VwGH vom 18.05.1995, 94/15/0174
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde der L-GmbH & Co KG in L, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom , Zl. 6/4-4204/92-04, betreffend Unterbleiben einer einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften für die Jahre 1985 bis 1987 sowie betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde am mündlich errichtet. Geschäftsführende Komplementärin war die weder am Vermögen noch am Gewinn und Verlust beteiligte L-GmbH, deren Geschäftsführer der Beschwerdevertreter ist. Letzterer und Frau Hedwig M. waren Kommanditisten der Beschwerdeführerin mit einer Kommanditeinlage von S 2 Mio bzw. S 10.000,--. Laut § 2 Z. 1 des am auch noch schriftlich gefaßten Gesellschaftsvertrages ist Unternehmensgegenstand der Beschwerdeführerin a) das Hotel- und Beherbergungsgewerbe,
b) das Gast- und Schankgewerbe, c) der Betrieb eines Reitstalles, d) die Organisation von Musikveranstaltungen und
e) die Organisation und Durchführung von Rundflügen. Der in lit. c und e) dieser Bestimmungen angeführte Unternehmensgegenstand wurde unbestrittenermaßen nicht verwirklicht.
Die auf Grund Kaufvertrages vom im Eigentum des Beschwerdevertreters stehenden Grundstücke Nrn. 126, 127, 128, 129/2, alle inliegend in der EZ. 228, KG. L, wurden der Beschwerdeführerin zur tatsächlichen Nutzung überlassen. Auf dem Grundstück Nr. 129/2 ist ein als "Villa" bezeichnetes Einfamilienhaus, auf dem Grundstück Nr. 126 ein Gasthaus, ein Blockhaus und ein Doppelblockhaus, und auf dem Grundstück Nr. 127 eine Sauna errichtet. In den Jahren nach 1985 wurden die bestehenden Anlagen baulich saniert, in den Blockhäusern jedes Zimmer mit einem verfliesten Duschraum versehen, eine Ölfeuerungsanlage errichtet, die Sauna, eine Wasserleitung, eine Drucksteigerungsanlage zur Wasserversorgung sowie eine Kanalleitung gebaut und schließlich die gesamte Anlage ans öffentliche Netz angeschlossen. Erstmals wurde die Anlage beginnend mit und endend mit an die H- GmbH verpachtet. In der Folge führte die Beschwerdeführerin den Betrieb selbst und verpachtete ihn am mit Wirksamkeit ab an Petra S. Im Juli 1991 schloß die Beschwerdeführerin hinsichtlich des Grundstückes Nr. 129/2 einen Mietvertrag mit den Rechtsanwälten Dr. H. und dem Beschwerdevertreter, wobei nur letzterer den vereinbarten Bestandzins leistete.
Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführerin in ihren Abgabenerklärungen folgende Verluste erklärte:
Für 1985: S 642.056,--
für 1986: S 596.206,--
für 1987: S 544.016,--
für 1988: S 478.076,--
für 1989: S 460.575,--
für 1990: S 226.386,--
für 1991: S 135.707,--
für 1992: S 232.837,--
für 1993: S 191.893,--
Der bis zur Aufnahme der Bewirtschaftung durch Verpachtung im Jahr 1991 erzielte Gesamtverlust der Beschwerdeführerin für die Jahre 1985 bis 1990 beträgt somit unbestrittenermaßen - S 2,947.315,--. Insgesamt ergab sich für die oben angeführten Jahre ein Gesamtverlust von über S 3,5 Mio.
Mit Bescheiden des Finanzamtes Ende Juli/Anfang August 1990 wurde einerseits eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 1985 bis 1987 nicht durchgeführt und andererseits die Umsatzsteuer für das Jahr 1987 mit Null festgesetzt; dies mit der Begründung, die Tätigkeit der Beschwerdeführerin sei ungeeignet, einen Gesamtgewinn zu erzielen, weswegen Liebhaberei im steuerrechtlichen Sinn und keine Einkunftsquelle vorliege.
