VwGH vom 25.11.1999, 99/16/0155
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
99/16/0156 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des R in D, vertreten durch Dr. Hubert F. Kinz, Rechtsanwalt in Bregenz, Kirchstraße 10, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. IIIa-230/167, betreffend Getränkesteuer (mitbeteiligte Partei: Stadt Dornbirn), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom setzte die mitbeteiligte Gemeinde nach Maßgabe der Getränkesteuer-Jahreserklärung des Beschwerdeführer die Getränkesteuer für das Jahr 1997 fest. In seiner dagegen erstatteten Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer diesen Bescheid damit, dass das geltende Getränkesteuergesetz gegen Art. 33 der sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie und gegen Art. 3 der Verbrauchsteuerrichtlinie verstoße. Darauf hielt die Abgabenbehörde erster Instanz dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom vor, dass die Rechtsfrage, ob die Getränkesteuer EU-widrig sei, derzeit vom Europäischen Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsverfahren geklärt werde. Nach Wiedergabe des § 122 (Vorarlberger) Abgabenverfahrensgesetz wird in diesem Schreiben wörtlich ausgeführt:
"Im Hinblick auf das noch offene Verwaltungsgerichtshofverfahren wird aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis vorgeschlagen, ihre Berufung bis zum Vorliegen einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes auszusetzen. Wir geben ihnen hiemit Gelegenheit, binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Schreibens dazu Stellung zu nehmen. Wenn wir innerhalb dieser Frist keine Antwort erhalten, gehen wir davon aus, dass sie mit der Aussetzung einverstanden sind."
Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seiner im Verfahren ausgewiesenen steuerlichen Vertretung am zugestellt.
Mit Bescheid vom setzte die Berufungsbehörde das Verfahren über diese Berufung gemäß § 122 Abs. 1 Abgabenverfahrensgesetz aus. Verwiesen wurde auf das beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 97/16/0322 anhängige Verfahren, mit welchem ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof angestrebt wurde; dieser Bescheid wurde dem steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers am zugestellt.
Mit Schreiben vom erklärte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf den Vorhalt vom 2. (richtig wohl: 5.) Oktober 1998 Folgendes:
"Mit obigem Schreiben haben Sie mitgeteilt, dass Sie das bezügliche Verfahren wegen der Anhängigkeit dieser Frage beim Verwaltungsgerichtshof aussetzen. Da im Falle der Zustimmung des Abgabenpflichtigen zu dieser Aussetzung die Gefahr besteht, dass die entrichteten Getränkesteuerzahlungen nicht mehr vergütet werden bzw. die 'Ergreiferprämie' verloren geht (s. SWK 35/36 aus 1998, Seite S 794), beantragen wir die unverzügliche Fortsetzung des Verfahrens. Die Gründe für die Fortsetzung des Verfahrens ergeben sich aus dem zugrundeliegenden Berufungsbegehren".
Mit Schreiben vom teilte die Abgabenbehörde
1. Instanz dem Beschwerdeführer mit, dass er sich innerhalb der im Schreiben vom gesetzten Frist nicht geäußert habe, weshalb die Abgabenkommission in ihrer Sitzung vom die Aussetzung beschlossen habe. Dieser Bescheid sei ihm bereits zugestellt worden, aber noch nicht rechtskräftig, weshalb ihm dagegen das Rechtsmittel der Vorstellung offen stehe.
In seiner gegen den Aussetzungsbescheid vom erhobenen Vorstellung beantragte der Beschwerdeführer eine "rechtsmittelfähige Erledigung unserer Berufung". Die Begründung der Vorstellung besteht ausschließlich in dem Verweis auf sein Schreiben vom (gemeint wohl: ).
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Vorstellung keine Folge. Die Vorstellungsbehörde sah die Voraussetzungen des § 122 (Vorarlberger) Abgabenverfahrensgesetz als gegeben an, weil mangels Anhängigkeit der für den Bescheid präjudiziellen Normen, insbesondere des Getränkesteuergesetzes, beim Verfassungsgerichtshof, die Vorarlberger Landesregierung ein Interesse des Vorstellungswerbers an der Anlassfalleigenschaft nicht zu erkennen vermochte. Selbst unter Berücksichtigung dessen, dass der Vorstellungswerber von dem im Berufungsverfahren eingeräumten Parteiengehör hinsichtlich der beabsichtigten Verfahrensaussetzung keinen Gebrauch gemacht habe und insoweit seiner Mitwirkungspflicht zur Geltendmachung überwiegender Interessen nicht nachgekommen sei, vermochte die belangte Behörde trotz Beachtung der im Vorstellungsverfahren vorgebrachten Parteiinteressen eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte nicht festzustellen.
