zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 15.12.1999, 97/09/0257

VwGH vom 15.12.1999, 97/09/0257

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde der Hamu Bau Ges.m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. Dipl. Dolm. Johann Zivic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 20, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice vom , Zl. GZ 10/13113/170 7838, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit eines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte als Arbeitgeberin am beim Arbeitsmarktservice Angestellte Wien die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für eine Staatsbürgerin von Bosnien-Herzegowina als Büroangestellte und gab als erforderliche Kenntnis oder Ausbildung "Bundeshandelsschule Wien" an.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Angestellte Wien vom gemäß § 4 Abs. 7 AuslBG abgewiesen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie brachte im Wesentlichen vor, dass mit einem Bescheid des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst vom das Jahreszeugnis der beantragten Ausländerin über die noch in Bosnien absolvierte achte Schulstufe gemäß § 75 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes einem Jahres- und Abschlusszeugnis einer österreichischen Hauptschule vollinhaltlich gleichgestellt worden sei. Gemäß § 75 Abs. 5 leg. cit. gewähre das der beantragten Ausländerin nostrifizierte Zeugnis die gleichen Berechtigungen wie das österreichische Zeugnis, mit dem es gleichgehalten werde. Die beantragte Ausländerin, deren Vater seit Anfang der Siebzigerjahre als qualifizierter Maurer in Wien aufhältig bzw. beschäftigt und jedenfalls in den letzten fünf Jahren vor der gegenständlichen Antragstellung um eine Beschäftigungsbewilligung zu Gunsten seiner Tochter mehr als drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet erwerbstätig gewesen sei, habe die Handelsschulausbildung absolviert und weise somit einen höheren Grad an Integration auf als jene Ausländer, die lediglich die letzte Schulpflichtklasse in Österreich absolviert hätten. Die Ausländerin erfülle daher die Voraussetzungen des § 1 Z. 1 der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung - BHZÜV.

Auch § 1 Z. 2 BHZÜV treffe auf die beantragte Ausländerin zu, weil diese anfangs 1992 ihre bosnische Heimat auf Grund der kriegerischen Ereignisse in Bosnien verlassen und zu ihrem in Österreich beschäftigten Vater flüchten hätte müssen, zumal sie anderweitig keinen Schutz gefunden habe.

Da sohin § 1 Z. 1 und 2 BHZÜV anzuwenden sei, hätte gemäß § 12a Abs. 1 AuslBG auch über die Bundeshöchstzahl hinaus eine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden dürfen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice vom wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG i. V.m. § 4 Abs. 7 i.V.m. § 12a Abs. 1 und 2 AuslBG sowie der zu § 12a AuslBG ergangenen Verordnungen keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt.

Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass laut Statistik des Arbeitsmarktservice Österreich seit Beginn des Kalenderjahres 1997 die Bundeshöchstzahl bei weitem überschritten sei, weshalb im gegenständlichen Verfahren § 4 Abs. 7 AuslBG anzuwenden sei. Mit Stand vom seien auf die Bundeshöchstzahl 268.786 Ausländer - bereits abzüglich der Doppel- und Mehrfachbeschäftigungen und der nicht beanspruchten Bewilligungen - anzurechnen, was eine Überschreitung dieser im Ausmaß von 2,5 Prozent bedeute. Damit stehe § 4 Abs. 7 AuslBG der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die beantragte Ausländerin entgegen. Die beantragte Ausländerin falle auch nicht in den Kreis jener Personen, für welche auf Grund des § 12a Abs. 2 AuslBG erlassenen Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung - BHZÜV über die Bundeshöchstzahl hinaus Sicherungsbescheinigungen und Beschäftigungsbewilligungen bis zu einem Höchstausmaß von 9 % am österreichischen Arbeitskräftepotenzial erteilt werden dürfen. § 1 Z. 1 BHZÜV sei auf die beantragte Ausländerin deswegen nicht anzuwenden, weil die Nostrifikation des Jahreszeugnisses der bosnischen Grundschule das Erfordernis des Pflichtschulabschlusses in Österreich im Sinne dieser Bestimmung nicht ersetze und die beantragte Ausländerin, die bereits im 21. Lebensjahr stehe, deswegen nicht mehr als jugendliche Ausländerin im Sinne der genannten Bestimmung anzusehen sei, weil sie das 19. Lebensjahr bereits vollendet habe.

Die Voraussetzungen des § 1 Z. 2 BHZÜV erfülle die beantragte Ausländerin deswegen nicht, weil für sie keine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 12 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ausgestellt worden sei und sie auch vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes mit nie über einen Flüchtlingsstatus verfügt habe. Die bloße Behauptung, die beantragte Ausländerin sei aus Bosnien nach Österreich zu ihrem Vater geflohen, könne die Anwendung dieser Gesetzesbestimmung nicht begründen. Überdies sei auch kein Nachweis erbracht worden, dass die beantragte Ausländerin als Kriegsflüchtling in das Bundesgebiet gekommen sei. Letztlich sei sie schon mit erstmalig in Österreich nach dem Meldegesetz registriert, also vor Kriegsausbruch in Bosnien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der seine kostenpflichtige Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung sowie der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen

Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina lauten:

Ausländerbeschäftigungsgesetz:

"§ 4. ...

...

(7) Unbeschadet des § 12a Abs. 2 dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur unter der zusätzlichen Voraussetzung erteilt werden, dass die Bundeshöchstzahl nicht überschritten wird. Dies gilt nicht, wenn die Beschäftigungsbewilligung für einen Ausländer erteilt werden soll, der Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz hat.

...

