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VwGH vom 22.02.1993, 91/15/0123

VwGH vom 22.02.1993, 91/15/0123

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

91/15/0125

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde 1. der MK und 2. des FK, beide in L, beide vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , 1. Zl. GA 7 - 1059/4/91, und

2. Zl. GA 7 - 1059/3/91, betreffend Haftung für Umsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheiden vom nahm das Finanzamt die Beschwerdeführer (die Geschäftsführer der F.K. Gesellschaft m. b.H. - im folgenden Gesellschaft) gemäß § 9 Abs. 1 BAO als Haftende für Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft in der Höhe von insgesamt S 4,916.433,-- (Umsatzsteuer 1981 S 1,439.001,--, Umsatzsteuer 1982 S 1,121.555,-- und Umsatzsteuer 1983 S 2,355.877,--) in Anspruch.

In den gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen brachten die Beschwerdeführer übereinstimmend vor, die Voraussetzungen ihrer Heranziehung zur Haftung lägen nicht vor. Die Gesellschaft habe ihre Leistungen immer mit Teilrechnungen fakturiert. Erst mit den Schlußrechnungen sei jeweils die Umsatzsteuer ermittelt und dem Auftraggeber in Rechnung gestellt worden. Bedingt durch schlechten Geschäftsgang sei es nicht möglich gewesen, genügend Liquidität zu schaffen, um die sich aus den Schlußrechnungen ergebende Umsatzsteuer an die Finanzbehörde abzuführen. Der Gesellschaft seien hohe Forderungsausfälle durch Insolvenz und schlechte Zahlungsmoral ihrer Kunden entstanden. Die Gesellschaft habe zwischen 40 und 60 Dienstnehmern beschäftigt; schon im Hinblick auf die Lohnsumme, die darauf lastenden Sozialversicherungsbeiträge und "die übrigen Umstände" habe die Gesellschaft die Umsatzsteuer nicht abführen können. Der Zweitbeschwerdeführer sei durch eine schwere Erkrankung im Jahre 1980 in seiner Arbeitskraft erheblich beeinträchtigt gewesen; infolge mehrerer Spitalsaufenthalte seien die Grundaufzeichnungen nicht fortlaufend geführt worden und weitere Mängel im Rechnungswesen aufgetreten. Der Zweitbeschwerdeführer sei auch als einfacher Handwerker bei der Führung des Unternehmens derart überfordert gewesen, daß ihm die Nichtabführung der Umsatzsteuer keineswegs als Verschulden zugerechnet werden könne. Er habe sich in erster Linie den Dienstgebern verpflichtet gefühlt und deren Wohl mehr Gewicht beigemessen als den Abgabenverbindlichkeiten; hätte er diese entrichtet, so hätte dies zur Konsequenz gehabt, daß der Geschäftsbetrieb hätte eingestellt werden müssen und ca. 50 Dienstnehmer ihren Arbeitsplatz verloren hätten. Die Erstbeschwerdeführerin habe seit 1982 nicht mehr "an der Geschäftsführung teilgenommen".

Nach Erlassung von die Berufungen als unbegründet abweisenden Berufungsvorentscheidungen beantragten die Beschwerdeführer die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Sie brachten neben Hinweisen auf das Berufungsvorbringen ergänzend vor, die Erstbeschwerdeführerin sei lediglich bis Geschäftsführer gewesen. Im Streitzeitraum seien "nicht beide Ehegatten mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Angelegenheiten betraut" gewesen; die Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, zu untersuchen, "für welchen Zeitraum die Erstbeschwerdeführerin und für welchen Zeitraum der Zweitbeschwerdeführer zuständig gewesen" wäre.

In Ergänzungsschriftsätzen führten die Beschwerdeführer aus, die Haftung könne nicht auf falsche Umsatzsteuervoranmeldungen und Buchführungsmängel gegründet werden, denn auch bei richtiger Buchführung könne es dazu kommen, daß keine Mittel zur Bezahlung der Abgaben zur Verfügung stünden. Im übrigen sei auch im Falle objektiver Pflichtverletzung die Uneinbringlichkeit nicht auf das Verschulden der Beschwerdeführer, sondern auf jenes der Abgabenbehörde zurückzuführen, weil diese "praktisch keine Schritte unternommen" habe, um die Abgaben bei der Gesellschaft einbringlich zu machen.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Erstbeschwerdeführerin insoweit statt, als diese für Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft in der Höhe von insgesamt S 1,625.537,-- (Umsatzsteuer 1981 S 1,438.641,86 und Umsatzsteuer Jänner und Februar 1982 S 186.895,65) in Anspruch genommen wurde.

Der Berufung des Zweitbeschwerdeführers gab die belangte Behörde mit dem zweitangefochtenen Bescheid insoweit statt, als der Beschwerdeführer für Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft von insgesamt S 4,789.750,-- in Anspruch genommen wurde.

