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VwGH vom 10.04.1997, 94/15/0180

VwGH vom 10.04.1997, 94/15/0180

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des H in B, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 5-1964/93, betreffend Jahresausgleich für das Jahr 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der über Antrag des Beschwerdeführers vom Finanzamt für das Streitjahr erlassene Jahresausgleichsbescheid ergab eine Nachforderung von S 21.317,--, welche u.a. damit begründet wurde, daß die Bruttobezüge des Beschwerdeführers um die an diesen (im selben Jahr) ausgezahlten Krankengelder von S 221.424,-- erhöht worden seien.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, er habe im Streitjahr von seinem Arbeitgeber Sonderzahlungen in Höhe von S 50.000,-- brutto für Urlaubsgeld und Weihnachtsremuneration erhalten. Hiefür sei keine Lohnsteuer nach festen Sätzen berechnet worden, weil dies (abgesehen von einem Sachbezug von S 1.078,10) die einzigen Bezüge von Seite des Arbeitgebers gewesen seien. Die laufenden Bezüge habe der Beschwerdeführer als Krankengeld (von der Wiener Gebietskrankenkasse) erhalten. Auf Grund der in der Berufung vorgenommenen Neuberechnung des Jahressechstels vertrat der Beschwerdeführer die Rechtsansicht, beim Jahresausgleich für das Streitjahr müßten S 8.500,-- steuerfrei bleiben und S 28.404,-- mit den festen Steuersätzen des § 67 Abs. 1 EStG besteuert werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Sie begründete dies unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes damit, daß beim Jahresausgleich eine Korrektur der Besteuerung sonstiger Bezüge nur insoweit erfolgen dürfe, als letztere in den Jahresausgleich einzubeziehen gewesen (d.h. nach dem Tarif besteuert worden) seien. Eine Richtigstellung der festen Steuersätze des § 67 EStG 1988 könne daher immer nur durch einen gesonderten Erstattungsantrag gemäß § 240 BAO erfolgen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht in Streit, ob die belangte Behörde die vom Arbeitgeber des Beschwerdeführers in allfälliger Unkenntnis des Umstandes, daß letzterer im Streitjahr von der Wiener Gebietskrankenkasse Krankengeld bezogen hat, vorgenommene Sechstelberechnung, derzufolge die dem Beschwerdeführer gewährten Sonderzahlungen (Urlaubsgeld und Weihnachtsremuneration) zur Gänze dem Normalsteuersatz unterworfen wurden, bei der Durchführung des beim Finanzamt beantragten Jahresausgleiches mit der Wirkung richtigzustellen gehabt hätte, daß die in Rede stehenden Sonderzahlungen bis zur Höhe des Sechstels der Krankengelder mit festen Sätzen besteuert werden bzw. nicht in die Berechnung des Jahresausgleiches einbezogen werden.

Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe sich im angefochtenen Bescheid "mit dem Problem der Versteuerung der Sonderzahlungen, welche ohne laufende Bezüge ausbezahlt werden", nicht auseinandergesetzt. Das im angefochtenen Bescheid herangezogene Argument, daß gemäß § 73 Abs. 1 EStG 1988 in der im Streitjahr geltenden Fassung bei Durchführung des Jahresausgleiches die Lohnsteuer neu zu berechnen sei, wobei Bezüge nicht einzubeziehen seien, die gemäß §§ 67 und 68 leg. cit. steuerfrei bleiben oder mit den festen Steuersätzen dieses § 67 leg. cit. oder mit den Pauschsätzen des § 69 Abs. 1 leg. cit. zu versteuern gewesen seien, gehe ins Leere, weil die sonstigen Bezüge des Beschwerdeführers gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 (abgesehen vom erwähnten Sachbezug) zur Gänze nach dem Lohnsteuertarif versteuert worden seien. Die Besteuerung sonstiger Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 leg. cit. habe dann zu erfolgen, wenn neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige Bezüge ausbezahlt würden. Bei teleologischer Auslegung dieser Bestimmung seien seine sonstigen Bezüge unter diese Gesetzesstelle zu subsumieren, weil das Krankengeld lediglich den laufenden Arbeitslohn substituiere, also ein Surrogat desselben sei. Bei verfassungskonformer Interpretation (insbesondere unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes) der §§ 67 Abs. 1, 69 Abs. 2 und 73 Abs. 1 leg. cit. dürfe er hinsichtlich der Besteuerung seiner sonstigen Bezüge nicht schlechter gestellt werden als ein Arbeitnehmer, der keine Krankengelder beziehe, weil dies einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung zwischen Beziehern von Krankengeld und Beziehern von Arbeitslohn gleichkäme.

Die belangte Behörde führte hiezu in ihrer Gegenschrift aus, dem Arbeitgeber des Beschwerdeführers wäre es - hätte der Beschwerdeführer ihm nur rechtzeitig VOR der Durchführung der Sechstelberechnung eine entsprechende Bestätigung des Versicherungsträgers über die Höhe der ausgezahlten Krankengelder vorgelegt - möglich gewesen, die Krankengelder "wie Vorarbeitgeberbezüge zur Gänze als laufende Bezugsteile in die anzustellende Sechstelberechnung" einzubeziehen. Mangels einer solchen Bestätigung habe der Arbeitgeber des Beschwerdeführers die Sechstelberechnung aber nur an Hand der von ihm ausgezahlten laufenden Bezüge, im konkreten Fall lediglich unter Berücksichtigung eines Sachbezuges, vorgenommen und die übersteigenden Beträge der Sonderzahlungen gemäß § 67 Abs. 2 und 10 EStG 1988 nach dem Tarif versteuert.

