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VwGH vom 24.01.2002, 99/16/0265

VwGH vom 24.01.2002, 99/16/0265

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der H in T, vertreten durch Dr. Andreas Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, Leopoldstraße 31a, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. RV 193/1-T6/98, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der gesetzliche Erbe des am verstorbenen O.M. war Ing. A.W. . Die Beschwerdeführerin berief sich im Verlassenschaftsverfahren auf ein vom Todestag stammendes fremdhändiges Testament, mit welchem sie als Universalerbin eingesetzt worden wäre. Über die Rechtsgültigkeit dieses Testamentes wurde vor dem Landesgericht Innsbruck zur GZ. 13 Cg 155/96 ein Erbrechtsprozess zwischen Ing. A.W. als Kläger und der Beschwerdeführerin als Beklagten geführt. In einem vorausgegangenen Strafverfahren war durch den Schriftgutachter festgestellt worden, dass die Unterschrift unter dem Testament nicht vollständig vom Erblasser stammte; im Zivilprozess hat sich herausgestellt, dass der Erblasser am Todestag weder geschäftsnoch testierfähig war. Der Zivilprozess endete durch einen am abgeschlossenen Vergleich, der (nach den insoferne unbestrittenen Beschwerdeausführungen) lautete:

"1. Die beklagte Partei unterwirft sich dem Klagebegehren. Es wird festgestellt, dass das schriftliche Testament des am verstorbenen O.M., errichtet in Innsbruck am , kundgemacht zu 3a 466/95 des BG Innsbruck ungültig ist.

2. Die klagende Partei verpflichtet sich, der beklagten Partei binnen einem Monat zu Handen des Beklagtenvertreters den Betrag von S 1.150.000,-- zu bezahlen.

3. Damit sind alle gegenseitigen Forderungen bis zur Stunde ausgeglichen."

In der Folge wurde im Verlassenschaftsverfahren festgestellt, dass Ing. A.W. alleiniger Erbe aus dem Titel des Gesetzes sei; die Erben (Ing. A.W. hat 50 % vier weiteren Personen geschenkt) haben im Vermögensbekenntnis die oben genannte Zahlung an die Beschwerdeführer als Passivposten aufgenommen.

Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Innsbruck der Beschwerdeführerin auf der Basis des Vergleichsbetrages unter Abzug des gesetzlichen Freibetrages gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG Erbschaftsteuer in Höhe von 30 % des steuerpflichtigen Erwerbes vor. Die Zahlung laut Vergleich wurde als Abfindung gemäß § 2 Abs. 2 Z. 4 ErGStG qualifiziert.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei weder Erbin, Legatarin oder Pflichtteilsberechtigte, sodass der angesprochene Geldbetrag keinerlei Zuwendung von Todes wegen darstelle. Sie hätte auf Grund des fremdenhändigen Testamentes ein Erbrecht geltend gemacht; im genannten Zivilprozess habe ein umfangreiches Beweisverfahren stattgefunden und sei ein Prozessende nicht abzusehen gewesen, sodass sich das Verlassenschaftsverfahren verzögert hätte, weshalb sich der damalige Kläger entschlossen habe, der Beschwerdeführerin für die Abstandnahme von der weiteren Prozessführung, die nur exorbitante Kosten verursacht hätte, den genannten Betrag zu bezahlen. Dem damaligen Kläger sei bewusst gewesen, dass auch im Falle eines letztendlichen Obsiegens seine Prozesskosten nie einbringlich gewesen wären. Das Entgelt sei ein Entgelt für die Aufgabe der weiteren Prozessführung gewesen; in einem Urteil wäre zweifellos die Ungültigkeit des Testaments festgestellt worden, weshalb sich die Beschwerdeführerin dem Klagebegehren unterworfen habe. Im Zeitpunkt der Klage und des Vergleiches sei Ing. A.W. nicht festgestellter, geschweige denn eingeantworteter Erbe gewesen. Ing. A.W. habe durch den Erbrechtsstreit Erbenstellung erlangen wollen, was auch das Motiv gewesen sei, den Betrag zu bezahlen. Die Zahlung sei auch nicht aus der Verlassenschaft erfolgt, diese sei nie zahlungspflichtig gewesen.