Die gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nach umfangreichen Ermittlungen und Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Berufungssenat, wobei auch die Ferienanlage in Augenschein genommen wurde, ab; dies nach Darstellung des Sachverhaltes, des Verfahrensganges und der Rechtslage im wesentlichen mit folgender Begründung:
Mit dem Erwerb der genannten Liegenschaften und der Gründung der Beschwerdeführerin habe der Beschwerdevertreter zum einen die Absicht verfolgt, sich neben seiner Rechtsanwaltskanzlei ein zweites wirtschaftliches Betätigungsfeld zu schaffen, zum andern seien für den Erwerb aber im Bereich der privaten Lebensführung des Beschwerdevertreters gelegene Gründe maßgebend gewesen. Der Beschwerdevertreter habe sowohl die Villa als zunächst auch die Blockhäuser "von Anfang an stets privat genutzt". Insbesondere die vom Feriendorf getrennte Villa entspreche den Anforderungen an ein gehobenes Wochenend- und Feriendomizil. Auch der Umstand, daß der Beschwerdevertreter vor dem Kauf der Liegenschaften keinerlei Erkundigungen bei der Bau- und Gewerbebehörde hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Gastgewerbe- und Beherbergungsbetrieb eingezogen habe, spreche für einen zunächst vorwiegend privat veranlaßten Erwerb. Auch fehlten exakte bzw. überhaupt nachvollziehbare vertragliche Bestimmungen, auf deren Grundlage die betriebliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin bzw. sogar ihre Existenz aufbaue bzw. aufbauen könne. Insbesondere seien trotz ausdrücklicher Aufforderung der Beschwerdeführerin keine konkreten Unterlagen, aus denen sich eine Bewirtschaftungs- bzw. Nutzungsberechtigung (-möglichkeit) der Beschwerdeführerin nachvollziehbar ergebe, vorgelegt worden. Die Vertragskonstruktion halte insofern auch einem Fremdvergleich nicht stand. Nach der Aktenlage biete sich das Bild einer ausschließlich Verluste erwirtschaftenden Gesellschaft, wobei diese Entwicklung von einer offensichtlich zu optimistischen Einschätzung der wirtschaftlichen Möglichkeiten seitens der Beschwerdeführerin begleitet gewesen sei. Eine Prognoserechnung sei von der Beschwerdeführerin nicht schon im Jahr 1985, sondern erstmals im Jahr 1991 für dieses und das folgende Jahr unterstellt worden. Der für 1991 erhoffte Gewinn sei aber tatsächlich nicht eingetreten. Die zögernde jahrelange Projektgestaltung erwecke den Eindruck einer in diesen ersten Jahren im Vordergrund stehenden Hobby- bzw. Freizeitbetätigung. Vom Erwerb der Liegenschaften im Jahr 1985 bis zur Erstbewirtschaftung im Jahr 1991 seien rund sieben durch äußerst unterschiedliche Aktivitäten gekennzeichnete Jahre verstrichen: 1985 seien - vor allem mit der Installierung einer Ölheizung - relativ umfangreiche Investitionen getätigt worden, während sich in den Folgejahren bis zum Jahr 1991 die Adaptierungen und Anschaffungen in Grenzen gehalten hätten bzw. in einigen Jahren überhaupt keine Maßnahmen gesetzt worden seien, wie sich aus folgender Aufstellung der Zugänge zum Anlagevermögen der Beschwerdeführerin in den Jahren 1985 bis 1991 ergebe:
Jahr Bauten auf fremdem Grund Werkzeuge, Betriebs- und
und Boden Geschäftsausstattung
1985 S 671.612,-- S 134.592,--
1986 S 98.990,-- S 0,--
1987 S 0,-- S 22.905,--
1988 S 56.406,-- laut Anlage-
verzeichnis: S 25.048,--
(ohne Jagd-
gewehr: S 5.817,--)
1989 S 0,-- S 0,--
1990 S 87.751,-- S 0,--
1991 S 968.422,-- S 243.274,--
Der Grund für diese unterschiedlichen Aktivitäten könne nicht allein in Verzögerungen bei den behördlichen Verfahren gesucht werden. Nach der Einholung einer Baubewilligung und Installierung der Ölheizung im Jahr 1985 sei von der Beschwerdeführerin erst 1989 der nächste Verfahrensschritt gesetzt worden, indem die Rodungsbewilligung für die Waldfläche, auf der sich die Sauna befinde, beantragt worden sei, obwohl dies bereits seit der Rechtskraft des geänderten Flächenwidmungsplanes im Jahr 1987 möglich gewesen wäre. Darüber hinaus könne die (physische und rechtliche) Sanierung des am Waldrand gelegenen Saunagebäudes wohl nicht gerade die vordringlichste Aufgabe gewesen sein. Ein Investitionsplan habe nicht bestanden. Die nächsten, entscheidenden Schritte zur Inbetriebnahme des Komplexes seien erst im Jahr 1991 mit der Einholung von Zustimmungserklärungen für die Leitungslegung für die Wasser- und Kanalanschlüsse sowie der Baubewilligung hiefür gesetzt worden. Es sei auch