Begründend führte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage übereinstimmend aus, auf dem Abgabenkonto der Gesellschaft hafte Umsatzsteuer von S 1,438.641,86 (1981), S 1,121.373,88 (1982) und S 2.229.734,45 (1983) aus. Die Haftung käme somit nur im Ausmaß dieser Beträge in Betracht. Die Abgabenbehörde habe seit 1984 regelmäßig versucht, die Abgaben bei der Gesellschaft durch Zwangsvollstreckung hereinzubringen. Am seien Wirtschafsgüter des Betriebsvermögens der Gesellschaft gepfändet, die Verwertung aber durch Weiterveräußerung der Wirtschaftsgüter durch die Gesellschaft vereitelt worden. Weitere Exekutionsversuche (z.B. am , , , ) seien erfolglos geblieben. Am habe der Vertreter der Gesellschaft dem Finanzamt gegenüber erklärt, daß mit keinen Zahlungen der Gesellschaft gerechnet werden könne. Da es sich bei der Umsatzsteuer um eine mit den Entgelten vereinnahmte Abgabe handle, müsse der Vertreter zur gänzlichen Abfuhr bei korrekter Geschäftsführung jedenfalls in der Lage sein. Das Vorbringen der Beschwerdeführer über die Lohnsumme und die Sozialversicherungsbeiträge erweise, daß Mittel für die Entrichtung der Abgabenschulden zur Verfügung gestanden seien.

Im erstangefochtenen Bescheid führte die belangte Behörde ferner aus, es sei unbestritten, daß die Erstbeschwerdeführerin bis Geschäftsführer mit selbständiger Vertretungsbefugnis gewesen sei. Eine Aufteilung der Agenden in dem Sinn, daß sie von allen finanziellen Aufgaben ausgeschlossen gewesen sei, sei nicht behauptet worden. Für den Zeitraum nach Beendigung der Geschäftsführertätigkeit könne sie jedoch nicht zur Haftung herangezogen werden; diese sei somit auf die Umsatzsteuer 1981 und die bis zur Beendigung der Geschäftsführertätigkeit angefallene Umsatzsteuer 1982 einzuschränken.

Im zweitangefochtenen Bescheid führte die belangte Behörde weiters aus, der Zweitbeschwerdeführer sei ab alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen. Ob er zuvor (während der Geschäftsführertätigkeit der Erstbeschwerdeführerin) ebenfalls die finanziellen Agenden der Gesellschaft wahrgenommen habe, sei unerheblich, weil die Pflicht zur Entrichtung von Abgabenschulden erst mit deren Abstattung ende. Eine Beeinträchtigung durch Krankheit und die behauptete Überforderung durch die Führung des Betriebes ändere nichts an der schuldhaften Verletzung der Pflicht zur Entrichtung der Abgaben, weil der Zweitbeschwerdeführer im Falle einer Behinderung an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Obliegenheiten entweder sofort die Behinderung abstellen oder als Geschäftsführer hätte ausscheiden müssen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, mit denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren über die Beschwerden wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und erwogen:

Die Beschwerdeführer machen zunächst übereinstimmend geltend, sie hätten mit den in erster Instanz erlassenen Bescheiden nicht zur Haftung herangezogen werden dürfen, weil zum Zeitpunkt der Erlassung der Haftungsbescheide noch keine Abgabenschuld der Gesellschaft bestanden habe. Die Abgabenverbindlichkeit der Gesellschaft sei nämlich erst mit der Erlassung der Umsatzsteuerbescheide am - und somit nach Erlassung der Haftungsbescheide des Finanzamtes - entstanden, wobei "ein Fälligkeitstag vorgeschrieben" worden sei. Die Erstbeschwerdeführerin verweist im erwähnten Zusammenhang weiters darauf, daß sie aus der Funktion eines Geschäftsführers am - ihrer Auffassung nach vor Eintritt der Fälligkeit der in Haftung gezogenen Abgaben - ausgeschieden sei und daher nicht zur Haftung herangezogen werden könne.

Diese Darlegungen zeigen - auch soweit ihnen nicht neue, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 VwGG unbeachtliche Sachverhaltsannahmen zugrunde liegen - keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide auf. Die Umsatzsteuerschuld entsteht grundsätzlich mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferungen und sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind (§ 19 Abs. 2 UStG). Die Fälligkeit der geschuldeten Umsastzsteuervorauszahlungen tritt gemäß § 21 Abs. 1 UStG (auch in der im Streitzeitraum anwendbaren Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1980) ohne bescheidmäßige Festsetzung mit dem zehnten Tag des auf den Voranmeldungszeitraum (Kalendermonat) zweitfolgenden Kalendermonates ein. Eine haftungsrelevante Pflichtverletzung liegt bereits im Verstoß gegen die Verpflichtung zur Leistung der Umsatzsteuervorauszahlungen.