In seiner abweisenden Berufungsvorentscheidung verwies das Finanzamt auf eine verwaltungsgerichtliche Judikatur, wonach der Tatbestand nach § 2 Abs. 2 Z. 4 ErbStG auch im Falle eines Erbrechtsvergleiches zur Anwendung gelange. Die Beschwerdeführerin habe jedenfalls aus der Erbschaft materiellen Nutzen gezogen, sodass auch eine Bereicherung gegeben sei.

Unter Hinweis auf neuere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes führte die Beschwerdeführerin im Vorlageantrag aus, dass nur im Falle der Ausschlagung eines tatsächlich bestehenden Erbrechtes gegen Abfindung die Abfindung der Erbschaftsteuer zu unterwerfen sei. Der Beschwerdeführerin sei aber kein gesetzliches, noch erbvertragliches, noch testamentarisches Erbrecht zugekommen, weil das von ihr vorgelegte Testament nicht eigenhändig unterfertigt war (laut Gutachten nur mehr 20 % eigene Formimpulse und 80 % Fremdformung durch Handführung) und der Verstorbene im Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr testierfähig war. Die Beschwerdeführerin habe über kein Erbrecht verfügt, auf welches sie hätte gegen Zahlung eines Abfindungsbetrages verzichten können. Zu beachten sei weiters, dass der Verkehrswert der von O.M. vererbten Liegenschaften ca. S 40,000.000,-- bis S 50,000.000,-- betragen habe, sodass der der Beschwerdeführerin gezahlte Betrag dem gegenüber in keinem Verhältnis stand. Einziger Zweck dieser Zahlung sei es gewesen, das Auflaufen weiterer Prozesskosten zu vermeiden. Diesbezüglich wurde von der Beschwerdeführerin auch die Durchführung eines Zeugenbeweises beantragt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin habe jedenfalls gegen Entgelt auf ihre Rechtsposition verzichtet und einen Rechtsanspruch aufgegeben, wobei die Ablösezahlung eine unmittelbare Folge dessen gewesen sei, dass die Beschwerdeführerin von ihrem Erbrechtstitel Gebrauch gemacht hatte. Wenn dieser Gebrauch aber die Ablöse bewirkt habe, dann habe die Beschwerdeführerin aus dem Nachlass wirtschaftlichen Nutzen gezogen und der kausale Zusammenhang zwischen der Ablöse und dem Nachlass sei hergestellt. Der Tatbestand des § 2 Abs. 2 Z. 4 ErbStG sei erfüllt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin sich in ihrem Recht verletzt erachtet, ohne Vorliegen des herangezogenen Tatbestandes als Begünstigte eines gerichtlichen Vergleichs den daraus erlangten Betrag nicht nach dem ErbStG versteuern zu müssen. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 1 Abs. 1 Z. 1 ErbStG unterliegt der Steuer nach diesem Bundesgesetz der Erwerb von Todes wegen.

§ 2 ErbStG lautet:

"§ 2. (1) Als Erwerb von Todes wegen gilt

1. der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches;

2. der Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall sowie jeder andere Erwerb, auf den die für Vermächtnisse geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechtes Anwendung finden;

3. der Erwerb von Vermögensvorteilen, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages unter Lebenden von einem Dritten mit dem Tode des Erblassers unmittelbar gemacht wird.

