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VwGH vom 19.12.2002, 99/16/0272

VwGH vom 19.12.2002, 99/16/0272

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der IB Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien IX, Währingerstraße 2-4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ RV 0507-09/98, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Gesellschaftsvertrag vom beteiligte sich die I. GmbH an der beschwerdeführenden GmbH mit einer Einlage von S 10.000 als "atypisch stiller Gesellschafter". Nach Punkt III. 1 des Vertrags konnte die I GmbH ihre Einlage im Einvernehmen mit dem Geschäftsherrn jeweils auf ein Vielfaches von S 10.000 erhöhen. Nach Punkt V. erstreckt sich die Beteiligung auf das gesamte Vermögen des Geschäftsherrn einschließlich der stillen Reserven und des Firmenwertes. Weiters wurde in diesem Punkt die Zuweisung des Jahresergebnisses im Verhältnis der Kapitalkonten näher geregelt. Das Kapitalkonto bestand aus der stillen Einlage. In Punkt IX des Vertrages sind unter anderem Bestimmungen über die Zustimmung des stillen Gesellschafters zu außergewöhnlichen Maßnahmen enthalten. Der zweite Satz des Punktes X. lautet:

Falls im Zusammenhang mit der atypisch stillen Beteiligung dem Geschäftsherrn auch ein Gesellschafterdarlehen gewährt wurde, ist eine Übertragung der atypisch stillen Beteiligung nur gemeinsam mit einer Übertragung des allenfalls noch aushaftenden Gesellschafterdarlehens möglich.

Nach Punkt XIII. des Gesellschaftsvertrags sollte das Auseinandersetzungsguthaben im anteiligen Unternehmenswert unter Berücksichtigung des Firmenwertes und der seit Vertragsbeginn entstandenen stillen Reserven bestehen.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde auf Grund der Bilanz zum festgestellt, dass weitere Einlagen als stiller Gesellschafter in Höhe von S 7,440.000,-- und S 7,740.000,-- sowie damit - nach Auffassung des Prüfungsorgans untrennbar verbundene - Gesellschafterdarlehen in Höhe von S 66,960.000 und S 50,310.000 geleistet worden waren.

Gegen die daraufhin von der Summe aller angeführten Beträge ausgehende Vorschreibung von Gesellschaftsteuer wurde Berufung erhoben. Darin wurde die Auffassung vertreten, die Einlage eines stillen Gesellschafters unterliege seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union nicht mehr der Gesellschaftsteuer.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde auf Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie des Rates 69/335/EWG verwiesen, wonach die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen, für die ein Recht auf Gewinnbeteiligung gewährt wird, der Gesellschaftsteuer unterliegt. Derjenige, der ein Recht auf Gewinnbeteiligung durch Einlagenleistung erwirbt, sei als Gesellschafter iS des Artikels 5 der Richtlinie anzusehen. Die Gesellschaftsteuer sei keine Last, die mit der Einlage unmittelbar zusammenhängt.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin durch die Vorschreibung der Gesellschaftsteuer für die Einlage des atypisch stillen Gesellschafters samt Darlehen, eventualiter durch die Nichtberücksichtigung der Gesellschaftsteuer als Schuldpost in ihren Rechten verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, 69/335/EWG, unterliegen der Gesellschaftsteuer die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art, für die nicht Gesellschaftsrechte gewährt werden, die einen Anteil am Kapital oder am Gesellschaftsvermögen verkörpern, sondern Rechte, wie sie Gesellschaftern gewährt werden, wie zB Stimmrecht, Recht auf Gewinnbeteiligung oder auf Liquidationserlöse.

Nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie wird die Steuer erhoben bei Gründung einer Kapitalgesellschaft, Erhöhung des Kapitals oder Erhöhung des Gesellschaftsvermögens gemäß Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a, c und d auf den tatsächlichen Wert der von den Gesellschaftern geleisteten oder zu leistenden Einlagen jeder Art abzüglich der Lasten und Verbindlichkeiten, die der Gesellschaft jeweils aus der Einlage erwachsen.

Nach § 5 Abs 1 Z 3 KVG gelten als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften Forderungen, die eine Beteiligung am Gewinn oder Liquiditätserlös der Gesellschaft gewähren. Nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle gelten als Gesellschafter die Personen, denen die im Abs 1 bezeichneten Gesellschaftsrechte zustehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfüllen alle Varianten der stillen Beteiligung, also auch die so genannte atypische, an einer Kapitalgesellschaft den Tatbestand des § 5 Abs 1 Z 3 KVG, weil der stille Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft am Gewinn der Kapitalgesellschaft beteiligt ist (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 98/16/0181, zu § 6 Abs 1 Z 3 KVG idF vor der Novelle BGBl Nr 629/1994, mit weiteren Hinweisen, siehe auch die Glosse von Schmidt zum angeführten Erkenntnis, AnwBl 2000, 102).