unwahrscheinlich, daß der Beschwerdevertreter von den vorher bestehenden Ver- bzw. Entsorgungsproblemen erst im Jahr 1989 erfahren habe; treffe dies tatsächlich zu, so zeuge dies von einem als eher sorglos zu bezeichnenden Umfang bei der zügigen Schaffung der Betriebsgrundlagen. Von einer zielstrebigen Vorbereitung der Betriebseröffnung könne hiebei nicht die Rede sein. Daß die Einhaltung der behördlichen Vorschriften nicht der Grund für die Verzögerung gewesen sein könne, zeige u.a. der Umstand, daß der Betrieb schon im Jahr 1991 aufgenommen, die baubehördliche Endbeschau aber erst im Jahr 1992 vorgenommen worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Beschwerdefall ist unbestrittenermaßen noch die Rechtslage vor der Liebhabereiverordnung BGBl. Nr. 322/1990 anzuwenden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beantwortung der Frage, ob eine steuerrechtlich relevante Tätigkeit oder Liebhaberei vorliegt, von der Feststellung abhängig, ob mit der Deckung der Ausgaben und - da bloße Kostendeckung nicht genügt - mit einem wenn auch nur bescheidenen Nutzen ernstlich gerechnet werden kann, mag sich dieser Nutzen auch erst in späterer Zeit, nach Ablauf einer angemessenen Anlaufphase, einstellen. Dabei ist zunächst ein objektiver Maßstab anzulegen und festzustellen, ob die zu beurteilende Tätigkeit überhaupt Aussicht hat, sich jemals lohnend zu gestalten. Ist diese Frage zu verneinen, kommt es auf die persönliche Auffassung des Steuerpflichtigen nicht mehr an, seiner subjektiven Einstellung kann nur in Grenzfällen Bedeutung beigemessen werden. Entscheidend ist, ob die Möglichkeit zur Erzielung von Gewinnen bzw. Überschüssen nach den Beobachtungen im Beobachtungszeitraum besteht.
Grundsätzlich genügt bei Vermietung und Verpachtung ein Beobachtungszeitraum von fünf bis acht Jahren (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/13/0077, m.w.N.).
Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin unbestrittenermaßen im Zeitraum seit ihrer Gründung bis zum Ende des Jahres 1990, das der Aufnahme ihrer Bewirtschaftung durch Vermietung bzw. Verpachtung vorausgeht, einen Gesamtverlust von S 2,947.315,-- erlitten. Dieser Verlust hat sich durch weitere Verluste in den drei folgenden Jahren noch erhöht. Da dem in der Zeit vom bis bestehenden Pachtverhältnis eine Phase des Eigenbetriebes durch die Beschwerdeführerin gefolgt ist, welche wiederum durch ein neuerliches Pachtverhältnis ab abgelöst wurde, liegen gegenständlich Änderungen der Bewirtschaftung vor, deretwegen im Beschwerdefall von einem DURCH GESAMTVERLUST ABGESCHLOSSENEN BEOBACHTUNGSZEITRAUM gesprochen werden muß. In derartigen Fällen ist aber eine Prognose über die künftigen Aussichten auf allfällige Gesamtüberschüsse entbehrlich (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/15/0173, m.w.N.). Daß die Beschwerdeführerin erst für die Jahre 1991 und 1992 eine Prognose erstellt und der Beschwerdevertreter der Beschwerdeführerin auf undeutliche Weise zur Nutzung Grundstücke für private Zwecke des ersteren überlassen hat, ist somit, anders als die belangte Behörde meint, für das Schicksal der Beschwerde nicht entscheidend.
Der für das Einkommensteuerrecht entwickelte Begriff "Liebhaberei" besitzt im Hinblick auf § 2 Abs. 5 Z. 2 UStG 1972 auch für das Umsatzsteuerrecht Bedeutung. Gerade weil für den Bereich des Umsatzsteuerrechtes in der Regel kein längerer Beobachtungszeitraum zur Verfügung steht, weil insbesondere in jenen Fällen, in denen am Leistungsaustausch Unternehmer beteiligt sind, die Entscheidung, ob Liebhaberei vorliegt oder nicht, sofort getroffen werden muß (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/15/0098, m.w.N.), durften die Abgabenbehörden schon auf Grund der ihnen bekannten Verluste der Beschwerdeführerin auf das Vorliegen einer Tätigkeit, die auf Dauer gesehen Gewinne oder Einnahmenüberschüsse nicht erwarten läßt (Liebhaberei) schließen.
Aus den dargestellten Erwägungen hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid weder mit der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet. Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
Die Entscheidung konnte gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat gefällt werden, weil die im Beschwerdefall bedeutsamen Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes klargestellt sind.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.