In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichtbezahlung der nicht geschuldeten Getränkesteuer, in seinem Recht auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Getränkesteuer, weiters in seinem Recht verletzt, in den Genuss der Anlassfallwirkung zu kommen und schließlich, im Falle der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit, Staats- oder Amtshaftungsansprüche geltend machen zu können.
Der Verwaltungsgerichtshof forderte die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 2 VwGG zunächst auf, alles vorzubringen, was entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers und des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom , Zl. 99/16/0052, 0053, für die Aussetzung trotz der dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken, die Gegenstand einer entsprechenden Beschwerde sein könnten, spreche.
Die belangte Behörde führte aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Vorstellung als ein bloß abstrakt dargelegtes Interesse zu qualifizieren sei, welches einer Aussetzung im Sinne des § 122 (Vorarlberger) Abgabenverfahrensgesetz von vornherein nicht entgegenstehe. Dem Beschwerdeführer sei die beabsichtigte Aussetzung vorgehalten worden, er habe nicht fristgerecht, sondern erst mit Schreiben vom reagiert. Damit sei er seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Da die Vorstellungsbehörde an die Rechts- und Sachlage zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides gebunden sei, sei es fraglich, ob erst im Vorstellungsverfahren vorgebrachte Parteiinteressen, die einer Aussetzung allenfalls entgegenstehen könnten, beachtlich seien.
Erst in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof habe der Beschwerdeführer konkret dargelegt, aus welchen Gründen eine Aussetzung seinen Parteiinteressen entgegenstehe und ausgeführt, dass die Einleitung eines verfassungsgerichtlichen Normprüfungsverfahrens angestrebt werde. Entscheidend sei für die Rechtmäßigkeit der Aussetzung, dass über gleiche oder ähnliche Rechtsfragen ein Verfahren vor einem Gericht - dem Verwaltungsgerichtshof - anhängig sei.
Nach dem sodann eingeleiteten Vorverfahren gemäß § 35 Abs. 3 VwGG erstattete die belangte Behörde eine Gegenschrift, in der sie auf ihre Äußerung gemäß § 35 Abs. 2 VwGG verwies.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 122 Abs. 1 des
(Vorarlberger) Abgabenverfahrensgesetzes, LGBl. Nr. 23/1984, kann die Entscheidung über eine Berufung, wenn wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig ist oder sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren behängt, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegend Interessen der Partei entgegenstehen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Aussetzung von der Behörde zweiter Instanz durch Bescheid auszusprechen.
Zur Frage, ob die (jeweils landesgesetzlich geregelte) Getränkesteuer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes widerspricht, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Zlen. 97/16/0221, 0021, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu einer Vorabentscheidung angerufen. Dieses Verfahren ist noch offen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt im Erkenntnis vom , Zl. 99/16/0157, ergangen gleichfalls zum Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetz, unter Hinweis auf seine Vorjudikatur einerseits darauf verwiesen, dass jeweils im Einzelfall zu beurteilen sei, ob die Absicht der Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde zwecks Erlangung der so genannten "Ergreiferprämie" einer Aussetzung entgegenstehe, weil aus diesem Grunde "Interessen der Partei entgegenstehen" können. Als entscheidend wurde angesehen, ob die Behörde der Partei vor Erlassung des Aussetzungsbescheides Gelegenheit zur Darlegung ihrer Interessen gegeben hat.
Da dies hier geschehen ist, blieb das Verfahren auf Gemeindeebene frei von Mängeln. Erst in der Vorstellung wurden jene Interessen geltend gemacht, die vom Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom - damals lag dasselbe Vorbringen wie hier im Schreiben vom zugrunde - als überwiegend anerkannt wurden.
Eine Berücksichtigung von Interessen, die vor der Gemeindebehörde trotz Vorhalt nicht behauptet wurden, kann durch die Vorstellungsbehörde nicht erfolgen, weil der Gemeindebescheid an der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung zu beurteilen ist (vgl. Berchtold, Gemeindeaufsicht, 44, in Fröhler-Oberndorfer, Das österreichische Gemeinderecht). Zu diesem Zeitpunkt lagen aber trotz Aufforderung keine (bzw. keine fristgerecht geltend gemachten) Parteiinteressen vor, weshalb die belangte Behörde der Vorstellung zu Recht keine Folge gegeben hat.
Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.
Wien, am