Die Beschwerdeführerin vertritt nun zusammengefasst die Auffassung, die Besteuerung der Einlage eines stillen Gesellschafters widerspreche der angeführten Richtlinie 69/335. Sie geht davon aus, dass es sich bei der I. GmbH nicht um einen Gesellschafter im handelsrechtlichen Sinn gehandelt hat. Da im Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie vom tatsächlichen Wert der von den Gesellschaftern geleisteten Einlagen die Rede ist, unterliege nur die Einlage eines Gesellschafters der Steuer.

Mit dieser Auffassung ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht:

Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Urteil vom in der Rechtssache C-138/00, festgestellt hat, sieht Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie 69/335 nicht vor, dass die dort genannten Einlagen von einem Gesellschafter der Gesellschaft, die sie erhält, stammen müssen. Der Anwendungsbereich dieses Artikels ist damit nicht auf Einlagen von Gesellschaftern beschränkt (vgl Randnummer 33 des Urteils). Die diesem Urteil zugrundeliegende vorgelegte Frage wurde von dem Gerichtshof daher damit beantwortet, dass Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie so auszulegen ist, dass der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff "von den Gesellschaftern geleistete oder zu leistende Einlagen jeder Art" finanzielle Beiträge erfasst, die an eine Kapitalgesellschaft, die ihr Gesellschaftsvermögen (dort: durch die Ausgabe von Genussscheinen) erhöht, von einem Nichtgesellschafter geleistet werden, der diese Genussscheine erwerben will. Daraus folgt aber für den Beschwerdefall, dass entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin einer Besteuerung einer Einlage, die eine Beteiligung am Gewinn der Kapitalgesellschaft gewährt, nicht entgegensteht, dass die entsprechenden Rechte Nichtgesellschaftern gewährt werden. Die Frage der Auslegung des Begriffs "Gesellschafter" ist somit für den Beschwerdefall gar nicht maßgeblich.

Soweit die Beschwerdeführerin weiters die Auffassung vertritt, die Gesellschaftsteuer sei bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage als Schuldpost zu berücksichtigen, ist sie auf Spruchteil 4. des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ebenfalls vom in der Rechtssache C- 339/99 zu verweisen, wonach die Gesellschaftsteuer keine Last bzw Verbindlichkeit iS von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 69/335 darstellt.

Im Hinblick auf die Darlegungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in den angeführten Urteilen erübrigte es sich, auch im Beschwerdefall eine Vorabentscheidung dieses Gerichtshofes einzuholen.

Dennoch hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Gesellschafter iSd § 5 Abs 2 KVG nur derjenige anzusehen, der über ein Gesellschaftsrecht gemäß § 5 Abs 1 (hier: Z 3) KVG, das heißt über eine Forderung verfügt, die ihm eine Beteiligung am Gewinn oder am Liquidationserlös der Gesellschaft gewährt (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2000/16/0301). Im Beschwerdefall wurden vom Prüfungsorgan auch die in zeitlichem Zusammenhang mit der Leistung der in Rede stehenden stillen Einlagen gewährten Darlehen in die Bemessungsgrundlage der Gesellschaftsteuer einbezogen. Die Prüferin verwies dabei auf eine "untrennbare kausale Verknüpfung" zwischen Einlagen und den Darlehensverträgen vom 20./. Die belangte Behörde hat es unterlassen, die diesbezüglichen Vereinbarungen dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen. Nach den unwidersprochenen Beschwerdeausführungen wurden die Darlehen zinsenfrei gewährt. Aus dem in den Akten erliegenden Gesellschaftsvertrag ist nicht erkennbar, dass die Darlehensbeträge eine Beteiligung am Gewinn oder am Liquidationserlös nach sich zögen. Vielmehr bemisst sich die Gewinnbeteiligung nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesellschaftsvertrages (Punkt V. 3.) allein nach dem "festen einbezahlten Kapitalkonto". Das Kapitalkonto ist die geleistete Einlage (Punkt V. 2. des Vertrags). Im angefochtenen Bescheid wurden zu den Darlehensbeträgen keinerlei Feststellungen getroffen. Insbesondere wurde nicht begründet, auf Grund welcher Umstände der Nennbetrag dieser Darlehensforderungen als Gesellschaftsrechte iS des § 5 Abs 1 KVG in Betracht kommen sollten. Auch die oben wiedergegebene Bestimmung des zweiten Satzes im Punkt X des Gesellschaftsvertrages vom reicht für sich allein noch nicht aus, die Darlehensforderungen als solche Gesellschaftsrechte zu qualifizieren. Mit diesem Begründungsmangel hat die belangte Behörde aber Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am