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VwGH vom 19.12.2006, 2003/21/0226

VwGH vom 19.12.2006, 2003/21/0226

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der S, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom , Zl. Fr-4250a- 74/99, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes und Zurückweisung eines Antrages auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die belangte Behörde hatte mit Bescheid vom im Instanzenzug gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 und Z 2 des (bis in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Am hat die Beschwerdeführerin die Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes beantragt und die Feststellung begehrt, dass sie nach § 57 FrG nicht nach Bosnien abgeschoben werden dürfe.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom wurde gemäß "§§ 37 und 44" FrG der Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 57 Abs. 1 und § 75 Abs. 1 und 2 leg. cit. der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung "als verspätet" zurückgewiesen (Spruchpunkt II.).

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den zitierten erstinstanzlichen Bescheid ab.

Zur Begründung verwies sie auf das dem Aufenthaltsverbot zu Grunde liegende Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom , mit dem die Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und 4 Z 3 Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren, im Berufungsweg herabgesetzt auf neun Jahre, verurteilt worden war. Diesem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass die Beschwerdeführerin in der Zeit vom bis 21,6 Kilogramm Heroin über mehrere Länder nach Österreich eingeführt habe. Dies habe der 1.940-fachen Grenzmenge entsprochen. Auch wenn die Beschwerdeführerin am vorzeitig aus der Haft entlassen worden sei, sei der seit der Entlassung verstrichene Zeitraum von acht Monaten angesichts der Schwere der Straftat jedenfalls zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine Minderung der für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Gefahr schließen zu können.

Mit dem Aufenthaltsverbot sei ein schwerer Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin verbunden und es sei schon bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes berücksichtigt worden, dass die Beschwerdeführerin einen - damals achtjährigen - Sohn habe. Wegen der hohen Sozialschädlichkeit von Suchtgiftdelikten könne jedoch ein Aufenthaltsverbot auch bei völliger sozialer Integration im Inland erlassen werden. Die Familieneinheit könnte auch durch eine gemeinsame Ausreise in einen anderen Staat sichergestellt werden.

In der Folge traf die belangte Behörde Feststellungen zur allgemeinen Lage in Bosnien-Herzegowina.

Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung sei als unzulässig zurückzuweisen, weil gemäß § 75 Abs. 2 FrG ein solcher Antrag nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden könne. Zur Durchsetzung des Refoulementverbotes nach § 57 FrG diene das Rechtsinstitut des Abschiebungsaufschubes gemäß § 56 Abs. 2 FrG.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen:

Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grund des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 FrG zulässig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/21/0189).

Entgegen der Beschwerdeansicht führt es nicht zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, dass die Behörde erster Instanz die Abweisung spruchgemäß auf "§ 37 und 44 FrG 1997" stützte und die belangte Behörde diesen Ausspruch bestätigte. Inhaltlich haben beide Behörden nämlich das Fortbestehen der Gefährlichkeitsprognose nach § 36 FrG geprüft und es schadet nicht, wenn neben der maßgeblichen Bestimmung des § 44 FrG zwar der (die Interessenabwägung enthaltende) § 37 FrG, nicht jedoch § 36 FrG im Spruch angeführt wurde.

An der Richtigkeit der behördlichen Ansicht über das Fortbestehen der Gefährlichkeitsprognose kann kein Zweifel bestehen, erstreckt sich doch das behauptete Wohlverhalten der Beschwerdeführerin nach Entlassung aus der Strafhaft bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides auf weniger als ein Jahr. Die Zeit der Strafhaft kann für die Gefährlichkeitsprognose wegen der damit verbundenen Beschränkungen keinesfalls in gleicher Weise herangezogen werden.

Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass eine Gefährlichkeitsprognose deshalb nicht weiter aufgestellt werden könnte, weil sie nach § 46 Abs. 2 StGB bedingt entlassen worden sei. Dass die strafgerichtlichen Erwägungen für eine bedingte Entlassung und die fremdenpolizeilichen Überlegungen betreffend eine bestehende Gefährlichkeit des Fremden nicht gleichzusetzen sind, ergibt sich schon aus der Anordnung des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG, wonach auch bedingte Verurteilungen eine bestimmte Tatsache für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes darstellen können. Im Übrigen ist aber auch schon der Tatbestand des § 46 Abs. 2 StGB, der auf das Fehlen von besonderen Gründen für die Befürchtung der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abstellt, mit dem fremdenrechtlichen Gefährdungstatbestand des § 36 Abs. 1 FrG nicht vergleichbar. Nicht sachdienlich sind die Beschwerdeausführungen, dass die Bestimmung des § 46 Abs. 2 StGB auch im Bereich der Suchtgiftkriminalität stärker angewendet werden sollte.

Die Beschwerdeführerin irrt, wenn sie ein Aufenthaltsverbot als "materielle Zusatzstrafe" ansieht, stellt ein solches doch nach ständiger hg. Rechtsprechung keine Strafe, sondern eine administrativ-rechtliche fremdenpolizeiliche Maßnahme dar (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2003/21/0125).

Weiters bietet das Gesetz für die in der Beschwerde vorgeschlagene "andere Lösungsmöglichkeit" keine Handhabe, dass ein Aufenthaltsverbot für den Raum Vorarlberg oder Tirol, nicht jedoch für (das ganze Bundesgebiet und) andere Schengen-Staaten verhängt werden könnte.

Weiters argumentiert die Beschwerde damit, dass auch in ihrem Fall den Rechtsschutzgarantien der Richtlinie 64/221/EWG nicht entsprochen worden wäre. Die Beschwerde sieht im vorliegenden Fall den Konnex zum Gemeinschaftsrecht darin, dass fremdenpolizeiliche Maßnahmen der Garantie des Art. 6 EMRK unterlägen und somit an Hand der in der genannten Richtlinie zum Ausdruck gebrachten "europäischen Werte" zu beurteilen seien. Diesem Vorbringen ist schon deswegen der Boden entzogen, weil weder die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/21/0007) noch die Versagung seiner Aufhebung eine Maßnahme nach Art. 6 EMRK darstellt.

Soweit die Beschwerde auf eine "Beschwerdelegitimation von nahen Angehörigen im Sinne des Art. 8 EMRK" verweist, ist dem zu entgegnen, dass bereits die Beschwerde des Sohnes der Beschwerdeführerin gegen das Aufenthaltsverbot seiner Mutter mit hg. Beschluss vom , Zl. 2003/21/0061, mangels Beschwerdelegitimation zurückgewiesen wurde.

Wegen des Fehlens von Anknüpfungspunkten zum Gemeinschaftsrecht ist auch den Ausführungen zu einer "Staatshaftung nach Gemeinschaftsrecht" der Boden entzogen.

Auch im Bereich der Interessenabwägung nach § 37 FrG kann eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht gesehen werden. Eine Änderung der persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin im Vergleich zur Sachlage bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes liegt nur darin, dass ihr Sohn nunmehr zwölf Jahre alt ist. Verfehlt ist der Beschwerdehinweis auf Art. 3 EMRK und die Bedrohungssituation im Heimatland der Beschwerdeführerin, weil die Garantien des Art. 3 EMRK nicht in einem Verfahren zur Erlassung oder zur Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes zum Tragen kommen. Diese sind hingegen in einem Verfahrens auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach § 75 Abs. 1 FrG oder auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes nach § 56 Abs. 2 FrG zu beachten.

Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung wurde im Instanzenzug zutreffend zurückgewiesen, weil ein solcher nach der klaren Anordnung des § 75 Abs. 2 FrG nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/21/0082). Entgegen der Beschwerdeansicht besteht dadurch kein Rechtsschutzdefizit, ist doch im Fall einer Unzulässigkeit der Abschiebung aus den Gründen des § 57 FrG sowohl über einen nach § 56 Abs. 2 gestellten Antrag als auch von Amts wegen ein Abschiebungsaufschub zu erteilen.

Da somit die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen vermag, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Eine Kostenentscheidung zu Gunsten der belangten Behörde hatte zu unterbleiben, weil die belangte Behörde im gegenständlichen Verfahren keine Kosten verzeichnet hat.

Wien, am