Die Erstbeschwerdeführerin ist den Sachverhaltsannahmen des erstangefochtenen Bescheides zufolge am als Geschäftsführer ausgeschieden; damit endete für sie der haftungsrelevante Zeitraum (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/14/0161). Sie kann somit nur für jene Abgaben zur Haftung herangezogen werden, die die Gesellschaft (bzw. sie als deren Vertreter) bis zum zu entrichten hatte. Die belangte Behörde hat die Beschwerdeführerin zur Haftung für die Umsatzsteuer des Jahres 1981 und der Monate Jänner und Februar 1982 herangezogen; darin liegt keine Rechtswidrigkeit, weil die Gesellschaft die entsprechenden Vorauszahlungen spätestens bis zum zu entrichten hatte. Auf eine nach der im Streitzeitraum anzuwendenden Rechtslage (§ 21 Abs. 4 und 5 UStG in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1980; vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. G 111, 112, 128, 131, 132/84) allenfalls später eintretende Fälligkeit sogenannter "Abschlußzahlungen" kam es im vorliegenden Zusammenhang nicht an, weil die belangte Behörde ohne Rechtswidrigkeit eine Pflichtverletzung durch Unterlassung der Leistung der Umsatzsteuervorauszahlungen annehmen konnte.

Im Hinblick auf diese Rechtslage erweist sich auch die Auffassung der Beschwerdeführer, im Zeitpunkt der Erlassung der Haftungsbescheide erster Instanz seien die in Haftung gezogenen Abgabenverbindlichkeiten "nicht existent" gewesen, als verfehlt.

Aus den genannten Gründen erweist sich auch die Auffassung der Beschwerdeführer, die Annahme der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft sei aktenwidrig und denkunmöglich, weil "eine bei der Erlassung des Haftungsbescheides noch gar nicht existent gewesene Verbindlichkeit zum Zeitpunkt der Erlassung der Haftungsbescheide nicht uneinbringlich gewesen sein" könne, als verfehlt.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Annahme der Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen bei der Gesellschaft aber auch mit dem Vorwurf, die belangte Behörde habe keine nachprüfbaren Feststellungen über die Befriedigungsaussichten getroffen. Dem ist entgegenzuhalten, daß nach den Sachverhaltsannahmen der angefochtenen Bescheide der steuerliche Vertreter der Gesellschaft erklärte, daß mit Zahlungen nicht mehr zu rechnen sei und mehrfache Versuche der Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft erfolglos blieben. Die Beschwerde tritt dem mit keinem Wort entgegen; sie behauptet auch nicht, daß bei der Gesellschaft im maßgeblichen Zeitpunkt Vermögenswerte vorhanden gewesen wären, auf die der Abgabengläubiger zur Einbringung der Abgabenschulden hätte greifen können. Bei dieser Sachlage erweist sich die Annahme der belangten Behörde, die Abgabenforderungen seien bei der Gesellschaft uneinbringlich, nicht als rechtswidrig.

Der im erwähnten Zusammenhang erhobene Vorwurf, die Abgabenbehörde sei bei der Hereinbringung der Abgabenrückstände gegenüber der Gesellschaft "saumselig" gewesen, vermag weder die Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft noch die Feststellung des Rechtswidrigkeitszusammenhanges zwischen der Pflichtverletzung und der Uneinbringlichkeit zu entkräften.

Auch die Behauptung der Beschwerde, ein (nicht bezifferter) Teil der in Haftung gezogenen Abgabenschulden sei durch Zahlung bereits getilgt, muß schon am Neuerungsverbot scheitern.

Die Erstbeschwerdeführerin macht weiters geltend, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, zu jenen "Sachmomenten", auf die sie sich im angefochtenen Bescheid berufe, Parteiengehör zu gewähren; hätte sie dies getan, so hätte die Erstbeschwerdeführerin - verbunden mit entsprechenden Beweisanträgen - vorgebracht, daß sie "in Perioden, welche von Relevanz sind, infolge Krankheit arbeits- sowie funktionsunfähig war, zumal sie sich durch eine Zeit hindurch auch einem stationären Krankenhausaufenthalt unterziehen mußte".

Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Erstbeschwerdeführrin keinen relevanten Verfahrensmangel auf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Vertreters darzutun, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 90/15/0176, und die dort zitierte Vorjudikatur). Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren im Sinne der oben wiedergegebenen Beschwerdebehauptungen nichts vorgebracht. Dementsprechend konnte die belangte Behörde darüber auch keine Feststellungen treffen. Zu welchen Sachverhaltsannahmen die belangte Behörde der Erstbeschwerdeführerin im vorliegenden Zusammenhang das Parteiengehör hätte einräumen können, ist nicht ersichtlich. Die oben wiedergegebenen Beschwerdebehauptungen müssen somit am Neuerungsverbot scheitern. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, daß selbst unter Zugrundelegung der erwähnten Beschwerdebehauptungen die Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung der Erstbeschwerdeführerin nicht entkräftet wäre. Ihre Behauptungen bieten nämlich keinen konkreten Anhaltspunkt für die Annahme, sie wäre infolge Handlungsunfähigkeit weder zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten noch zur Niederlegung der Geschäftsführerfunktion in der Lage gewesen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 89/14/0115).

Letzteres trifft auch auf die Darlegungen des Zweitbeschwerdeführers zu, soweit er Feststellungen über seinen "Ausfall infolge Krankheit" vermißt.

Die Beschwerden zeigen somit weder eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide noch relevante Verstöße gegen Verfahrensvorschriften auf; sie waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.