beschwerdeführerin, die Sache vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen, ging die belangte Behörde dabei nicht weiter ein.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerden, je wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, dass die Vorstellungsverfahren nicht ausgesetzt werden dürfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

Gemäß § 92 Abs. 4 des Vorarlberger Gemeindegesetzes, LGBl. 40/1985 gelten für das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde, ausgenommen für jenes nach § 84, ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Verfahrens ausschließlich die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes.

§ 38 AVG lautet:

"Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wäre, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zu Grunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird."

Es steht somit im Ermessen der Behörde, ob sie von der Möglichkeit einer Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 Satz 2 AVG Gebrauch macht oder nicht, wobei nach der hg. Judikatur für eine Aussetzung des Verfahrens in erster Linie das Prinzip der Verfahrensökonomie (Raschheit, Einfachheit, Kostenersparnis) spricht (vgl. dazu z.B. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5 unter ENr. 19 lit. b und c zu § 38 AVG referierte hg. Judikatur). Nach ständiger hg. Judikatur sind Ermessensentscheidungen insbesondere dann hinreichend zu begründen, wenn sie zum Nachteil einer Partei getroffen werden (vgl. Hauer/Leukauf a.a.O. Anm. 6 Abs. 4 zu § 56 AVG).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem der belangten Behörde gemäß § 35 Abs. 2 VwGG vorgehaltenen Erkenntnis vom , Zlen. 99/16/0052, 0053 (das zu § 216 WAO ergangen ist), klargestellt, dass Parteiinteressen einer Aussetzung dann entgegenstehen, wenn die Partei die bevorstehende Gerichtsanhängigkeit der präjudiziellen Norm beim Verfassungsgerichtshof darzulegen vermag.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird dazu auf die Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses verwiesen.

Die belangte Behörde vermeint in ihrer gemäß § 35 Abs. 2 VwGG erstatteten Stellungnahme, dass die gegenständlichen Fälle anders lägen, weil § 38 AVG anders als die Abgabenverfahrensgesetze keine Berücksichtigung der einer Aussetzung allenfalls entgegenstehenden Parteiinteressen vorschreibe.

Dem kann nicht gefolgt werden, weil die belangte Behörde auch im Rahmen der Begründung eines auf § 38 AVG gestützten Aussetzungsbescheides betreffend die vorgenommene Ermessensübung gehalten ist, auf die von der durch die Aussetzung allenfalls nachteilig betroffenen Partei vorgetragenen Argumente einzugehen und diese Argumente gegen die für eine Aussetzung sprechenden Aspekte der Verfahrensökonomie entsprechend abzuwägen hat. Gerade das hat aber die belangte Behörde in den ihr vorliegenden Fällen unterlassen, wiewohl die Beschwerdeführerin in einem der beiden Fälle schon in ihrer Berufung, im zweiten Fall in der Vorstellung ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass es ihr Bestreben ist, die Sachen vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen, um dort in den Genuss der sog. Ergreiferprämie zu gelangen.

Auch wenn § 38 AVG anders als die einschlägigen Bestimmungen der Abgabenverfahrensgesetze (z.B. § 122 des Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetzes) selbst nicht ausdrücklich eine Bedachtnahme auf Parteiinteressen anordnet, besagt das noch nicht, dass die Behörde jedenfalls in Abgabenangelegenheiten im Rahmen ihrer Ermessensübung (und der dazu erforderlichen Begründung) entsprechend gelagerte Parteiinteressen, die einer Aussetzung entgegen stehen können, außer Acht lassen dürfte. Dass aber gerade das Interesse einer Partei im Zusammenhang mit der Frage einer allfälligen Verfassungswidrigkeit der Getränkesteuer, möglichst rasch eine Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG zu erheben, einer Aussetzung entgegenstehen kann, wurde durch das oben schon zitierte hg. Erkenntnis, Zlen. 99/16/0052, 0053, hinlänglich klargestellt.

Die belangte Behörde hat daher durch ihr Vorgehen ihre Bescheide mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Da sich dies bereits aus den angefochtenen Bescheiden ergab, waren sie gemäß § 35 Abs. 2 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben, zumal allein betreffend die Frage der Aussetzung des Verfahrens vor der belangten Behörde die beiden Gemeinden als Mitbeteiligte noch nicht beizuziehen waren.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am