Gemäß § 73 Abs. 1 EStG 1988 ist die Lohnsteuer bei der Durchführung des Jahresausgleiches neu zu berechnen. In diese Berechnung sind Bezüge nicht einzubeziehen, die gemäß §§ 67 oder 68 steuerfrei bleiben oder mit den festen Steuersätzen des § 67 oder mit den Pauschsätzen des § 69 Abs. 1 zu versteuern waren.

Gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 setzt die begünstigte Besteuerung mit den festen Steuersätzen dieser Gesetzesstelle voraus, daß der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige Bezüge erhält. Abs. 2 dieser Gesetzesstelle begrenzt die Möglichkeit, sonstige Bezüge mit den festen Steuersätzen des Abs. 1 leg.cit. zu versteuern, indem er bestimmt, daß sonstige Bezüge, die ein Sechstel der bereits zugeflossenen auf das Kalenderjahr umgerechneten Bezüge übersteigen, dem laufenden Bezug des Lohnzahlungszeitraumes, in dem sie ausbezahlt werden, hinzuzurechnen und somit nach dem Lohnsteuertarif zu versteuern sind.

Auf Grund des im zweiten Satz des § 73 Abs. 1 EStG 1988 enthaltenen Wortes "waren" und wegen des Fehlens einer gesetzlichen Bindung der Abgabenbehörde an die Lohnsteuerberechnung des Arbeitgebers eines Lohnsteuerpflichtigen kommt es bei der Neuberechnung der Lohnsteuer beim behördlichen Jahresausgleich für die Frage der Einbeziehung von sonstigen Bezügen iS der zitierten Gesetzesstelle nicht auf die vorangegangene steuerliche Beurteilung durch den jeweiligen Arbeitgeber, sondern auf den Charakter der Bezüge als laufende oder sonstige an, wobei das objektive Recht hiefür den Maßstab bildet. Dies kommt schon im hg. Erkenntnis vom , Zl. 1385/74, zum Ausdruck, wonach vom Arbeitgeber zu Unrecht mit festen Steuersätzen versteuerte sonstige, infolge Sechstelüberschreitung aber als laufende Bezüge nach dem Lohnsteuertarif zu versteuernde Bezüge in den Jahresausgleich einzubeziehen sind (vgl. hiezu auch Quantschnigg-Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Rz 12 zu § 73). Im Umkehrschluß sind sonstige Bezüge (in ihrer objektiv richtigen Höhe) beim behördlichen Jahresausgleich auszuscheiden, wenn der Arbeitgeber die Bezüge ganz oder teilweise zu Unrecht nach dem Lohnsteuertarif versteuert hat.

Im Beschwerdefall bestreitet die belangte Behörde zutreffend und wie bereits erwähnt nicht, daß die von der genannten Krankenkasse im Streitjahr an den Beschwerdeführer ausgezahlten Krankengelder als Surrogat für entgangenen Arbeitslohn schon vom privaten Arbeitgeber des Beschwerdeführers für den Fall, daß er hievon (durch eine ihm vorgelegte Bestätigung der genannten Krankenkasse) rechtzeitig Kenntnis gehabt hätte, bei der Berechnung der von der Weihnachtsremuneration und dem Urlaubsgeld zu erhebenden Lohnsteuer wie von ihm ausgezahlte laufende Arbeitslöhne zu behandeln gewesen wären. Lediglich im Hinblick auf die nicht rechtzeitig vor den Sonderzahlungen erfolgte Vorlage einer Bestätigung der Krankenkasse beim privaten Arbeitgeber des Beschwerdeführers hätten die Krankengelder auch beim Jahresausgleich nicht sechstelerhöhend berücksichtigt werden dürfen.

Die soeben wiedergegebene Auffassung der belangten Behörde, daß die nicht rechtzeitige Vorlage einer Bestätigung der genannten Krankenkasse über die von ihr im Streitjahr an den Beschwerdeführer ausgezahlten Krankengelder beim behördlichen Jahresausgleich schade, entspricht nach dem weiter oben Gesagten nicht dem Gesetz, weil die Abgabenbehörde die ihr bekannten Krankengelder des Beschwerdeführers unabhängig vom Wissensstand und der steuerlichen Beurteilung seines privaten Arbeitgebers zu berücksichtigen hatte. Damit wäre es der belangten Behörde in Kenntnis der von der genannten Krankenkasse an den Beschwerdeführer im Streitjahr unbestrittenermaßen ausgezahlten Krankengelder aufgegeben gewesen, diese beim Jahresausgleich sechstelwirksam in Rechnung zu stellen. Dadurch, daß die belangte Behörde dies in Verkennung der Rechtslage unterlassen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Dieser Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.