(2) Als vom Erblasser zugewendet gilt auch

1. der Übergang von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung;

2. was jemand infolge Vollziehung einer vom Erblasser angeordneten Auflage oder infolge Erfüllung einer vom Erblasser gesetzten Bedingung erwirbt, es sei denn, dass eine einheitliche Zweckzuwendung vorliegt;

3. was jemand dadurch erlangt, dass bei Genehmigung einer Zuwendung des Erblassers Leistungen an andere Personen angeordnet oder zur Erlangung der Genehmigung freiwillig übernommen werden;

4. was als Abfindung für einen Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch oder für die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses von dritter Seite gewährt wird;

5. was als Entgelt für die Übertragung der Anwartschaft eines Nacherben gewährt wird.

(3) Das Erlöschen von Leibrenten und anderen von dem Leben einer Person abhängigen Lasten gilt nicht als Erwerb von Todes wegen."

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass § 2 Abs. 1 Z. 1 ErbStG den Grundtatbestand, § 2 Abs. 2 Z. 4 ErbStG, wonach u.a. die Abfindung für die Ausschlagung einer Erbschaft als vom Erblasser zugewendet gilt, den Auffangtatbestand darstellt (siehe beispielsweise die Erkenntnisse verstärkter Senate des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 83/16/0178, Slg. Nr. 6058/F, und vom , Zl. 90/16/0167, Slg. Nr. 6.690/F). Im genannten Erkenntnis vom wurde unter Verweis auf die Judikatur des BFH ausgeführt, dass es mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht zu vereinbaren wäre, den Auffangtatbestand des § 2 Abs. 2 Z. 4 ErbStG steuerfrei zu lassen, den Grundtatbestand des § 2 Abs. 1 Z. 1 ErbStG aber zu besteuern; im Falle des § 2 Abs. 2 Z. 4 ErbStG trete die Abfindung an die Stelle der erbrechtlichen Ansprüche und werde deshalb steuerlich wie ein Erwerb behandelt, der aus dem Nachlass des Erblasser stamme. Die erbschaftsteuerrechtliche Funktion dessen, was als Bereicherung aus dem Nachlass anzusehen sei, gehe hier soweit, eine Bereicherung zu erfassen, die im Fall der Abfindung durch einen Dritten jeder direkten Verbindung mit erbrechtlichen Ansprüchen entbehrt, wenn auch diese Ansprüche Motiv für die Leistung des Dritten seien.

Nach dem hier vorliegenden Sachverhalt machte die Beschwerdeführerin als Erbrechtstitel das vom Gerichtskommissär ordnungsgemäß kundgemachte Testament vom geltend; vom Außerstreitrichter wurde ihr im Erbrechtsprozess die Beklagten-, dem gesetzlichen Erben die Klägerrolle zugewiesen.

Auch im Falle des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 1136/64, Slg. Nr. 3.165/F, hat der gesetzliche Erbe gegen den erbserklärten Testamentserben Erbrechtsklage erhoben; im Vergleich wurde das alleinige Erbrecht des Testamentserben anerkannt und dem Kläger ein bestimmter Betrag zur Endfertigung seines Erbrechtes bezahlt. Der Verwaltungsgerichtshof sah darin die Erlangung eines Vorteiles aus der Verlassenschaft, welcher gemäß § 2 Abs. 2 Z. 4 ErbStG der Steuer zu unterziehen war.

Im Erkenntnis vom , Zl. 1624/67, Slg. Nr. 3.781/F, wurde betont, dass es auf eine rechtskräftige gerichtliche Feststellung eines gültigen Erbrechtstitels nicht unbedingt ankomme und dass auch die Beendigung eines Erbrechtsstreites im Vergleichswege der Annahme des Steuertatbestandes nach § 2 Abs. 2 Z. 4 ErbStG nicht entgegensteht. Im Falle der Abgabe widerstreitender Erbserklärungen werde man vergleichsweise Vereinbarungen als zulässig ansehen müssen, die im wirtschaftlichen Ergebnis einer Ausschlagung der Erbschaft gleichkämen. Dabei sei es unerheblich, ob das Erbrecht des Verzichtenden der Sache nach zu Recht oder nur vermeintlich bestanden habe (ebenso hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0216).