§ 12a. (1) Die Gesamtzahl der unselbstständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer darf den Anteil von 8 v.H. am österreichischen Arbeitskräftepotenzial (Gesamtzahl der unselbstständig beschäftigten und arbeitslosen Inländer und Ausländer) nicht übersteigen. Diese Gesamtzahl hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales jährlich kundzumachen.

(2) Über die Gesamtzahl gemäß Abs. 1 hinaus dürfen Sicherungsbescheinigungen und Beschäftigungsbewilligungen bis zu einem Höchstausmaß von 9 v.H. am österreichischen Arbeitskräftepotenzial erteilt werden, wenn dies der Bundesminister für Arbeit und Soziales durch Verordnung für einzelne Personengruppen, an deren Beschäftigung öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen, festlegt. Die Verordnung kann eine bestimmte Geltungsdauer der Beschäftigungsbewilligungen, ein Höchstausmaß für alle Überziehungsfälle zusammengerechnet oder bestimmte zahlenmäßige Höchstrahmen für einzelne Gruppen vorsehen."

Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung:

"§ 1. Über die Gesamtzahl der unselbstständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer (Bundeshöchstzahl) gemäß § 12a Abs. 1 AuslBG hinaus dürfen Sicherungsbescheinigungen ausgestellt und Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden für

1. integrierte jugendliche Ausländer, sofern sie ihre Schulpflicht in Österreich beendet haben und wenigstens ein Elternteil, der zum Aufenthalt nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG), BGBl. Nr. 466/1992, berechtigt ist, während der letzten fünf Jahre mindestens drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet erwerbstätig war;

2. Ausländer, die gemäß einer Verordnung auf Grund des § 12 AufG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind;

..."

Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 299/1996:

"§ 1. (1) Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die auf Grund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mussten und anderweitig keinen Schutz fanden, haben ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, wenn sie


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
vor dem eingereist sind, oder
2.
nach dem , aber vor dem eingereist sind und sich aus allgemein begreiflichen Gründen nicht der Grenzkontrolle gestellt haben, sofern ihre Einreise danach ohne unnötigen Aufschub der Meldebehörde, der Fremdenpolizeibehörde oder der Behörde nach dem Aufenthaltsgesetz bekannt geworden ist, oder
3. in der Zeit zwischen dem und dem Inkrafttreten dieser Verordnung eingereist sind, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde, oder
4. ab dem Inkrafttreten dieser Verordnung einreisen, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgt, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellt und ihm die Einreise mit Zustimmung des Bundesministers für Inneres gestattet wird."
Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen aus jenen Gründen für rechtswidrig, aus welchen sie bereits Berufung erhoben hat. Sie kann sich zwar nicht darauf berufen, dass es sich bei der beantragten Ausländerin um eine jugendliche Ausländerin im Sinn des § 1 Z. 1 BHZÜV gehandelt hat. Unbestritten hatte die beantragte Ausländerin zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nämlich ihr 19. Lebensjahr bereits vollendet. Als jugendliche Ausländer im Sinn der genannten Bestimmung kann angesichts der Definition dieses Begriffes in § 15 Abs. 1 Z. 3 AuslBG, wonach ein Ausländer, der das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, als jugendlicher Ausländer anzusehen ist, nur ein Ausländer bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres angesehen werden. Die Frage, ob ein integrierter jugendlicher Ausländer, dessen ausländischer Schulabschluss auf Grund eines Bescheides gemäß § 75 Abs. 5 und 6 des Schulunterrichtsgesetzes, wonach dieser Schulabschluss dem Abschlusszeugnis einer österreichischen Hauptschule, vierte Klasse/achte Schulstufe, gleichgehalten wird, im Grund des § 1 Z. 1 BHZÜV wie ein Ausländer, der seine Schulpflicht in Österreich beendet hat, zu behandeln ist, kann im vorliegenden Fall daher dahingestellt bleiben.
Die Beschwerdeführerin meint aber auch, die beantragte Ausländerin falle unter den in § 1 Z. 2 der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung genannten Tatbestand. Das Aufenthaltsrecht gemäß § 1 der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina komme den darin genannten Personen unmittelbar auf Grund dieser Verordnung zu. Eine allfällige Ersichtlichmachung im Reisepass sei nicht konstitutiv, sondern lediglich deklarativ. Dies habe die belangte Behörde verkannt, wenn sie ausführte, dass der beantragten Arbeitskraft eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 12 AufG nicht ausgestellt worden sei. Die belangte Behörde habe nicht ausreichend ermittelt, ob der beantragten Ausländerin tatsächlich ein derartiges Aufenthaltsrecht zugekommen sei. Die erstmalige polizeiliche Meldung der Ausländerin mit sage nichts darüber aus, wann diese tatsächlich aus Bosnien vertrieben worden sei.
Mit diesem Vorbringen hat die Beschwerde Erfolg. Hinsichtlich der unbestritten zu Beginn des Jahres 1992 nach Österreich eingereisten beantragten Ausländerin war es nämlich nicht ausgeschlossen, dass dieser gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 der Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 299/1996, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukam (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/19/1367, wonach die bewaffneten Konflikte in Bosnien-Herzegowina Ende 1991 begonnen haben), das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin hätte die belangte Behörde nicht mit dem bloßen Hinweis darauf, für die beantragte Ausländerin sei keine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 12 AufG "ausgestellt" worden, als unbeachtlich qualifizieren dürfen, weil ein Aufenthaltsrecht im Fall der Erfüllung der in der Verordnung BGBl. Nr. 299/1996 angeführten Voraussetzungen unmittelbar - und dies hat die belangte Behörde verkannt - zugekommen wäre, ohne dass es der Zuerkennung durch behördlichen Akt im Einzelfall bedurft hätte (vgl. das hg.

Erkenntnis vom , Zl. 95/19/1021).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1

VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG

i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am