Die Beschwerdeführerin hebt besonders hervor, dass sie über keinen Erbrechtstitel verfügte und damit auch im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses auf kein Erbrecht verzichtet hätte; der Abfindungsbetrag sei lediglich als "Stillhaltebetrag" zur Vermeidung weiterer Prozesskosten geleistet worden. Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 91/16/0130, ergebe sich jedoch, dass nur im Falle der Ausschlagung eines tatsächlich bestehenden Erbrechtes die Abfindung nach § 2 Abs. 2 Z. 4 ErbStG steuerbar sei.

Im zuletzt genannten Erkenntnis ging es um einen vermachten Persianermantel, der am Todestag des Erblassers nicht mehr vorgefunden worden war; die Begünstigte verzichtete gegen einen bestimmten Betrag auf ihr Subsidiarerbrecht. Der Verwaltungsgerichtshof stellte auf die (völlig ungeklärte) Frage ab, ob das Fehlen des Mantels am Todestag des Erblassers durch ihr willentliches, aktives Tun herbei geführt worden sei, weil daraus auf den vermuteten Widerruf des Legates hätte geschlossen werden können; in diesem Fall hätte gar kein Legat und kein Subsidiarerbrecht bestanden, sodass der erhaltene Betrag nicht als Abfindung für die Ausschlagung einer Erbschaft zu qualifizieren gewesen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof sah also die Frage als aufklärungsbedürftig an, ob der Erblasser etwa durch eine Veräußerung des vermachten Gegenstandes das Legat noch vor seinem Tod widerrufen hat. Es wurde eine Abfindung gezahlt, ohne dass die Frage, ob überhaupt noch eine gültige letztwillige Verfügung im Todeszeitpunkt vorlag, thematisiert worden wäre.

Im Gegensatz dazu war hier gerade die Frage, ob der Erblasser am Tage seines Ablebens noch eine letztwillige Verfügung getroffen hat oder nicht, Thema eines aufwändigen und kostenintensiven Erbrechtsstreites. Auch wenn die Finanzbehörden den zivilgerichtlichen Akt nicht beigeschafft haben, ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin in jenem Zivilprozess nicht mit einer derartigen Eindeutigkeit wie heute betont hat, sie hätte niemals über ein Erbrecht verfügt. Vielmehr kam es auf Grund des vom Gerichtskommissär ordnungsgemäß kundgemachten Testaments zum Erbrechtsstreit, der nur durch eine Abstandszahlung in angemessener Zeit beendet werden konnte. Die auf Seiten der Beschwerdeführerin eingetretene Bereicherung stand jedenfalls in direktem Zusammenhang mit dem von ihr geltend gemachten Erbrechtsanspruch. § 2 Abs. 2 Z. 4 kommt bei jedwedem Vergleich zum Tragen, der sich um erbrechtliche Positionen rankt, insbesondere im Zusammenhang mit Erbrechts- und Erbschaftsklagen (Dorazil-Taucher, Erbschafts- und Schenkungsteuergesetz4, Pkt 7.45 zu § 2 ErbStG). Genau wie im Fall des Erkenntnisses vom ist auch hier die Behauptung, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches ein Erbrechtsanspruch des Beschwerdeführers gar nicht mehr bestanden hätte, abgesehen vom offenbaren Widerspruch zum Vorbringen im Erbschaftsstreit, steuerlich nicht von Bedeutung, da Abfindungen für einen Verzicht auf einen Erbteil nach der zitierten Gesetzesstelle als steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen gelten.

Ausgehend davon, dass es nicht darauf ankommt, ob das Erbrecht des Verzichtenden der Sache nach zu Recht oder nur vermeintlich bestanden hat, liegen die behaupteten Verfahrensmängel nicht vor, weil mit den als offen dargestellten Tatfragen nur unter Beweis gestellt werden soll, dass das behauptete Erbrecht bloß vermeintlich bestanden hätte. Damit erwies sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am